HORROR/THRILLER: USA, 2016
Regie: Fede Alvarez
Darsteller: Stephen Lang, Jane Levy, Dylan Minnette, Daniel Zovatto
Money (Daniel Zovatto, IT FOLLOWS) ist der asoziale Vollpfosten. Alex (Dylan Minnette, PRISONERS) ist der Vernünftige. Rocky (Jane Levy, EVIL DEAD) ist die Frau mit dem Plan. Der Plan lautet: Raus aus Detroit, ab nach Kalifornien. Dazu braucht es Geld, das der jugendliche Bling Ring im Haus eines blinden alten Mannes vermutet. Es ist vielleicht nicht cool, einen Blinden zu bestehlen, aber was kann dabei schon schiefgehen? Nun ja ...
"This is a low flying panic attack."
(Radiohead - Burn The Witch )
Es ist ein verdammt gutes Gefühl, nach 90 Minuten DON'T BREATHE wieder tief Luft zu holen. Ein Beruhigungs-Tschick wäre noch angemessener, aber ich rauche ja nicht mehr. Normalerweise. Erst nach dem dritten Bier. Also ab 11 Uhr Vormittags. Kleiner Scherz.
Die Adresse in diesem Film ist auch ein Scherz: 138 Buena Vista Street. Das klingt nach Glamour, Hollywood Hills mindestens. Das Gegenteil ist der Fall: Dieses verfluchte Haus steht in den verotteten Outskirts der postkapitalistischen, postapokalyptischen Ruinenstadt Detroit, wo dich garantiert niemand schreien hört.
Wenn es eine thematische Klammer in diesem - wenn ihr mich fragt - hervorragenden Kinojahr gibt, dann ist es das Eingesperrt sein. Die Gartenhütte in ROOM, der Bunker in 10 CLOVERFIELD LANE, der verbarrikadierte Backstage-Bereich in GREEN ROOM und jetzt das hermetisch verriegelte Haus in DON'T BREATH, sie alle sind Schauplätze von Überlebenskämpfen im Zeichen der Klaustrophobie.
In diesem Haus wohnt ein blinder Mann, ein Einsiedler, ein Kriegsveteran. Es heißt, er sei zu viel Geld gekommen, was die Begehrlichkeiten dreier junger Hobby-Einbrecher weckt. Und er hat Einiges vor mit den Jugendlichen, die ihren Bruch schon in den ersten 10 Filmminuten gründlich bereuen. Was, wird selbstverständlich nicht verraten.
Wer sich die Spannung - und vor allem die Überraschungen - bewahren möchte, wäre übrigens gut beraten, den offiziellen Trailer zu meiden. Der spoilert nämlich wie Sau. Warum ich ihn hier trotzdem verlinke? Als Erziehungsmaßnahme. Die Menschheit soll wieder mehr LESEN ... :-)
Es kommt sehr selten vor, dass ein Horrorfilm derart euphorische Reaktionen hervorruft wie DON'T BREATHE. Die Kritiker sind einhellig aus dem Häuschen, in der österreichischen Tageszeitung Der Standard werden sogar Vergleiche mit THE TEXAS CHAINSAW MASSACRE gezogen. Gut, die morbide Atmosphäre und die grobkörnige 16-Millimeter-Räudigkeit von Tobe Hoopers Terror-Klassiker ist mit heutigem Digital-Equipment nicht mehr hinzukriegen. Aber was die "kreative" Abgründigkeit der Drehbucheinfälle anbelangt, betreten wir hier bemerkenswert sickes, durchaus texanisches anmutendes Terrain.
Der junge uruguayische Regisseur Fede Alvarez hat 2013 das irre EVIL DEAD-Remake auf die Menschheit losgelassen. DON'T BREATHE entstand wieder in Zusammenarbeit mit den EVIL DEAD-Veteranen Sam Raimi und Robert Tapert. Auf Blutverbrauch im Hektoliter-Bereich hat Alvarez diesmal aber verzichtet, zumal das Finale von EVIL DEAD in dieser Hinsicht nicht mehr zu übertreffen sein dürfte.
Das Motto von DON'T BREATHE heißt Reduktion und Verdichtung: Ein Schauplatz, drei Protagonisten, kein Entkommen, maximale Spannung und Terror auf minimalem Raum. Der Titel ist Programm, man hält mehr als einmal den Atem an. Die fiesen Schock-Effekte (wir Filmnerds nennen sie Jump-Scares) werden wirklich überraschend und verdammt wirkungsvoll eingesetzt. Ich würde Menschen mit Herzproblemen vom Filmbesuch abraten, ernsthaft.
In diesem Sinne: "Es gibt nichts, was ein Mann nicht tun kann, sobald er verstanden habe, dass es keinen Gott gibt."
DON'T BREATHE von EVIL DEAD-Regisseur Fede Alvarez ist tatsächlich so gut, wie allerorts behauptet wird: Ein abgründiges, irre spannendes, minimalistisches Meisterwerk von einem Home Invasion-Thriller, der definitiv keine Gefangenen nimmt. Das ist keine leere Drohung.