OT: Una Pistola per Ringo
ITALOWESTERN: I, ESP, 1965
Regie: Duccio Tessari
Darsteller: Giuliano Gemma, Fernando Sancho, Lorella de Luca, George Martin
Eine Horde mexikanischer Banditen verschanzt sich nach einem Banküberfall auf dem Anwesen des Major Clyde und nimmt dessen Familie und Arbeiter als Geiseln. Da der Sheriff die süße Tochter des Majors bald ehelichen will, ist er natürlich sehr daran interessiert, diese mit heiler Haut aus der Bredouille zu bringen. Aus diesem Grund geht er mit dem frisch in der Gefängniszelle gelandeten Ringo einen Deal ein. Er ist frei, wenn er sich unbewaffnet unter die Banditen mischt und die Geiseln rettet. Zwischen den Fronten beginnt Ringo alsbald ein eigenes, undurchsichtiges Spiel zu spielen...
Das Schöne am momentanen Hype um Tarantinos neuesten Kinofilm DJANGO UNCHAINED ist, dass wir von Filmtipps endlich unseren althergebrachten Nischengelüsten frönen können und dabei nun sogar brandaktuell sind. Trotz des bösen H-Wortes (gemeint ist Hype) sind es heuer natürlich Festtage für alle Italowesternfans.
Koch Media haben im Rahmen ihrer teils aus bereits erschienenen, teils bislang auf DVD unveröffentlichten Filmen bestehenden "Western unchained"-Reihe unter anderem Duccio Tessaris EINE PISTOLE FÜR RINGO nochmals an den Start gebracht. Diesmal mit dem Hinweis versehen, dass UNA PISTOLA PER RINGO - so der Originaltitel - zu Tarantinos Top 20 der Italowestern zählt. Und so ganz nebenbei: Die Top 20 des prominenten Edelfans aus Hollywood hat es wirklich in sich! Obgleich sich insbesondere das vorliegende Werk zunächst etwas gewöhnungsbedürftig präsentiert...
Was vor allem an seiner glattpolierten, fast schon "amerikanisch" wirkenden Optik liegt. Denn EINE PISTOLE FÜR RINGO spielt in einer Stadt, die viel zu sauber aussieht und es handeln Figuren mit glattrasierten Gesichtern. Da vermisst man dann doch etwas den aus zahlreichen anderen Italowestern liebgwonnenen Staub, Dreck und Matsch irgendeines menschenfeindlichen Lochs in der Wüstenei des Grenzgebiets und die sonnengegerbten, narbigen mit Bartstoppeln übersäten Gesichter seiner todbringenden- oder geweihten Bewohner.
Passend zu seinem Filmbeinamen "Engelsgesicht" trägt der im Fandom ohnehin nicht ganz unumstrittene Giuliano Gemma diesmal ein lupenreines Gilette-Gesicht und wirkt im Reigen der Revolverhelden damit wie ein Babypopo inmitten kerniger Männergesichter. Selbst sein Widersacher, der sonstige Vorzeige-"Bad Mexican" Fernando Sancho, sieht dank einer ziemlich bescheuerten Frisur eher wie die Karikatur eines solchen aus. Wäre EINE PISTOLE FÜR RINGO ausschließlich auf Düsternis und Nihilismus ausgelegt, würden diese Äußerlichkeiten wohl früh zu einem qualitativen Fangschuss führen.
Doch der auch unter Giallo-Kennern bestens bekannte Duccio (DER MANN OHNE GEDÄCHTNIS, BLUTSPUR IM PARK) Tessari setzt in seinem ersten Western auf eine Mischung aus Humor und Bleiernst, die zunächst befremdet, sich im weiteren Verlauf aber als ziemlich raffiniert erweist. Langweilig wird es nämlich nicht, wenn der undurchsichtige Ringo sich in der Höhle des Löwen inmitten mißtrauischer, schießwütiger Mexikaner ausschließlich auf sein Manipulations- und Verhandlungsgeschick verlassen muss, um die Banditen hinzuhalten, bis er endlich an seine titelgebende Pistole kommt.
Genre-ikonische Bilder fürs Auge wie bei Leone oder Corbucci gibt es hier zwar nicht; dafür trifft man auf eine ganze Runde frisch und sympathisch überzogen gezeichneter Charaktere. Allen voran wäre hier natürlich die später auch im Giallo- und Sexploitationbereich für Augenweiden sorgende charismatische Nieves Navarro (alias Susan Scott) zu nennen, die hier das Banditenzuckerchen spielt, aber auch Antonio Cassas, der hier als ergrauter, eloquenter, wohlerzogener Kavalier der alten Schule für manches Schmunzeln sorgt.
Doch keine Sorge, auch hier ist die Luft äußerst bleihaltig und der Body Count locker im hohen zweistelligen Bereich.
EINE PISTOLE FÜR RINGO zog übrigens eine Fortsetzung nach sich, die Tessari mit fast identischer Crew im gleichen Jahr realisierte. Da Tessari aber niemals einen Film sozusagen zweimal drehen wollte, unterscheidet sich RINGO KOMMT ZURÜCK in Grundton und Optik extrem von seinem Vorgänger. RINGO KOMMT ZURÜCK ist sehr viel düsterer und schmutziger ausgefallen, aber davon an anderer Stelle mehr.
Quentin Tarantino hat EINE PISTOLE FÜR RINGO auf Platz 12 seiner zwanzig liebsten Italo-Western gesetzt. Auch ich hatte meinen Spaß damit, nachdem ich mich an die etwas zu saubere, "amerikanisch" anmutende Optik gewöhnt hatte. In seinem ersten Western setzt der auch unter Giallo-Kennern bestens bekannte Duccio (DER MANN OHNE GEDÄCHTNIS) Tessari auf eine Mischung aus Humor und Bleiernst, die sich mit zunehmender Laufzeit als erstaunlich clever, gewitzt und unterhaltsam erweist. Und auch wenn des Öfteren geschmunzelt werden darf, stimmt der Bleigehalt in der Luft. So ist EINE PISTOLE FÜR RINGO für sein Genre vielleicht nicht unbedingt repräsentativ, doch seine Zeit definitiv wert.