OT: Un Prophète
GANGSTERDRAMA: F, 2009
Regie: Jacques Audiard
Darsteller: Tahar Rahim, Niels Arestrup, Alaa Oumouzoune
Wegen eines tätlichen Angriffs auf einen Polizisten muss der junge Malik (eine Entdeckung: Tahar Rahim) für sechs Jahre ins Gefängnis. Der nervöse junge Mann, der kaum lesen kann, wird zum Freiwild für die brutalen Gangs. Der korsische Mafioso Cesar Luciani (furchteinflößend: Niels Arestrup) zwingt Malik, einen Zeugen zu ermorden. Daraufhin steht Malik unter dem persönlichen Schutz des Korsen und hat die Chance, das schwerkriminelle Handwerk aus erster Hand zu lernen. Als sich Malik von seinem Mentor zunehmend emanzipiert und sein eigenes Drogenimperium aufbaut, wird sein Leben zusehends gefährlicher
KRITIK:Nun erlebt er doch noch seinen überfälligen Kinostart, der in Cannes und auf der letztjährigen Viennale umjubelte neue Film vom "Der wilde Schlag meines Herzens"-Regisseur Jacques Audiard.
Un Prophète ist mehr als "nur" ein episches Meisterstück von einem Mafia-Thriller. Im Laufe der mit 150 Minuten durchaus üppig bemessenen Laufzeit liefert er eine messerscharfe Analyse von ethnischen Konflikten und gefährlichen gruppendynamischen Prozessen, aber ohne dabei akademisch zu werden. Er leistet sich auch metaphysische Ausritte, aber ohne dabei ins Esoterische abzudriften. Die Inszenierung gibt sich roh und hyperrealistisch, aber nicht spröde. Die Geschichte lässt ihren (Anti-)Helden eine Metamorphose durchmachen, aber ohne dabei Hollywood'sche Läuterungsklischees zu strapazieren.
Im Gegensatz zum actionlastigen französischen Gangster-Flick PUBLIC ENEMY No. 1 ist Un Prophète eindeutig handlungsgetrieben - und das wäre auch schon der einzige kleine Kritikpunkt in einem ansonsten makellosen, mitreißenden und beklemmenden Filmerlebnis.
Vielleicht trägt meine mangelnde kriminelle (oder gar kognitive?) Intelligenz schuld daran, dass ich mich außer Stande sehe, all die Handlungsfäden, die sich um clever ausgeheckte Masterpläne und komplex eingefädelte Verschwörungen drehen, die wiederrum vielfältige Bestrafungsaktionen nach sich ziehen, chronologisch nachzuerzählen oder gar auf etwaige Logiklöcher zu überprüfen. Nein, ich habe definitiv kein Talent zum Continuity-Checker ;-)
Der wesentliche interessantere Punkt ist sowieso ein ganz anderer, nämlich die moralische Ambivalenz der Hauptfigur: Die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen Opfer und Täter, zwischen gewissenlosem Killer und (Familien-)Mensch, der sich eine gewisse Rest-Humanität bewahrt hat, verschwimmen in der zerrissenen Figur des Malik vollends.
Trotz seiner Brutalität und rohen Gewalt also irgendwie auch ein berührender, wenn man so will warmherziger Film, der einen auch emotional ganz schön fordert. So soll es sein.
Ja, Jacques Audiards Un Prophète ist wirklich so gut, wie allerorts behauptet wird: Ein epischer, vielschichtiger, knallharter Mafiathriller hinter Gittern, der auch einen emotionalen Mehrwert bietet. Keinesfalls versäumen!