THRILLER: D, 2015
Regie: Stephan Rick
Darsteller: Moritz Bleibtreu, Nora von Waldstätten, Jürgen Prochnow
Alles läuft großartig bei Wirtschaftsanwalt Urs Blank (Moritz Bleibtreu). Bis sich ein Geschäftspartner vor seinen Augen eine Kugel in den Kopf jagt. Urs flüchtet aus seinem Job, verirrt sich im Wald, hat eine Affäre mit einem Hippie-Mädchen, isst narrische Schwammerln und dreht durch ...
Wie ein Facebook-Freund - nennen wir ihn Robert - kürzlich festgestellt hat, gibt es hunderte Filme, in denen Manager Hippiefrauen begegnen und dann auch Hippies werden wollen. Es gibt aber keinen Film in dem Hippies Managern begegnen und auch Manager werden wollen.
Das sagt sicherlich etwas aus. Aber was?
In "Die dunkle Seite des Mondes" begegnet ein Manager einem Hippie-Mädchen und wird zum Amokläufer.
Das sagt sicherlich auch etwas aus. Aber was?
Vielleicht, dass doofe Drehbücher nicht verfilmt werden sollten (außer von Uwe Boll)? Dass Nora von Waldstätten als verhuschtes Alternativ/Hippie-Mädchen im Pink Floyd-T-Shirt eine grandiose Fehlbesetzung ist? Dass der letzte gute Film mit Moritz Bleibtreu auch schon wieder eine mehr als eine Dekade zurückliegt?
"Die dunkle Seite des Mondes" ist die Verfilmung eines Bestsellers von Martin Suter. Das Buch (ich hab's nicht gelesen) scheint ziemlich gut zu sein: "Martin Suter hat ein Buch aus dem dunklen Reich der Pilze vorgelegt, das zugleich raffinierter Wirtschaftskrimi, giftiges Gesellschaftspanorama, verhinderte Liebesgeschichte und psychologisches Vexierspiel ist ? und darüber hinaus noch ein zentrales Thema des Autors (das der schleichenden Persönlichkeitsveränderung und Orientierungslosigkeit nämlich) konsequent weiterschreibt.", schrieb die Süddeutsche Zeitung.
Und auch die Filmversion wurde überwiegend positiv besprochen. "Packend", "Ein ungeheuer dichter, spannungsgeladener Thriller" usw. usf. lautete der Tenor der Rezensionen, die ich vor dem Kinobesuch überflogen hatte.
Und nachher fragte ich mich: Habe ich einen anderen Film gesehen? Irgendwie funktioniert hier nämlich kaum etwas: Das einzige "dunkle" an diesem Film ist die lichtschwache Ausleuchtung in den Innenraum-Szenen. Von der versprochenen Spannung war wenig zu spüren. Das einzige, was an den Nerven zerrt, ist die penetrante, Fernsehsehspiel-artige Filmmusik. Die Schauspieler sind zwar ziemlich gut, aber letztlich chancenlos gegen ein moosdoofes Drehbuch, dessen geballte Peinlichkeiten ich hier lediglich aus Spoiler-Gründen nicht weiter ausbreite.
Es wäre aber auch unfair, "Die dunkle Seite des Mondes" einen Total-Ausfall zu nennen. Auf der Habenseite ist eine recht professionelle Kamera-Arbeit zu verzeichnen, und der Versuch, durchaus filmisch zu erzählen. Die Natur-Aufnahmen im deutschen Wald sind großteils als gelungen zu bezeichnen. Bei einer Szene glaubte ich kurz Lars von Trier zwischen den Bäumen "Chaos reigns" flüstern zu hören, und eine zugegeben recht drastische Szene deute ich als Hommage an William Friedkin. Immerhin.
Interessante Querverweise (die vermutlich eh nur in meinem Kopf existieren) retten den Film aber nicht. Zumal das Thema "Existentielle-Verlorenheit-inmitten-von-Mutter-Natur" schon dutzendmal eindrucksvoller auf die Leinwand gebannt wurde. Auch im deutschen Kino.
Ich bin ja gerne im Wald, ich mag Nora von Waldstätten (Das Ewige Leben, Oktober November) wirklich sehr, und Moritz Bleibtreu und Psychothriller ist grundsätzlich keine schlechte Kombination. Erinnern wir uns an Das Experiment.
Aber lassen wir uns von den vielen positiven Kritiken nicht täuschen: "Die dunkle Seite des Mondes" ist leider ein erschreckend doofes, unspannendes, pseudo-abgründiges Irgendwas von einem deutschen Psychothriller.
Zwei, drei atmosphärische Naturaufnahmen und ein paar halbherzige Hommagen an Lars von Trier und William Friedkin machen noch lange keinen guten Film.
Ab 16.1.2016 im Kino.