DEUTSCHPLOITATION / TRASH: DEUTSCHLAND, 1960
Regie: Fritz Böttger
Darsteller: Alexander D'Arcy, Helga Franck, Harald Maresch, Barbara Valentin
Acht Tänzerinnen und ihr Manager Gary stranden nach einem Flugzeugabsturz auf einer unbekannten Insel. Dort betreten sie ein Haus, in dem ein Toter in einem riesigen Spinnennetz hängt. In der Nacht wird Gary während eines Erkundungsgangs von einer großen Spinne gebissen und verwandelt sich daraufhin selbst in ein Monstrum, das den Mädchen nach dem Leben trachtet -
KRITIK:Schon die Tatsache, dass Fritz Böttger keine züchtigen Klosterschülerinnen, sondern so genannte Revuetänzerinnen (heute wären s Stripperinnen ) auf der Spinneninsel des Grauens notwässern lässt, unterstreicht den Pioniergeist des Films in Richtung früher (deutscher) Sexploitation. Das Geschehen auf dem Bildschirm lässt aber auch wirklich keinen Zweifel daran, dass im Fokus des Interesses nicht etwa die Horrorfilmkomponenten gestanden haben, sondern allein das Bestreben in möglichst jeder Szene möglichst viele laszive und leicht bekleidete Damen unterzubringen.
Im Prinzip ist das ja nichts verwerfliches, aber speziell bei diesem Film gibt es das ein oder andere Problem. Dank der rigorosen Schnittauflagen der damals in den 60ern noch ziemlich prüden FSK ist EIN TOTER HING IM NETZ in der derzeit erhältlichen entschärften Fassung nicht viel mehr als eine drollige, aber antiquierte Bikinimodenschau. Und nach der scharfen Version von Böttgers letztem Werk - nämlich die mit den nackten Tatsachen - suchen die coolen Labels immer noch. Derzeit zeichnet sich ab: Falls es die legendäre Tittenfassung überhaupt je gegeben hat; nun scheint sie verschollen zu sein. Ein Unding! Schließlich sind gerade die nackten Körper naturgemäß das Salz in der Suppe eines jeden Sexploitationflicks. Fehlt die Nudity, bleiben unterm Strich eben eine FSK 12-Freigabe und nur der Hauch einer Ahnung von dem, was hätte sein können.
Dennoch startet EIN TOTER HING IM NETZ zunächst mit entwaffnender Knuffigkeit und unverstellten Hang zur gepflegten Exploitation. Die Luder müssen erstmal in des Managers Büro vortanzen und Bein zeigen. Dann wird gnadenlos ausselektiert, wer letztendlich mit Manager Gary die Dienstreise zu den Nachtclubs von Singapur antreten darf. Die endet allerdings schon auf halbem Wege im Meer oder besser gesagt auf jener in der Inhaltsangabe erwähnten Insel, wo ein Toter (buchstäblich) in den Seilen hängt und ein Spinnenbiss die sofortige Metamorphose zur Werspinne zur Folge hat. Aber auch wenn Manager Gary mutierend im Dickicht verschwunden ist und die überlebenden Damen einen Monat lang mit schwindenden Vorräten zu kämpfen haben, denken die in jeder Hinsicht ausgehungerten Frauen natürlich nicht an Schnitzel oder Tomaten mit Mozzarella oder an so etwas Nebensächliches wie Rettung, als zwei rüstige Seemänner anlegen, sondern zuallererst an ihre Libido.
Was liegt da näher als eine Party in der Höhle des Löwen, respektive Insel der Spinne, zu feiern. Vor der Hütte wird der Ghettoblaster aufgestellt, die Insel mit gewöhnungsbedürftiger Musik beschallt und sich dazu eine gefühlte Ewigkeit lang auf der Wiese einen Wolf getanzt, dass die Puschel am Bikini nur so wackeln.
Unsere beiden Leichtmatrosen Geil & Geiler wähnen sich im Paradies, baggern, was das Zeug hält und brechen nebenbei ein paar zarte Revuetänzerinnenherzen. Wie das von Gladys, die ihrer Chefin Georgia in einem ernst gemeinten, aber brüllend komischen Dialog gesteht, dass sie sich unsterblich in Bobby verliebt hat. Jenen Bobby also, den sie fünf Minuten zuvor kennen gelernt hat und der nun sturzbesoffen mit einer Buttel voll Rum zwischen den leicht bekleideten Girls umhertorkelt und eine nach der anderen klarmacht
Doch Georgia weiß dass Liebe blind macht und sie teilt Gladys mütterlich warnend mit, dass sie Bobby für einen "oberflächlichen Menschen" hält. Und Moment mal! Dem aufmerksamen Leser wird an dieser Stelle ebenso wenig wie dem aufmerksamen Zuschauer entgangen sein, dass sich EIN TOTER HING IM NETZ ziemlich weit von seinem eigentlichen Thema entfernt hat. Wo zum Teufel stecken eigentlich die Riesenspinne und der mittlerweile ebenfalls monströse Manager? Schon die Flucht ergriffen vor der dudelnden Musik und den Bademoden der frühen Sechziger? Die Antwort: Die Drehbuchautoren haben sie eine halbe Stunde lang ebenso erfolgreich aus dem Bewusstsein verdrängt wie die Protagonist(inn)en auf dem unbekannten Eiland, das mittlerweile ohnehin mehr vordrewszeitlicher Ballermann denn Schreckensinsel ist.
Während die Riesenspinne zwischenzeitlich wohl Drehschluss hatte und gar nicht mehr wiederkommt, darf wenigstens Gary als mutierter "Spider fuckin Huddel Man" in der Schlussviertelstunde noch etwas Alarm machen. Das sind dann auch die besten Szenen des Films; abgesehen von einem rassigen Wildkatzenfight im ersten Drittel. In diesem bekommt nämlich Eure Drallheit Barbara Valentin im Eifer des Gefechts von ihrer Kontrahentin die Bluse zerrissen und muss im schwarzen BH weiterkämpfen.
Aber auch der hat EIN TOTER HING IM NETZ nicht davor bewahrt, in der Bottom-100 der IMDB zu stranden, wo man einen stolzen 69. Platz im Ranking der schlechtesten Filmen aller Zeiten belegt. Deutschland beweist ein größeres Herz für in Schwarz/weiß gefilmte Sechzigerjahre-Krautploitation. Derzeit 28 OFDB-Stimmen hieven den Film dort momentan über die 6 Punkte-Marke. Aber vielleicht haben diese 28 Jungs auch die scharfe Version gesehen
Fritz Böttgers EIN TOTER HING IM NETZ ist zwar ein einsamer Pionier deutscher Exploitation aus den Schwarz/weiß-Tagen des Kinos, kursiert derzeit aber nur in einer entschärften Fassung. Statt nackter Tatsachen gibt es eine drollige Präsentation aus der Mode geratener Bikinis. Letztere haben leider auch sehr viel mehr Screentime als psychotronische Riesenspinnen und zu Spinnenmonstern mutierten Manager. Seine unfreiwillige Komik verhalf Böttgers "Titsy Bitsy Spider"-Flick hie und da zu Kultweihen, aber vor allem zum 69. Platz in der Bottom-100 der IMDB.