DOKUMENTARFILM: D, 2010
Regie: Stefan Ludwig
Darsteller: Stefano Biber, Simon Geisler, Sabrina Grabmer, Martin Zallinger
Ein Kamerateam begleitet eine Gruppe junger Promotion-Mitarbeiter auf ihrem mühsamen Weg durch die bayrische Provinz um möglichst viele Stammspender für eine soziale Einrichtung zu gewinnen. Ungeschminkter Einblick in einen Sommerjob bei dem vor allem eines zählt: Auf Leute zugehen zu können und Härte...
In meiner Klasse hatte ich diesen Typen, der besser reden als Prüfungen schreiben konnte und der es immer schaffte sich irgendwie durchzuwuscheln. Er war charmant und so nahm ihm seine etwas dreisten, aber durchaus kreativen Wege es durch die Matura zu schaffen, niemand wirklich übel. Manchmal erzählte er uns von seinem gut bezahlten Sommerjob, bei dem er fürs Rote Kreuz Spendenverträge abschloss.
Die Erzählungen kreisten vor allem um Party, Mädels, Fun und Kohle. Die meisten lauschten mit einer Mischung aus Neid und Misstrauen seinen Erzählungen, vor allem die Ruhigeren unter uns mit einem eher unguten Bauchgefühl.
Dieses Gefühl kam bei mir beim Sichten von "Ein Sommer voller Türen" wieder hoch. Interessanterweise braucht man als Zuseher nicht lange um festzustellen welcher von den jungen Menschen, die ihr Glück (und das große Geld) zumindest für ein paar Wochen fern von ihrem Elternhaus und Freundeskreis suchen, sich durchsetzen wird und wer eher nicht geeignet für den Job ist. Spoiler: Es sind nicht diejenigen die Anzeichen von Unsicherheit zeigen, die das große Geld machen werden. Und es hat schon einen Grund warum man genötigt wird, den Vertrag gleich zwischen Tür und Angel zu unterschreiben.
Aber sagen wir mal so: Die Leute kochen auch nur mit Wasser. Und es sollte klar sein, dass es knallhart um Verkauf geht. Auch wenn vermutlich einige der jungen Leute tatsächlich auch den sozialen Hintergrund im Hinterkopf haben mögen. Trotzdem sind für eher sensible Zuseher die Besuche der jungen Menschen bei alten, oft einsamen und sich nach Aufmerksamkeit sehnenden Menschen, die zumindest im Film überproportional oft bereit sind, ihre Unterschrift und Kontodaten herzugeben, und die oft einfach überrumpelt werden, schon etwas schwer zu ertragen.
Aber man kennt das ja: Wenn einem etwas angedreht wird, fühlt man sich im Nachhinein oft überrumpelt. Und es ist nun mal auch so, dass die meisten von uns am ehesten bereit sind etwas Gutes zu tun (und Geld herzugeben) wenn sie dafür einen Anreiz bekommen oder dazu verführt werden. Es hat schon einen Grund warum einen viele Organisationen zu Weihnachten Karten schicken und Spendengalas veranstaltet werden. So hat ja jeder was davon: Geld kommt denen zugute die es benötigen und die edlen Spenden bekommen im Gegenzug ein gutes Gefühl. Natürlich kann man darüber debattieren, inwieweit dieses System gut ist, aber ein besseres fällt mir auch nicht ein.
Die gleiche Erkenntnis steht auch am Ende von "Ein Sommer voller Türen". Man kann das System fragwürdig finden, aber aus Sicht des nicht vom Staat bereitgestellten Sozialsystems hat es wohl seine Berechtigung. Was bleibt ist eine Dokumentation, die recht schonungslos das System und den Alltag von Spenden-Anwerbern zeigt. Die jungen Menschen erzählen offen drüber, wie der Job sie verändert hat und weisen auch darauf hin, dass es nicht ratsam ist, die Härte und Tricks, die sie für ihre Tätigkeit benötigen, auch im Alltag einzusetzen. Was bleiben sind gemischte Gefühle.
Stefan Ludwig wirft in seiner Dokumentation einen nüchternen und erfrischend unreißerischen Blick auf den (Sommer)-Alltag junger Werber, die um Spendenverträge keilen müssen. Es ist ein Sommer voller Höhen und Tiefen, voller Frust und schönen Momenten. Am Ende werden zumindest die jungen Menschen um eine Erfahrung reicher sein.