OT: The Girl from Rio
COMIC-STRIP-SATIRE: SPANIEN/DEUTSCH, 1968
Regie: Jess Franco
Darsteller: Shirley Eaton, Maria Rohm, George Sanders, Richard Wyler
Sumuru (die im Film allerdings anders angeredet wird) ist die Herrscherin eines Paradies für emanzipierte Frauen: Femina, eine Stadt in Brasilien, eine Organisation, eine Armee, bestehend nur aus Frauen, mit dem Ziel, die Weltherrschaft den Männern zu entreißen (wobei ich die ketzerische Frage stelle, ob Shirley Eaton dafür eine Armee bräuchte). Doch da Sumuru zur Geldbeschaffung die Tochter eines reichen Bankers entführt hat, nimmt Jeff Sutton den Kampf gegen sie auf. Und es sind noch andere Figuren im Spiel, die es auf Jeff abgesehen haben, vor allem aber auf den Koffer, den er immer bei sich trägt...
"I feel that cinema should be like a box of surprises, like a magic box. And in that world, anything is allowed to enter."
Da hat es der gute alte Jess doch tatsächlich geschafft, mit wenigen Worten die ganze Magie des Kinos - oder besser: seines Kinos - zusammenzufassen. Und darum wollen wir auch ganz schnell wieder vergessen, worum es in dem Film überhaupt geht. Jess Franco entführt den geneigten Zuschauer nach Rio, und noch mehr in seinen sehr speziellen Kosmos voll poppig bunter Farben, großzügigen Lounges, entspannt beschwingter, gut aussehender Menschen, die sich bewusst in einer künstlichen Welt bewegen und auch so verhalten, während die ganze Zeit hindurch chilliger Jazz-Samba die Luft erfüllt.
THE GIRL FROM RIO ist 60er-Jahre-Kino, wie es schöner nicht sein kann, angefangen von der spacigen Architektur Feminas, über die Postkartenidylle Rios und einer ziemlich klassischen Superagent-rettet-die-Welt-Thematik. Franco hatte augenscheinlich ein recht ordentliches Budget zur Verfügung, vor allem aber offensichtlich große Freude daran, die zahlreich auftretenden, provokativ gekleideten Damen möglichst reizend in Szene zu setzen: Shirley Eaton in einem Netzcatsuite, Maria Rohm in einem rückenfreien Abendkleid, während ihre High Heels über den Zuckerhut stöckeln, und gleich eine ganz Armee von schönen Mädchen in offenherzigen Lack- und Leder-Dresses.
Natürlich könnte man die zahlreichen Eyecandies auch eher als Zugabe sehen und dafür mehr der Story folgen. Nur wofür? Jess Franco ist sicher ein besessener Filmemacher, aber dass seine Filme unbedingt einer stringenten Handlung folgen, halte ich für ein Gerücht. Wem die Geschichte hilft, einen Einstieg in seine Welt zu bekommen, soll sich daran festhalten, aber einen wirklichen Zugang zu seiner Welt erhält man erst, wenn man sich davon löst. Nur dann kann man auch den mehrfachen Haarfarben- und Dresswechsel der Sumuru mitten in einer Szene annehmen.
OK, natürlich ist der Inhalt auch nicht ganz ohne: Frauen gehorchen Frauen. Frauen schlagen Frauen. Frauen töten Frauen. Und warten auf den richtigen Mann, It's a Man's World - auch in einer Frauenarmee. Emanzipation sieht anders aus. Nennen wir die Dinge beim Namen: THE GIRL FROM RIO ist natürlich - buh pfui - eine Männerfantasie, gedreht von einem Mann, geschrieben von einem Mann, nach einer Romanvorlage eines Mannes.
Doch, geschätzter Leser, liebe Frauinnen und Frauen, so einfach ist es dann auch wieder nicht. Denn das GIRL FROM RIO ist die Manifestation der Angst des Mannes vor der Emanzipation, über die sich Franco zugleich amüsiert. Eine Farce, ein Comic-Strip, alles ist überzeichnet, überhöht, ironisch gebrochen. Und selbst wenn es ernst gemeint wäre, der gute alte Jess hätte nicht eine Sekunde verschwendet, sich dafür zu rechtfertigen. Oder, um es abschließend wieder mit seinen Worten zu sagen:
"I don't give a shit about that!"
Eine hippe, bunte, stilsichere 60ies-Mischung zwischen James Bond und Fetisch Pop, zwischen einer Cafe-del-Mar-Idylle und überzeichneter Comic-Brutalität. Jess Franco macht mit dem ihm zur Verfügung gestellten Geldern vermutlich nicht das, was der Produzent von ihm erwartete, aber das störte am Ende weder ihn noch den Produzenten, der einen Film abgeliefert bekam, den man heute so nicht mehr drehen dürfte.