OT: Fear City
THRILLER: USA, 1984
Regie: Abel Ferrara
Darsteller: Tom Berenger, Jack Scalia, Melanie Griffith, Billy Dee Williams, Janet Julian, John Foster, Rae Dawn Chong, Rossano Brazzi, Joe Santos
Matt Rossi, ehemaliger Box-Champion, und sein Freund Nicky Parzeno sind Chefs einer Agentur für Strip-Tänzerinnen (mit Mafia-Nähe) und versorgen die Clubs in New York City mit den besten Mädels. Plötzlich werden blutige Attentate auf ihre Tänzerinnen verübt, deren Brutalität sich steigert, bis hin zu ersten Todesopfern. Anfangs vermuten die beiden, dass ihre Konkurrenz dahinter steckt, doch auch deren Tänzerinnen bleiben nicht unverschont. Die Mafia und auch die Polizei machen Druck, vor allem auf Matt, und die Angst geht um. Letztendlich gelingt es Nicky, den wahnsinnigen Mörder zu stellen, doch der verfügt über beachtliche Kampfsportkenntnisse und prügelt Nicky ins Koma. Matt, zu diesem Zeitpunkt in Polizeigewahrsam, entschließt sich daraufhin, seine eigenen Box-Fertigkeiten wieder hochzutrainieren und den finalen Kampf zu suchen. Für die Mädels, für Nicky und für sich selbst.
Vor Urzeiten hat ein Freund diesen Film aus seiner Videothek gebracht und mich in die Rotlichtwelten eines Eigthies-Neon-New-York mitgenommen. Irgendwie hatte der Film was. Später habe ich den, glaube ich, um 2 Uhr nachts, in irgendeinem Fernsehsender gesehen und wahrgenommen, dass Tom Berenger mitspielt, dessen naturalistisches Schauspiel auch was hatte und außerdem waren da ein paar hübsche knackige (halbnackige) Damen zu sehen. Und, hey, der Fight Boxer gegen Karateka, der war auch klasse.
Irgendwann, so scheint mir, habe ich den nochmal gesehen. Und dann, vor Kurzem erst, Wühlkorb und - was liegt denn da? Ein wenig schockiert, was sag ich, peinlich berührt, war ich, als ich feststellen durfte, dass diesen Film Abel Ferrara gemacht hat und das nie zu mir durchgedrungen ist. Melanie Griffith spielt auch mit, noch dazu sehr textil-sparsam. Das waren damals ihre goldenen Jahre, wo sie sich aus dem B-Sektor zu höheren Weihen spielte. Wie im Übrigen auch Tom Berenger, dessen Oscar-Nominierung für PLATOON noch in der Zukunft lag, wie auch seine Filmerfolge MÖRDERISCHER VORSPRUNG und DIE INDIANER VON CLEVELAND.
Interessanterweise ist der Film in Ferraras Filmografie wohl überall genannt, aber steht eher am Nebengleis. Ein wenig ungerechtfertigt, wie ich finde. Billy Dee Williams, der Samuel L. Jackson der Spä1970er bis Voll1980er-Jahre gibt hier einen derart unangenehmen von sich und seinen Vorurteilen eingenommenen Cop, den man ohne weiteres als Steilvorlage für Keitels etwas späteren grandiosen BAD LIEUTENANT lesen kann. Mit Rae Dawn Chong spielt ein weiteres 80er-Starlet in einer Minirolle, welches kurz darauf noch mit Schwarzenegger oder James Belushi vor der Kamera agieren sollte.
Die weiteren Rollen werden durch vielbeschäftigte TV-DarstellerInnen und Kino-Nebenrollen dargestellt, die bis heute noch hochaktiv sind (sofern sie noch leben). Über den (nicht untalentierten) Bösewicht-Darsteller mit garantiert echten Kampfsportfähigkeiten namens John Foster konnte ich außer diesem Film keine weitere Spuren in einschlägigen Datenbanken finden, was zwar seltsam, aber durchaus im Bereich des Möglichen ist. Es ist schon viel Ferrara drin in diesem Film. Dreckige Glitzerwelten, irgendwie schmierig. Dubiose Marionettenspieler im Hintergrund. Flashbacks, die die Geschichten dahinter zeigen. Kein Unterschied zwischen Gut und Böse. Alles ein wenig hinterhältig. Matt und Nicky, die Sonnyboys von nebenan, die wahrscheinlich freundlichsten Zuhälter der Welt. Jeder in diesem Film ist im Recht, falsch sind immer nur die Anderen. Und die Mafiapaten damals, na, wenn das nicht die lieben Onkels sind. Die Polizei ist nicht freundlich. Manipulatoren vor dem Herren, auch vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckend. Sogar der Mörder ist gerecht und die Opfer sind halt Opfer. Wahrscheinlich auch ein bisschen schuld daran. Viel Schein, wenig Sein.
Doch anders betrachtet war Ferrara der Zeit ein wenig voraus. Hitchcocks Zeiten waren vorbei, auch wenn er gute Schüler hatte. Der gepflegte Thriller war im Umbruch. Die Action-Variante des Thrillers war im Kommen, Profiler-Serien für das Fernsehen noch nicht einmal angedacht und die Slasher-Entwicklungen aus Giallo-Ideen sahen auch anders aus.
Ein zu Unrecht nicht so bekannter Film Ferraras. Sollte man, sofern man seiner habhaft werden kann, genauer betrachten. Berenger, Griffith unmittelbar vorm Durchbruch; der Film-Thriller ändert sein Gesicht und es war zumindest ein Versuch, Neues zu schaffen. Auch wenn unterm Strich die Filmgeschichte andere Wege ging. Ohne übermäßig in Brutalitäten zu baden, schuf Ferrara unangenehme, schmerzhafte Momente, physisch wie psychisch. Und damit meine ich nicht den Synthie-Disco-Foxtrott, der aus den Boxen quillt. Oder vielleicht doch?