DRAMA: D, 2011
Regie: Tom Tykwer
Darsteller: Sophie Rois, Sebastian Schipper, Devid Striesow
Sagen wir's geraderaus: Simon (Sebastian Schipper) und Hanna (Sophie Rois) haben beziehungstechnisch schon einmal bessere Tage erlebt. Die beiden Mittvierziger sind ihr halbes Leben zusammen, der Alltag ist quälende Routine, das Thema Kinder erledigt und Sex gab's seit Menschengedenken nicht mehr. Und dann taucht da plötzlich Adam (Devid Striesow) auf. Der Mann kann einfach alles: Singen, tanzen, Vorträge über Stammzellenforschung halten, Motorrad fahren, Fußball spielen, Theaterabende genießen, mit Männern und mit Frauen schlafen. Diese Vielseitigkeit kommt sowohl Hanna als auch Simon zugute
KRITIK:Nach seinen eher zwiespältig aufgenommen Großproduktionen DAS PARFUM und THE INTERNATIONAL hat Tom Tykwer wieder einen verhältnismäßig kleinen Film in Deutschland realisiert. Und es ist sein bester seit LOLA RENNT geworden. Mindestens.
DREI ist im Grunde eine RomCom, eine Beziehungskomödie. Aber eine Beziehungskomödie für Menschen, die keine Beziehungskomödien mögen.
Stellt Euch Michel Houellebecq als bisexuellen Romantiker vor, der seine Kampfzone auf Berlin Mitte ausweitet, wo er sich mit Woody Allen und Atom Egoyan trifft, um gemeinsam die ganz großen Themen abzuhandeln: Große Gefühle. Liebe. Sex. Krankheit. Tod. Existentielle Dramen und Katastrophen. Kunst. Politik. Mehr Sex.
Und ein Happy End, das einen vielleicht nicht wirklich überrascht, aber doch Respekt abringt für die Überzeugungskraft, mit der Tykwer seine Vision vom Zusammenleben und Lieben im 21. Jahrhundert präsentiert.
Auch wenn viel gesprochen wird, ist der Film doch meilenweit entfernt von der biederen Geschwätzigkeit des deutschen Beziehungskinos. Im Gegenteil: Die Explizität einiger Szenen würde glatt die Einordnung des Films in unsere beliebte Hardcore-Rubrik rechtfertigen. Doch was viel wichtiger ist, als dem Publikum unvermittelt deftige Sex- oder Schockszenen in die Netzhaut zu knallen: Tom Tykwer ist einfach ein herausragender Erzähler, der etwas zu sagen hat, der Geschichten aus dem echten Leben erzählt.
Seine bisweilen gefürchtete bildgestalterische Kreativität ist ihm ebenfalls geblieben: Um das sprichwörtliche Chaos des Lebens im 21. Jahrhundert zu verbildlichen, verwendet Tywker Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Traumsequenzen, Split-Screens und diverse andere visuelle Gimmicks, die er häufig, aber sinnvoll einsetzt. Nämlich ohne vom Wesentlichen, also von der Geschichte abzulenken.
Ein schöner, durchaus anspruchsvoller, emotional mitreißender, aber auch sehr unterhaltsamer Film also, über den ich jetzt nicht mehr viele Worte verlieren möchte, außer: Unbedingt ansehen!
Erotische Beziehungs-Tragikomödie a la Tom Tykwer: Bisweilen leicht akademisch, aber unterhaltsam, explizit, mutig und vollgepackt mit großen Emotionen. Wer Woody Allen, Atom Egoyan und Michel Houellebecq gleichermaßen schätzt, sitzt in der ersten Reihe. Alle anderen können sich zumindest auf seinen besten Film seit LOLA RENNT freuen.
In diesem Sinne: "Du musst dich von deinem deterministischen Biologieverständnis verabschieden!"