OT: Uomini si nasce, poliziotti si muore
POLIZIOTTESCO: Italien, 1976
Regie: Ruggero Deodato
Darsteller: Marc Porel, Ray Lovelock, Adolfo Celi, Renato Salvatori, Silvia Dionisio
Fred (Marc Porel) und Tony (Ray Lovelock) sind Mitglieder einer Spezialeinheit der römischen Polizei, die mit harter Hand gegen die ausufernde Gewalt in der Stadt vorgeht. Ganz im Sinne einer schlanken Verwaltung halten sich die beiden Superbullen nicht lange mit Festnahmen, Verhören oder Schreibkram auf, sondern eliminieren die Verbrecher meist gleich noch am Tatort. Dies missfällt zwar Ihrem väterlichen Vorgesetzten (Adolfo Celi), der angesichts der hinterlassenen Leichenfelder permanent im Rechtfertigungsnotstand steckt. Doch der Zweck heiligt nun mal die Mittel, und mit Gangsterboss Paquini (Renato Salvatori) gilt es auch eine wirklich harte Nuss zu knacken. Fred und Tony machen sich hochmotiviert an die Arbeit ...
1976 hatte der italienische Polizeifilm seinen Zenit erreicht. In keinem anderen Jahr wurden mehr Beiträge zu diesem Genres produziert und auf diesem Popularitätshöhepunkt ließ Regisseur Ruggero Deodato seine Version eines Poliziottesco auf das bereits etwas abgestumpfte italienische Kinopublikum los. Und die ist starker Tobak. Der Italo-Polizeifilm als solcher zeichnet sich ja prinzipiell nicht durch Subtilität oder besondere Menschenfreundlichkeit aus, doch alles bisher gesehene verblasst angesichts Deodatos reaktionärer Splittergranate.
Gleich zum Auftakt rasen die beiden gewaltgeilen Superbullen auf ihren "heißen Öfen" durch eine weihnachtliche Einkaufsmeile und liefern sich eine atemberaubende, hyperdynamische Motorradverfolgungsjagd mit zwei brutalen Handtaschenräubern. Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer und die Straßenverkehrsordnung bleiben dabei auf der Strecke. So wie am Ende auch die beiden Diebe, von denen einer beim unvermeidlichen Crash einen Lenker in den Bauch bekommt - was Tony mit einem zufriedenen Lächeln quittiert. Dem anderen, beim Sturz schwer verletzt aber zumindest noch am Leben, bricht Fred zur Abkürzung des Strafverfahrens kurzerhand gleich selbst das Genick.
Und so geht es weiter: Nervenzehrende Verhandlungen mit Geiselgangstern? Laaaangweilig! Ein paar Kopfschüsse lösen das Problem viel effizienter. Ein Bankraub im Gange und das noch vor dem Frühstück? Warum warten, bis die Ganoven im Schalterraum stehen und womöglich brave, kleine Sparer gefährden? Besser man knallt sie gleich auf offener Straße ab, noch BEVOR sie die Bank überhaupt betreten haben. Da sind schließlich auch die Kollateralschäden überschaubarer. Sich von Tunichtguten in stundenlangen Vernehmungen auslachen lassen? Nichts da! Ein gepflegtes kleines Folterverhör mit letalem Ausgang dauert nicht halb so lang. Bringt auch mehr an Informationsgehalt.
Natürlich muss bei der Wahl der Mittel differenziert werden. Weibliche Zeugen werden zum Beispiel nicht gefoltert, sondern vergewaltigt. Wenn sie sich im Lauf der Befragung als nymphoman erweisen und auch noch Spaß an der Sache entwickeln, umso besser. Hat's der zweite Mann dann leichter. Danach stärkt man sich mit einem Rührei, gekocht von der augenzwinkernden Vermieterin. Und nach einem langen, harten Arbeitstag entspannt man sich am besten damit, mal eben den Edelkarossen-Fuhrpark vor dem Casino des Unterweltchefs abzufackeln. Bevor man sich für ein Nickerchen nach Hause in die Junggesellenbude begibt, die man natürlich mit seinem besten Kumpel und Arbeitskollegen teilt, und nicht mit einem lästigen Frauenzimmer, das eh nur nervt und Ansprüche stellt. Das Leben ist schön. Rührend auch der Chef, mit dem unterdrückten Impuls väterlicher Verzweiflung, einem ständig die Ohren langzuziehen, und seinem geseufzten "So geht's doch nun wirklich nicht, Jungs", das natürlich ungehört verhallt, weil das pubertäre Gebalze um die formidable Sekretärin der Abteilung viel spannender ist als der halbherzige Anpfiff vom Vorgesetzten.
It's a man's world!
Das alles ist von Deodato so strunzbrutal und over the top in Szene gesetzt, so bar jeder political correctness, dass man mit offener Kinnlade dasitzt und es schlicht kaum glauben kann. Und vielleicht auch gar nicht soll, denn mit großer Wahrscheinlichkeit hat Deodato hier nichts anderes geschaffen als eine brillante Satire auf ein Genre, das vielen als eines reaktionärsten überhaupt gilt. Dem italienischen Polizeifilm werden ja gerne faschistoide Tendenzen und ein unverhohlener Gewalt-Utilitarismus nachgesagt.
Hier wird einfach alles grotesk überspitzt und bis ins Extrem gesteigert. Damit hat der gute Ruggero vielleicht den logischen Schlusspunkt hinter das Genre gesetzt, indem er durchexerziert, was passiert, wenn den Rachegelüsten des kleinen Bürgers von der Straße und seinem Ruf nach dem Aufräumer mit der harten Hand wirklich Rechnung getragen würde. Fred und Tony unterscheiden sich von dem Abschaum, den sie jagen nur noch durch ihre Polizeimarke. Als absurder Reißer großartig, als Reflexion über die Mechanismen des (italienischen) Polizeifilms brillant. Ernst nehmen sollte man ihn allerdings nicht.
Das Max und Moritz-Duo des Italo-Polizeifilms. Diese zwei machen keine Gefangenen. Der Film auch nicht. Grazie, maestro!