OT: De Lift
HORROR: NL, 1983
Regie: Dick Maas
Darsteller: Huub Stapel, Willeke van Ammelroy, Josine van Dalsum, Siem Vroom
In einem niederländischen Hochhaus entwickelt ein Lift mörderisches Eigenleben und wird zur tödlichen Falle für seine Passagiere. Da die Polizei völlig falsche Spuren verfolgt, ist es am Fahrstuhlmonteur Felix dem Geheimnis des Killer-Lifts auf den Grund zu gehen. Dabei stößt er auf einen dubiosen Technik-Konzern ...
Als im Jahr des Herrn 1983 - kurz vor EINE FAMILIE ZUM KNUTSCHEN und VERFLUCHTES AMSTERDAM - sich der niederländische Filmemacher Dick Maas dazu entschloß, seinen ersten Horrorfilm in Angriff zu nehmen, stellte er fest, dass das Genre alle Monster schon durch hatte. Wolfsmensch, Vampir, Mumie, Zombie, maskierte Teenagerschlächter - alles alte Hüte. Und auch das Tierreich - vom wilden Bär über den WEISSEN HAI bis hin zur todbringenden Weinbergschnecke (SLUGS) - wurde von den Drehbuchautoren längst abgegrast.
Doch als der gute Dick eines Tages mal wieder zu faul zum Treppensteigen gewesen war, ist ihm eine glorreiche Idee gekommen. Wie wär es mit einem dämonischen Fahrstuhl, der seine Passagiere nicht ins nächste Stockwerk, sondern gleich in die nächste Welt befördert?
Es gibt sicherlich Unoriginelleres als Mörder-Lifts, aber fundamental neu war die Schreckensvision von der mordenden Maschine natürlich schon damals nicht. Einige Jahre zuvor hatte Stephen King etwa Wäschemangler und Lastwagen ein misanthropes Eigenleben eingehaucht. Und noch früher hat ein gewisser Michael Crichton die Programme in seiner WEST WORLD Amok laufen lassen.
Nichtsdestotrotz hatte Maas' FAHRSTUHL DES GRAUENS etwas erfrischend Neues an sich. Zumal ein "ungewöhnliches" Monster auch einen ungewöhnlichen Helden erfordert hat. Nicht der übliche Polizist, Reporter, Fotograf, Künstler, Student oder Anwalt muss sich hier dem Bösen stellen, sondern ein einfach gestrickter, gutmütiger, fleißiger und stinknormaler Fahrstuhlmonteur. Eine willkommene Abwechslung, wie ich meinen möchte!
Der Mechaniker wird übrigens von Maas-Spezi Huub Staapel gespielt, dem wir in Maas' späteren, ebenfalls sehenswerten Grachten-Thriller VERFLUCHTES AMSTERDAM noch einmal begegnen werden. Dort spielt er einen Kommissar, der einen serienmordenden Taucher zur Strecke bringen muss. Im FAHRSTUHL DES GRAUENS steht ihm allerdings - so ganz ohne Klischee geht es dann doch nicht - noch eine naseweise Reporterin zur Seite. Beide zusammen ergeben ein nettes, dynamisches Duo, welches neben Sympathie und Lässigkeit auch mit einer gewissen Bodenständigkeit punkten kann.
Überhaupt sind die locker-flockigen, immer mit unterschwelligem Witz garnierten Dialoge sowie die farbig gezeichneten Figuren das große Plus des Films. Die helfen dann auch über einige Längen hinweg, die sich zwischen dem furiosen Beginn und Felixs Showdown im FAHRSTUHL DES GRAUENS leider ab und an auftun. Wirklich langweilig wird es trotzdem nicht. Dafür sorgt unter anderem eine kleine Enthauptungsszene, die den Fahrstuhl zum Schafott buchstäblich zum Fahrstuhl als Schafott umfunktioniert. Doch nicht der Splatter dominiert in den Szenen, in welchen besoffene Pärchen oder kleine Mädchen oder blinde Herren ins mörderische Visier des teuflischen Aufzugs geraten, sondern Maas' schon in seinem Erstling klar erkennbares Gespür für Suspense.
Auch Hollywood hatte vor Jahren das Potenzial dieser Geschichte erkannt. In der Traumfabrikt durfte Dick Maas ein mit Naomi Watts prominent besetztes Remake seines eigenen Films anfertigen. Selbstredend wurde ihm dafür ein Vielfaches an Budget mehr zur Verfügung gestellt als die Paar Gulden, mit denen er seinerzeit sein Debüt realisiert hat. Ich habe mir die Neuverfilmung bislang dennoch erspart. Die Überflüssigkeit von US-Remakes zu europäischen Genrehits ist nicht erst seit dem REC.- Replay QUARANTÄNE quasi in Stein gemeißelt.
In seinem Horrorfilmdebüt lässt Dick (VERFLUCHTES AMSTERDAM) Maas einen Fahrstuhl Amok laufen...- Dieser kleine, mit ganz wenig Gulden produzierte Horrorfilm aus den Niederlande überzeugte seinerzeit mit Spannung, einem außergewöhnlichen "Dämonen", sympathischen Hauptfiguren und einem feinen Sinn für schwarzen Humor und animierte Hollywood zu einem gleichfalls starbesetzten wie überflüssigen Remake. Und trotz der Gefahr für Leib und Leben (und der ein oder anderen kleineren Länge): Den irgendwo zwischen Crichton, King, Augenzwinkern und niederländischer Skurillität schwankende FAHRSTUHL DES GRAUENS nimmt man auch heute noch lieber als die Treppe.