SATIRE: GER, 2015
Regie: David Wnendt
Darsteller: Oliver Masucci, Fabian Busch, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann, Franziska Wulf, Michael Ostrowski
Er ist tatsächlich wieder da...
Jetzt im Ernst: Er ist wirklich wieder da! Nicht als wiederauferstandener Adolf Hitler, nicht als reinkarnierter Führer, aber als unübersehbar-brauner Abszess der Gesellschaft. Natürlich, antisemitische Denunziationen sind weitgehend geächtet - und doch lacht ein zu großer Teil des Kinosaales über die Juden-"Witze" welche in einer Szene des Filmes wiedergeben werden. Noch mehr wird allerdings über die zeitnäheren Ausländer-"Witze" gelacht. "Na sehr schön!", denke ich mir. Ob die Lachenden wohl wissen, was der Film seinem Publikum vor Augen halten möchte. Beruhigend ist jedenfalls die Tatsache, dass David Wnendt alles daran setzt hier bloß keine Unstimmigkeiten aufkommen zu lassen. Ein Umstand der ihm mitunter heftige Kritik eingebracht hat. Zitat Christian Buß für Spiegel Online: "Ein politisch korrekter, ein kriminell einfältiger Dreh, um Eindeutigkeit für die ganz Schlichten unter den Zuschauern herzustellen." - Na Gott sei Dank aber auch!
Ja, mir war das exzessive Vorhalten des Spiegels auch ein wenig zu viel und ja, ich hätte mir mehr - einiges mehr an wirklich beißender Ironie erhofft. Aber bitte nicht in einem Film der (auch, oder vor allem) für diverse Multiplexe produziert worden ist. Insofern kann ich die Kritik an ER IST WIEDER DA verstehen und schließe mich ihr an, bin aber heilfroh darüber, dass Wnendt und sein Team sich für diesen Weg entschieden haben.
Als weitaus problematischer erachte ich die vielgelobte "Vermengung" von Inszenierung und Authentizität, von Fiktion und Realität. Auch wenn die Filmemacher Oliver Masucci als perfektes Hitlerdouble durch die Städte und Straßen Deutschlands hofierten und dabei unzählige Stunden von "echtem" Filmmaterial sammelten, sind die für den endgültigen Film editierten Sequenzen von höchst fragwürdiger Natur. Ob man dies, aufgrund der Warnung wie viele von uns noch oder wieder so positiv auf einen "Führer" und seine nationalistisch-rassischen Ideen reagieren, trotzdem als Stärke des Film sehen will, bleibt jeder/m selbst überlassen. Ich persönlich halte einen Mix aus Fiktion und Realität vor allem dann für heikel, wenn er seinem Publikum gegenüber unehrlich, sprich nicht klar erkennbar ist.
Stärker jedenfalls sind jene Stellen des Filmes in welchen die Fiktion ganz deutlich zu Tage tritt - damit meine ich nicht die (zu) zahlreichen Gags - sondern einige interessante Szenen in der Hitler selbst uns den gesellschaftlichen Spiegel vorhält. Ganz deutlich zeigt uns ER IST WIEDER DA, dass die Vorhaben des Diktators nicht durch einen ominösen aber mächtigen Propagandanebel verhüllt waren - nein, er hat alles ganz genau beschrieben, bis hin zu den schrecklichen Details. Hier greift auch die durchaus vordergründige Medienkritik des Films nicht zu weit. Auch wenn der Kollege vom Spiegel meint, dass "[...] dieser pädagogische Unterhaltungsfilm näher bei den Pegida-Demonstranten und ihren Lügenpressewahrheiten [ist], als den Filmemachern lieb sein kann.", kann man dies an selbiger Stelle sogleich relativieren. Ja, der Film geht mit der Unterhaltungsindustrie hart ins Gericht - immerhin tingelt ein echter Adolf Hitler als Talkshow-, YouTube-, Twitter- und Facebook-Star durch die (deutsche) Medienwelt. Aber so profitgeil die Medien auch sein mögen, konsumieren - und das zeigt auch ER IST WIEDER DA ganz deutlich - tun wir die Scheiße immer noch selbst!
Was mich irgendwie wieder zu den Gags bringt. Mir ist aufgefallen, dass ich meistens schwieg, wenn der restliche Saal lachte und umgekehrt meistens lachte (was weitaus weniger oft vorkam), wenn der restliche Saal schwieg. Der Film ist eben doch vor allem für die Multiplexe und kommt überwiegend im Gewand der typisch-deutschen Comedy daher. Sogar für diese wirkt er noch recht brav. In jenen Momenten, allerdings, in welchen er den Punkt trifft, wandelt er sich zur wirklich feinen Ironie. Zum Beispiel dann - dieser Spoiler sei mir erlaubt - wenn Hitler einen ökologisch-biologischen Müsliriegel verspeisen will und hinter dem "industriell verarbeiteten Korn" einen Fortbestand der Nahrungsmittelkrise ortet. Freilich sind diese Momente, aufgrund oben genannter Gründe, zu selten und so droht ER IST WIEDER DA zum Durchschnittsfilm zu verkommen.
Dass dem nicht so ist, verdankt er vor allem der schauspielerischen Leistung Oliver Masuccis. Wahrscheinlich war es die klügste Entscheidung der gesamten Produktion auf einen (Burg-)Theaterschauspieler rückzugreifen und die Rolle Adolf Hitlers weder mit einem Komödianten, noch mit einem TV- oder Filmschauspieler (ich selbst habe vor Drehbeginn vermutet, dass eventuell Christoph Maria Herbst, der hier die Rolle des erfolgsgeilen Christoph Sensenbrink inne hat, zum Handkuss kommt) zu besetzen. Das starke und offensive Spiel Masuccis schafft das, was der Film möchte, nämlich die Schuld vom Führer hin zum Kinopublikum zu delegieren. Masucci spielt Hitler nicht als Monster und ebensowenig als Hanswurst sondern so, als ob er die authentischste, die integerste, die ehrlichste Person überhaupt wäre und wir die Düsterheit, die Schrecklichkeit, das Verheerende des Inhalts seiner Worte gar nicht wahrnehmen wollten. Hier ist die wirkliche Stärke von ER IST WIEDER DA zu finden - aber bei all jenen, die das nicht sehen können (oder wollen) auch eine große Gefahr.
Danke deshalb an alle vorkommenden Realpersonen die diesem Hitler entschlossen den Mittelfinger entgegen strecken!
ER IST WIEDER DA ist Satire mit zu viel deutscher Comedy; ist Comedy mit feiner Ironie; ist Ironie mit Medienkritik; ist Medienkritik mit Verweis auf eine Selbstverantwortung der Konsumenten; ist der Verweis auf eine Selbstverantwortung der Konsumenten mit Authentizität; ist Authentizität mit undifferenzierter Inszenierung; ist undifferenzierte Inszenierung mit erschreckender Realität; ist erschreckende Realität mit großer Gefahr - verkörpert durch einen großartigen Schauspieler. Jedenfalls anschauen und selber eine Meinung bilden!