HORROR: USA, J, 2009
Regie: Fruit Chan
Darsteller: Reshad Strik, Henry Thomas, Lothaire Bluteau, Eli Roth
Der psychisch labile Regisseur Marcus Reed möchte in Rumänien das Remake zu einem Film drehen, der nie fertiggestellt wurde, weil die damalige Filmcrew offenbar mit dem Fluch einer einst zu Tode gefolterten Hexe konfrontiert wurde. Da kein Remake weit vom Stamm fällt, mehren sich bald auch auf Reeds Set merkwürdige Todesfälle. Während der Dreh von Fliegenschwärmen, grausigen Unfällen und gar dem leibhaftigen Teufel heimgesucht wird, sagt Reeds Verstand leise Servus...
Auf dem Backcover wird die Blickpunkt:Film wie folgt zitiert: "Roth! Nakata! Chan! Die Dreifach-Garantie für Top-Schocks..."
Schön und gut. Doch wie lehren es uns schon Haushaltsgeräte seit Jahr und Tag: Jede Garantie - ob nun ein- oder dreifach - läuft irgendwann ab und dann geht meistens die Waschmaschine kaputt.
Roth! Den sehe ich persönlich ohnehin lieber hinter als vor einer Kamera. Ich schätze ihn als Regisseur und Genrekenner, doch der Film, in welchem er mich auch als Schauspieler überzeugt, muss wohl erst noch gedreht werden. Im Prolog zum vorliegenden DON'T LOOK UP spielt Eli Roth einen Filmregisseur. Hilft aber auch nichts.
Nakata! 1996, im Vorfeld zu seinem Geniestreich RING, hat Hideo Nakata mit JOYÛ-REI zwar das Original gedreht, aber mit dem hier zu besprechenden Remake hat er nichts zu tun gehabt. Ihn trifft also keine Schuld.
Chan! Der Regisseur. Sein bekanntestes Werk ist ohne Zweifel der ebenso sicke wie sehenswerte Art-Schocker DUMPLINGS aus dem Jahr 2004. Die in den USA entstandene und mit amerikanischen Darstellern besetzte Neuverfilmung des Frühwerks seines Kollegen Nakata hat er allerdings verbockt. Dabei hatte ich Fruit Chan - eben wegen seines gleichzeitig widerwärtigen, gesellschaftskritischen und schwarzhumorigen DUMPLINGS - ganz anders in Erinnerung. Nämlich als hochinteressanten Filmemacher, der es virtuos verstanden hat, Geschmacklosigkeit mit Filmkunst zu verschmelzen.
Chans Handschrift im vorliegenden Film ist kaum wahrzunehmen; dafür ist die von Drehbuchautor Brian Cox leider umso deutlicher. Einmal mehr hat der Hirnkasten, dem schon ein Film wie KEEPIN' IT REAL (mit derzeit sagenhaften 1,3 (!!!) Punkten im Durchschnitt auf der imdb) entsprungen ist, nur Stückwerk anstelle eines ordentlichen Skripts abgeliefert. Daraus einen guten Film zu machen, war wohl ohnehin eine Mission Impossible.
Jedoch scheint es, als hätten auch die Darsteller wenig Führung genossen. Wenn man sie so durch einen Film stolpern sieht, der zwar oberflächlich stringent erzählt zu sein scheint und trotzdem keinen roten Faden besitzt, ist die Hilflosigkeit fast greifbar. Doch vielleicht hat der Wahnsinn Methode: Geht es in der Story nicht um einen Dreh, der von einem übernatürlichen Fluch heimgesucht wird und um einen heillos überforderten Regisseur? Und richtig - in Sachen Chaos scheinen sich beide Filmcrews, ob nun die fiktive oder die echte, wirklich nicht viel zu nehmen...
Irgendwie erinnert mich Chans DON'T LOOK UP in seiner omnipräsenten Konfusion an Lucio Fulcis ähnlich wirr zwischen ineinander verhedderten und zerfledderten Handlungsfäden dahin taumelndes Spätwerk DEMONIA. Nur besaß das - allen Unzulänglichkeiten zum Trotz - neben den völlig Amok laufenden Splattereinlagen eine schier abartige Brackigkeit in seiner Atmosphäre. Mit einer solchen kann DON'T LOOK UP nur ab und an dienen.
Dafür sucht man mit zunehmender Laufzeit immer häufiger sein Heil in Ekelszenen. Es hat dann aber etwas Verzweifeltes, wenn im Endspurt die Fruchtblasen und Eiterbeulen im Akkord platzen - und sich jegliche Nachvollziehbarkeit zwischen Fleischfliegenschwärmen und Foetiziden so ganz nebenbei endgültig verflüchtigt. Nicht falsch verstehen: In einer übernatürlichen Handlung wie dieser brauche ich nicht unbedingt vollständige Aufklärung und lege auch kaum Wert auf Logik. Ja, eigentlich stehe ich sogar auf diese im Alptraummodus ablaufenden Filme, die lieber verstören als erklären. Doch im Falle von DON'T LOOK UP harmoniert das Eine nicht mit dem Anderen. Was bringt mir eine schaurige Creeping Ghost-Einlage in schönster J-Horror-Manier, wenn sie nicht zum Rest passt? Um beim bildhaften Vergleich mit der eingangs erwähnten Waschmaschine zu bleiben: Ja, da liegt ein schönes, dreckiges T-Shirt in der Trommel; nur leider ist die Maschine kaputt.
Zuguterletzt sei mir noch eine Anmerkung zur deutschen Sychronisation gestattet: Sicherlich ist "Zigeunerin" nicht das freundlichste Wort in unserem Sprachschatz und man kann sich damit durchaus die Zunge verbrennen; doch dass man eine solche Frau auf der deutschen Tonspur permanent mit dem englischen "Gypsy" umschreibt und aus einem "Zigeunerfluch" einen "Gypsy-Fluch" macht, ist schon eine ziemlich übertriebene Maßnahme der Political Correctness; zumal sie in einem Film geschieht, der später noch mit totgeborenen Föten förmlich um sich schmeißt. Anstelle der "Gypsy" hätte vielleicht die Umschreibung "Fahrende" im Deutschen etwas weniger lächerlich geklungen. Nur gut, dass uns für solche Fälle das DVD-Zeitalter die Option zum O-Ton gewährt!
Trotz Nakata-Vorlage, trotz Fruit (DUMPLINGS) Chan auf dem Regiestuhl, trotz Gaststar Eli Roth und trotz massivem Ekelszeneneinsatz mit Fliegenschwärmen, Totgeburten sowie Eiterbeulen im Endspurt: Dieses (ver)wirr(t) durch seine 86 Minuten stolpernde Remake zum J-Horrorfilm JOYÛ-REI ist alles andere als überzeugend.