DRAMA: DE, 2008
Regie: Dennis Gansel
Darsteller: Jürgen Vogel, Frederick Lau, Max Riemelt, Jennifer Ulrich
"So etwas wie Faschismus kann uns nicht mehr passieren, dazu sind wir viel zu aufgeklärt" - so der einhellige Tenor seiner Schüler, als ein modern ausgerichteter Pädagoge auf das leidige Thema der Autokratie zu sprechen kommt. Angestachelt durch die Aussagen seiner Schützlinge entschließt sich der Lehrer ihnen das Gegenteil zu beweisen und startet ein folgenschweres Experiment ...
KRITIK:Morton Rhues Jugenddrama "Die Welle" zählt zu DEN Klassikern der modernen Schulliteratur schlechthin. Kaum ein Schüler der im Laufe seiner Karriere nicht Bekanntschaft mit dem Buch schließen durfte, sei es weil er es lesen musste oder weil es ihm, in Form einer Buchbesprechung näher gebracht wurde.
Und da es ja bekanntlich schwer ist, die Web 2.0 Kiddies für das gedruckte Wort zu begeistern, es sei denn die Bücher handeln von Zauberlehrlingen oder vegetarischen Vampiren, bietet es sich ja geradezu an, die Geschichte (und die Moral) in ein modernen Sujet zu stecken. Dadurch haben Lehrer zudem die Möglichkeit ihren Schülern das Ganze multimedial näher zu bringen.
Die Idee einer Verfilmung ist nicht mal neu, es gab schon vor dem hier besprochenen Film eine Verfilmung, die ist jedoch aus dem Jahre 1981 und damit quasi vorsintflutlich.
Regisseur Dennis Gansel ("Napola - Elite für den Führer") bemüht sich redlich am Puls der Zeit zu sein. Der Zuseher wird ständig mit lauter, äh cooler, Musik zugedröhnt und die Mitglieder der Welle verbreiten ihre Botschaft in Windeseile über moderne Socialnetworks.
Auch die Schule selbst wurde aufgemotzt. Eine so schöne, moderne Schule mit eigenem Swimmingpool, sieht man auch selten. Irgendwie erinnerte das Ganze eher an eine amerikanische Highschool als an ein Gymnasium in Deutschland. Aber egal. Auch storytechnisch hat sich einiges geändert, so wartet die Neuverfilmung mit einem kompromissloseren Schluss als die literarische Vorlage auf.
Die Schüler selbst sind ein buntgemischter Haufen, in dem die Rollen klar verteilt sind: Der Anführer, der Außenseiter, der Verwöhnte mit viel Kohle, der Klassenclown, die Aufsässige, die Mauerblümchen und vor allem die Mitläufer. Es ist zwar nicht immer ganz schlüssig, wie aus den verschiedenen Individuen auf die Schnelle eine aggressive Bewegung namens "Die Welle" werden konnte, doch gelingt es den Schauspielern und dem Drehbuch zumindest das wachsende Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Gruppe einigermaßen glaubhaft auszuarbeiten.
Natürlich braucht die Geschichte auch Leute die außerhalb der Gruppe stehen, das ganze hätte ja ansonsten keinen Reiz. Leider bleibt die Motivation der Welle-Gegner vor allem am Anfang eher im Dunkeln. Dafür werden aber später auch Parallelen zu Widerstandsgruppen wie "Die weiße Rose" aufgebaut.
Der Film wartet mit einer recht kurzweiligen Inszenierung auf, wobei die moderne Videoclip-Ästhetik natürlich auch nicht zu kurz kommt. Auch die Cast kann sich sehen lassen, die mehr oder weniger bekannten Nachwuchsschauspieler bringen ihre Figuren glaubhaft und ohne gröbere Schnitzer rüber.
Leider krankt es jedoch ein wenig an der Atmosphäre. Lediglich im Finale, wenn Jürgen Vogel sein Abschlussplädoyer hält, schafft der Film für einen kurzen Moment die atmosphärische Dichte, die ich mir eigentlich schon den ganzen Film über gewünscht hätte.
Dennis Gansel steckt den Jugendklassiker "Die Welle" in ein modernes Sujet und macht die Story Web 2.0 tauglich. Doch die aufgemotzte Story und die moderne Inszenierung kann leider nicht über die fehlende Tiefe bei der Charakterisierung und über die über lange Zeit fehlende Atmosphäre hinwegtäuschen. Doch zumindest sein Zielpublikum dürfte der Film erreichen und nicht zuletzt dank der starken Schauspieler (Jürgen Vogel!) dürfte sogar was hängen bleiben.