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Die letzte Mätresse

Die letzte Mätresse

OT: Une vieille maîtresse
DRAMA: Frankreich, 2007
Regie: Catherine Breillat
Darsteller: Asia Argento, Fu'ad Aït Aattou, Roxane Mesquida, Claude Sarraute

STORY:

Paris im frühen 19. Jahrhundert. Der junge, mittellose Kleinadlige Ryno de Marigny (Fu´ad Aït Aattou) hält um die Hand der aus einer sehr wohlhabenden Familie stammenden Hermangarde de Polastron (Roxane Mesquida) an. Es ist in Paris jedoch bereits ein Stadtgespräch, dass Ryno eine Beziehung mit der spanischen Mätresse Vellini (Asia Argento) pflegt. Um die Ernsthaftigkeit seiner Absichten zu ergründen zwingt Hermangardes Großmutter und Vormund, die Marquise de Flers (Claude Sarraute), Ryno deshalb zu einer ausführlichen Beichte, bevor sie ihre Zustimmung zu einer Heirat gibt. Er berichtet in aller Ausführlichkeit über seine zehnjährige, aufzehrende Beziehung zu der unehelichen Tochter einer italienischen Adeligen und eines spanischen Torreros. Zugleich beteuert er, dass diese Beziehung nun endgültig zu Ende und er tatsächlich in Hermangarde verliebt sei.

KRITIK:

Um die Jahrtausendwende machte das zuletzt eher für recht biedere Dramen bekannte Frankreich auf einmal mit einer ganzen Reihe äußerst skandalträchtiger Filme auf sich aufmerksam. Auf der einen Seite leitete Alexandre Aja 2003 mit HIGH TENSION die "neue französische Härte" im Horrorfilm ein und bereitete dafür den Weg für Schlachtplatten wie HOSTEL (2005) und SAW (2004). Auf der anderen Seite gab es in Frankreich aber auch zum ersten Mal seit den siebziger Jahren wieder Filmemacher, die pornografische Elemente in den ernsthaften Autorenfilm einbrachten.

Die Frage ist jedoch, wie ernsthaft diese Filme tatsächlich waren. Eines der bekanntesten Werke dieser Art ist sicherlich Virginie Despendes Reißer BAISE-MOI - FICK MICH! (2000) der seinen äußerst tiefgehenden künstlerischen Anspruch bereits recht plakativ im Titel trägt. Ein anderer Film aus dieser Zeit ist Catherine Breillats ROMANCE (1999), der aus naheliegenden Gründen in deutschsprachigen Gefilden auch als ROMANCE X oder gar als ROMANCE XXX bekannt ist. Seither genießt Catherine Breillat den Ruf einer mutigen und radikalen Feministin und ihre expliziten Werke gelten als große Kunst. Mit DIE LETZTE MÄTRESSE (2007) schlägt die Regisseurin erstmalig einen deutlich anderen Weg ein.

DIE LETZE MÄTRESSE ist Breillats erster Historienfilm. Anstatt den feministischen Kampf französischer Frauen in der heutigen Gegenwart, beleuchtet der Film das wilde Treiben eines adligen Wüstlings im frühen 19. Jahrhundert. Zunächst äußerst klischeehaft wird die energische, dunkelhaarige, südländische Vollblutfrau Vellini (Asia Argento) dem blonden, zierlichen, adligen Mäuschen Hermangarde (Roxane Mesquida) gegenübergestellt. Rynos (Fu´ad Aït Aattou) Entscheidung zwischen diesen beiden Frauen erscheint als eine Wahl zwischen Leidenschaft und Vernunft, persönlicher Selbstentfaltung und gesellschaftlicher Konvention und zwischen Abenteuer versus materieller Sicherheit. Glücklicherweise offenbaren sich die Charaktere mit der Zeit als wesentlich vielschichtiger, so, dass der insgesamt sehr ruhige und dialoglastige Film durchaus zu fesseln vermag.

Die Beziehung von Ryno und Vellini ist ein ständiges Pendeln zwischen ungezügelter Leidenschaft und gegenseitigen Missbrauch. Auf der anderen Seite empfindet Ryno tatsächlich etwas für die einen Ruhepool in seinem Leben bildende Hermangarde. Auch ist die Marquise de Flers keine verknöcherte Alte, die nur darauf erpicht ist, dass ihr Schützling in die Hände eines Mannes ihres Standes gelangt. Vielmehr ist die Marquise eine weltoffene Frau, die immer wieder betont, dass sie noch aus einer wesentlich liberaleren Zeit stamme. Sie empfindet eine tiefe Sympathie für den Lebemann Ryno, in dem sie keinen Wüstling, sondern einen klassischen Libertin sieht, der sich als über allen gesellschaftlichen Regeln stehend betrachtet und sich einfach nimmt, was er will. Und während die Freunde der Marquise in der Vellini nur eine lüsterne Frau niederen Standes sehen, welche edel geborene Männer verdirbt, betrachtet die Marquise die Halbspanierin als eine Frau, die sich nicht um Standesdünkel scherend ebenfalls einfach tut, was ihr gefällt.

DIE LETZTE MÄTRESSE ist jedoch nicht nur ein interessanter, sondern auch ein sehr schön anzusehender Film. Gediegen in der Ausstattung und perfekt in der Ausleuchtung, reiht sich ein präzise durchkomponiertes Tableau an das andere. Das Gesamtergebnis ist ein wahrer optischer Augenschmaus, der noch durch einen wunderbaren Score untermalt wird. Explizite Sexszenen sind dahingegen nicht vorhanden. Wahrscheinlich hat Catherine Breillat erkannt, dass sie diesmal darauf verzichten kann, da ihr mit DIE LETZTE MÄTRESSE tatsächlich ein wirklich guter Film gelungen ist.

Die letzte Mätresse Bild 1
Die letzte Mätresse Bild 2
Die letzte Mätresse Bild 3
Die letzte Mätresse Bild 4
Die letzte Mätresse Bild 5
Die letzte Mätresse Bild 6
Die letzte Mätresse Bild 7
FAZIT:

DIE LETZTE MÄTRESSE ist ein optisch opulenter Historienfilm, mit dem die Französin Catherine Breillat ungewohnt ruhige Töne anschlägt. Das im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts angesiedelte Liebesdrama besticht nicht nur durch durchweg überzeugende Schauspielerleistungen, sondern auch durch ein komplexes Gefüge emotionaler und gesellschaftlicher Verwicklungen. Einerseits ist der Film ein Fenster in eine ganz andere längst vergangene Zeit. Andererseits zeigt sich aber auch, dass viele der grundlegenden Konflikte auch noch heute genauso aktuell sind.

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TEXT © Gregor Torinus
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