OT: The Last Wave
MYSTERY: AUSTRALIEN, 1977
Regie: Peter Weir
Darsteller: Richard Chamberlain, Olivia Hamnett, Gulpilil, Nandjiwarra Amagula
Noch nie hat es im November in Australien geregnet. Doch plötzlich gießt es wie aus Kübeln. Und nicht nur Wasser fällt vom Himmel: Auch faustgroße Hagelkörner, Frösche und schwarzer Regen. Zur gleichen Zeit übernimmt der junge Anwalt und Familienvater David die Pflichtverteidigung von fünf australischen Ureinwohnern, die des Mordes an einem anderen Aborigine beschuldigt werden. Und dann wird David von seltsamen Träumen heimgesucht; von rätselhaften Vorahnungen, die auf die bevorstehende Apokalypse hindeuten -
KRITIK:Peter Weir, Ausrichter des mysteriösen wie unvergesslichen PICKNICK AM VALENTINSTAG, entführt uns in DIE LETZTE FLUT in die nicht minder geheimnisvolle Welt der Aborigines und ihren Prophezeiungen. War es beim PICKNICK AM VALENTINSTAG noch eine düstere, einschüchternde Felsenformation, die ein nicht verortbares Unheil verkörperte und einschneidende Veränderungen heraufbeschwor, ist es diesmal Wasser.
Sprenkelanlage, überlaufende Badewanne, riesige Hagelkörner und immer wieder sintflutartige Regenfälle - Wasser ist das zentrale Element in diesem Film. Und in beinahe jeder Szene omnipräsent. Nur steht es diesmal nicht für die Quelle des Lebens, nein, es wirkt bedrohlich. Jeder Tropfen in DIE LETZTE FLUT scheint ein Vorbote des Untergangs zu sein.
Allerdings erwartet den Zuschauer keine Emmerich`sche Zerstörungswut. Um uns zu beunruhigen benötigt Weir keine millionenschweren Effekte, kein apokalyptisches Kleinholz Marke "Hollywood". Sein Mittel zum Zweck heißt Subtilität in einer Inszenierung, die so zähflüssig wie Lava fließt. Und doch! Nicht durchgängig, aber über weite Strecken, spüren wir es trotzdem. Das Damoklesschwert, das über den Köpfen der Menschheit hängt. Zu Blockbuster-Endzeiten essen wir Popcorn; zu dieser leisen, mysteriösen, langsam hereintröpfelnden Apokalypse Unbehagen.
Die Atmosphäre drohenden Unheils brütet hier nur unterschwellig, aber über die gesamte Laufzeit hinweg. Sie ist gewoben aus düsteren Bildern und bedrohlichem Regen. Sie ist auch hörbar. Und zwar immer dann, wenn sich die Tonspur anhört, als hätte man die kryptischen, unverständlichen Backward Messages von satanischen Heavy Metal-Alben mit den tiefen Bässen der Yidaki-Instrumente australischer Ureinwohner vermischt oder wenn Charles Wains düsteres Hauptthema erklingt.
Freilich hat der Film nicht deswegen Eingang in die deutsche Arthaus-Reihe oder in die Criterion-Sammlung gefunden, weil er vollblütiger Endzeithorror ist. Er behandelt auch das problematische Verhältnis zwischen Ureinwohnern und den Nachfahren der europäischen Eroberer. Auch wenn diese ernsten Aspekte nicht wie Fremdkörper im grundsätzlich stark Mystery-lastigen Plot wirken; so kommt es dennoch vor allem im Mittelteil immer wieder zu kleineren Brüchen und Rissen in der anfangs so mühsam errichteten gespenstischen Atmosphäre. Was natürlich nicht heißen soll, dass der Konflikt zwischen grundverschiedenen Kulturen und die schleichende Zerstörung der davon älteren nicht bedrückend sei.
Andererseits hat man wichtige soziale Thematiken und Mystery schon deutlich ungeschickter verrührt und letzten Endes geht DIE LETZTE FLUT ihren Weg nur konsequent. Sie bleibt von Anfang bis Ende ein Film für die feinen Antennen und disqualifiziert sich durch rigoroses Aussparen von straighten Spannungs- und Actionmomenten schon freiwillig für alle, die ihr Kino laut und schnell mögen. Phasenweise geht der Film allerdings so wenig Tempo, dass dies selbst für aufgeschlossene Cineasten zur Geduldsprobe werden könnte. Doch so langsam die düsteren Zeichen und Vorahnungen auch brüten; alles kulminiert am Ende in einer mächtigen, beunruhigenden Schlusssequenz, die folgerichtig die letzte Flut, die Apokalypse heraufbeschwört
In Australien sieht ein junger Anwalt die Vorboten der Apokalypse - Nach dem PICKNICK AM VALENTINSTAG bringt Peter Weir noch mal Mysteriöses ins Arthaus. Auch wenn DIE LETZTE FLUT insgesamt doch eine Spur zu langsam über uns hinwegrollt; mit "Unheilschwanger" ist die Atmosphäre des Films trefflich umschrieben und Wasser hat man so subtil bedrohlich auch selten gesehen.