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Eine dunkle Begierde

Eine dunkle Begierde

OT: A Dangerous Method
DRAMA: CAN/D, 2011
Regie: David Cronenberg
Darsteller: Keira Knightley, Viggo Mortensen, Michael Fassbender, Vincent Cassel

STORY:

Eine spindeldürre, in Panik brüllende Keira Knightley wird mit einer rasenden Kutsche in die psychiatrische Klinik eingeliefert und der Obhut von Dr. Jung übergeben. Der Mann will weder Spritzen verabreichen noch die Patienten mit Elektroschocks foltern. Das Revolutionäre: Er hört den psychisch Kranken einfach zu. Und beim Zuhören kommen sich Arzt und Patientin nahe. So nahe, dass Jungs Freundschaft mit Sigmund Freund massiven Schaden nimmt ...

KRITIK:

Letztlich sind's ja nur zwei Szenen, die in Wien gedreht wurden. Freud und Jung beim - Achtung, Wien-Klischee - Sachertorte Essen im Cafe Sperl und eine kurze Straßenszene in der Berggasse.

Der Großteil des Films spielt in einer fast schon kitschig prachtvollen Jahrhundertwende-Idylle am Zürichsee. Doch kleine Angst: David Cronenberg ist weit davon entfernt, in die Kostümfilm-Falle zu tappen. Im Gegenteil, sein Film wirkt im besten Sinne heutig.

Was vor allem an den zeitlosen Themen liegt, die hier in langen, geschliffenen Dialogen verhandelt werden: Es geht um Kontrolle und Kontrollverlust, um Liebe und Betrug, um Körperlichkeit und Sex, um Neurosen und Psychosen. Cronenbergs Leib- und Magenthema - der Körper, der über den Geist triumphiert - ist präsent von der ersten bis zur letzten Minute. Lediglich die Stilmittel haben sich verändert: Vom plakativen Splatter-Kino seiner Anfangstage ist nur noch ein einziger präzise gesetzter Messerschnitt übrig geblieben.

Und es gibt etwas Neues im Cronenberg-Universum: Gefühle nämlich. Auch wenn der Film sprachlich an eine Therapiesitzung erinnert, schält sich gegen Filmmitte ein Melodram aus der Kühle und inszenatorischen Strenge.

Okay, Cronenberg ist nicht unbedingt Terrence Malick oder Lars von Trier, aber auf seine alten Tage versteht er es durchaus, mit den Emotionen der Zuseher zu spielen. Das ergibt einige schöne Sätze und Bilder in einem eleganten, starken und höchst sehenswerten (Psycho-)Drama.

Ach ja, unbedingt auf der großen Leinwand ansehen. Auf irgendwelchen mickrigen Bildschirmen wird DIE DUNKLE BEGIERDE ihre sinnliche Kraft bestimmt nicht entfalten.

Eine dunkle Begierde Bild 1
Eine dunkle Begierde Bild 2
Eine dunkle Begierde Bild 3
Eine dunkle Begierde Bild 4
FAZIT:

Interessante Filme hat er seit eh und je gedreht, doch sein Alterswerk ist fast schon beängstigend gut: Mit A DANGEROUS METHOD erfindet sich David Cronenberg als Dramatiker neu und erzählt die Geschichte der Psychoanalyse mit den Mitteln den Körperkinos. Des subtil verfeinerten Körperkinos, um genau zu sein. Viggo Mortensen, Keira Knightley, Michael Fassbender und Vincent Cassel geben ihr Bestes.

WERTUNG: 8 von 10 handschriftliche Briefe
Dein Kommentar >>
Nic | 02.12.2011 06:45
wir erwartet schwache umsetzung. darsteller wahrscheinlich sämtlich fehlbesetzt. kann man aber "als passable unterhaltung" durchgehen lassen.
deswegen 7/10

ps: wer das buch dazu kennt -> wahrlich eine verpasste chance!
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Gregor | 21.11.2011 00:53
Habe mir den Film heute angesehen und schließe mich Haralds und Ralphs Urteil an: Auch das heftige Overacting von Keira Kneightley am Anfang kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies insgesamt sicherlich ein sehr klassisches Drama ist. Aber da das Thema und die Personen interessieren und alle Schauspieler richtig gut sind, ist das Ergebnis sehr sehenswert. 8/10 auch von meiner Seite!
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Ralph | 18.11.2011 11:49
Du hast die Belvedere Szenen vergessen. ;-)

Ich fand auch, dass der im Endeffekt sehr gut war. Hat sich im Großen und Ganzen sehr klassisch und konservativ angefühlt, aber das hat gar nicht geschadet. Den Anfang fand ich nicht berrauschend, das kam mir so vor als ob der Drehbuchautor einfach Sätze aus verschiedenen Biografien zusammengeklaubt hätte, aber wie du so schön gesagt hast, sobald "sich das Melodram ab der Hälfte herrausschält" gewinnt der Film an Tiefgang. Und eine besondere Erwähnung hat sich Vincent Cassel verdient. Der hat es auch irgendwie geschafft als Schauspieler einen magischen Nimbus zu entwickelt. Sobald er auftaucht stiehlt er jede Szene. Und ich weiß gar nicht ob das an seinen darstellerischen Qualitäten liegt, ich glaube es ist sein Charisma... 8/10 auch von mir.

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Schwuppe | 18.11.2011 05:11
Wunderbare Kritik.
Cronenberg hat's scheinbar immer noch drauf, was seine letzten Filme schon mal bewiesen haben.
Allein schon dass er zuletzt oft auf Viggo Mortensen und Vincent Cassel setzt macht mir Cronenberg sympathisch.
Ich erhoffe mir von dem neuen Film schon mal wieder eine gehörige Portion Verstörung und Kompromisslosigkeit, wenn auch jetzt eher auf subtilere Weise.
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Gregor | 18.11.2011 01:00
Danke für die Kritik. War nach dem Trailer ja ziemlich skeptisch, ob Cornenberg auf seine ollen Tage nicht noch dem Mainstream verfällt... Werde mir den Film jetzt aber definitiv angucken. (Na ja in diesem Falle hätte ich dass wohl eh gemusst...).
Harald | 18.11.2011 07:16
Das ist vielleicht tatsächlich sein "mainstreamigster" Film. Aber Mainstream muss ja per se nichts schlechtes sein.
Nic | 18.11.2011 15:42
zwar nicht gesehen, aber andere filme des letzten jahrzehnts kommen eher in frage - in punkto "mainstreamigst".
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