OT: Kynodontas
PSYCHOTERRORDRAMA: GR, 2009
Regie: Giorgos Lanthimos
Darsteller: Christos Stergioglou. Michelle Valley. Aggeliki Papoulia
Irgendwo in der griechischen Provinz steht eine luxuriöse Villa mit riesigen Gärten, Swimmingpool und mannshohen Zäunen. Dahinter hält ein Vater seine Familie von der Außenwelt fern. Die zwei Schwestern und der Bruder verbringen sich die Zeit mit anfangs unschuldigen, später zunehmend psychotischeren Spielen und Mutproben. Der Vater engagiert eine Außenstehende, Christina, die gegen Bezahlung die Pubertät des Sohnes in die Hand nimmt. Damit verschiebt sich das Machtgefüge innerhalb der Familie. Mit unabsehbaren Folgen.
Ach, diese Griechen! Den ganzen Tag faul in der Hängematte liegen, in Ouzo baden, Sirtaki tanzen und sich dann mit unserem Steuergeld retten lassen. Und anstatt Dankbarkeit zu zeigen und uns Österreicher gefälligst gratis auf Rhodos Urlaub machen zu lassen, verfilmen sie auch noch frech unsere heimischen Kriminalfälle. Und dafür gibts dann eine Oscar-Nominierung. Skandal! (Wer die Ironie findet, darf sie behalten.)
Es ist nämlich so, dass das DVD-Booklet zu DOGTOOH einen Zusammenhang zwischen den österreichischen Kriminalfällen Fritzl und Kampusch und vorliegendem Film herstellt.
Ich halte das für ein bisschen zu weit hergeholt. Obwohl das Grundmotiv - ein ins Perverse übersteigertes Patriarchat, die Kleinfamilie als Keimzelle des Wahnsinns - diese Assoziation doch in gewisser Weise nahelegt.
Ich werfe dafür eine andere österreichische Assoziation in den Raum: Michael Haneke! Die formale Strenge dieses Films, die unterkühlte Inszenierung, der kalte, distanzierte Blick aufs Geschehen, aber auch die Klarheit und Brillianz von Bild, Ton und Schnitt, all das weist deutlich auf den renommierten österreichischen Regisseur hin.
Mit einem kleinen Unterschied: Der kalte Analytiker Haneke würde nie und nimmer so etwas wie schwarzen Humor zulassen. In DOGTOOTH blitzt nämlich immer wieder ein ziemlich ätzender, absurder Humor durch - Zitat: "In Kürze wird Eure Mutter zwei Kinder und einen Hund gebären", der das psychotische Geschehen in der Villa ein klein wenig auflockert und erträglicher macht.
Wer ob der Inhaltsangabe vermutet, dass hier mehr als platonische Vaterliebe im Spiel ist, liegt richtig. Aber - keine Angst, es gibt keine Spoiler - die inzestiösen Aktivitäten gestalten sich ganz anders, als erwartet.
Wo wollen wir DOGTOOTH nun einordnen? Wir haben es fraglos mit einem provokativen Arthaus-Film zu tun, der die Finger in die Wunden der griechischen Gesellschaft legt. Einer Gesellschaft, die zumindest in ländlichen Gegenden nach wie vor stark von patriarchalischen Strukturen und einer rigiden, frauenfeindlichen Sexualmoral geprägt ist.
Apropos: Die Sexszenen spielen eine bedeutende Rolle im Film und sind unerwartet explizit - ich würde sagen, knapp an der Grenze zum Hardcore ausgefallen. Und gegen Ende leistet sich der Film einige vielleicht kalkulierte, aber verdammt einprägsame Härten. Nur soviel: Der Filmtitel und meine panische Angst vor Zahnarzt-Behandlungen kulminieren in einer Filmszene, die mich durchaus abgebrühten Hund, der den berüchtigten Serbian Film unbeschadet in der ersten Reihe fußfrei überstanden hat, hart an meine persönliche Schmerzgrenze herangeführt hat.
Die Kleinfamilie als Keimzelle des Wahnsinns. Sperriges, aber für Freunde des provokativen Kinos definitiv lohnendes Psychodrama aus Griechenland, das 2011 für den Auslands-Oscar ins Rennen ging. Gewagte Entscheidung, denn mit seinen echten Sexszenen und den herben Gewaltausbrüchen ist DOGTOOTH ein einigermaßen heftiger Stoff für die greise Academy. DOGTOOH ist im Rahmen der Störkanal-Edition, die sich qualitativ hochwertiger Filmkunst der härteren Gangart verschrieben hat, auf DVD erschienen.