OT: Page Eight
THRILLER: UK, 2011
Regie: David Hare
Darsteller: Bill Nighy, Rachel Weisz, Michael Gambon, Tom Hughes, Ralph Fiennes
Johnny Worricker ist ein Agent der alten Schule. Er ist einer von denen, die es noch aus Princeton-Kreisen ins MI5 schafften. Dementsprechend verfügt er noch über alte Kontakte und führt Meetings auch gern mal beim Lunch. Doch die Welt hat sich gewandelt, es geht mehr um Technik, um Politik und es gibt nicht wenige im MI5, für denen Worricker nichts mehr ist als ein störendes Relikt vergangener Tage. Durch seine Freundschaft mit Benedict Baron, dem Leiter des MI5, konnte jedoch bisher niemand Worricker etwas anhaben. Doch Baron ist nun tot. Herzinfarkt. Kurz vor seinem Tod bringt Baron eine Akte im Umlauf, deren explosiver Inhalt zu einem Sturz der britischen Regierung führen könnte. Nur wenige Empfänger erhalten eine Kopie und Kenntnis von der Akte, unter ihnen Worricker. Das Problem: Baron hielt seine Quelle unter Verschluss und ohne Quelle ist die Akte wertlos...
Ich liebe DVD-(Backcover)-Texte. Sie sind so einfallsreich. So findet man z.B bei "Die Verschwörung" gleich mal den obligatorischen Bond-Vergleich "Britischen Spionage-Thrill in bester 'Bond'-Tradition" steht da. Klar, wenn man Bond gerne mit einer BBC-TV-Produktion vergleichen will...
An der TV-Herkunft dürfte es wohl auch geschuldet sein, dass "Die Verschwörung" im deutschen Raum - zu Unrecht - unterging. Der Film ist nämlich durchaus sehenswert.
Sicher, "Page Eight", wie der Film im Original betitelt wurde, bietet weder Action noch große Schauwerte aber dafür Oldschool-Spionage-Spannung vom feinsten. Daher ist der bereits eingangs erwähnte Bond-Vergleich für die Nüsse, "Page Eight" schwimmt tatsächlich mehr im Fahrwasser von Le Carré-Filmen.
Inhaltlich weckt "Page Eight" Erinnerungen an die dänische TV-Serie Borgen - Gefährliche Seilschaften, geht es doch auch um die Verquickung zwischen Macht, Politik, Seilschaften die im Hintergrund agieren, diplomatische Beziehungen...
Und ich für meinen Teil mochte "Borgen". Sicher, die ewigen Debatten um politische Entscheidungen (und Beziehungen) um Macht und Terrorismus, um Aktivisten und um Regierungen die Informationen zurückhalten, um Leaks und dergleichen sind nicht jedermanns Sache.
Aber ich mag solche Dinge. Sofern sie einigermaßen spannend aufbereitet werden. Klar, bei einem Film braucht man schließlich mehr als nur Hard-Facts. Man braucht auch Charaktere, mit denen man sich einigermaßen identifizieren kann, man braucht auch menschliche Probleme.
Und auch das bietet "Page Eight". Die Storyline um einen alternden Agenten der mit der Moderne hadert, damit, dass Dinge wie Ehre und Vertrauen in seinem Metier nicht mehr zählen, bietet genug Potential um den Film voranzutreiben. Die obligatorischen Familien- und Frauenprobleme wirken auch nicht so aufgesetzt dass sie nerven, sondern bringen die Figurenzeichnung irgendwie sogar voran.
Wenn Worricker sich mit seiner Vergangenheit und dem Verhältnis zu seiner Tochter auseinandersetzen muss wirkt das nie gekünstelt oder bemüht. Die Verschwörung selbst, also der Inhalt der Dokumente, wirkt auch niemals komplett an den Haaren herbeigezogen sondern durchaus realistisch. Was auch daran liegt, dass die Thematik jetzt weder sonderlich einfallsreich oder neu ist. Probleme mit Amerika, dem Nahen Osten, you name it. Allerdings muss man Drehbuchautor David Hare (Skript für "Der Vorleser" und "The Hours") zugutehalten, dass er zumindest Humor beweist und darauf sogar im Drehbuch eingeht. Hare war neben dem Drehbuch übrigens auch für Regie verantwortlich.
Das Tolle an "Page Eight" ist, dass der Film trotz der vielen Handlungsstränge die er anschneidet niemals überladen wirkt. Zwar lässt die Verquickung und Auflösung einzelner Stränge vielleicht zu wünschen übrig oder sorgt für leichtes Stirnrunzeln, allerdings wirkt das ganze nie so, dass man sich an den Kopf greifen muss.
Neben einer spannenden Handlung sowie interessanten Charakteren punktet "Page Eight" vor allem mit seinen Schauspielern. Bill Nighy ist als alternder MI5-Mann sowieso eine sichere Bank und ergänzt sich kongenial mit Michael Gambon. Einige seiner besten Szenen verdankt "Page Eight" sicherlich auch dem verbalen, sehr trockenem Schlagabtausch zwischen Nighy und Gambon. Außerdem bringt das Ganze auch etwas frischen Wind in das Genre. Die Beziehung zum obligatorischem Love Interest (Rachel Weisz) zieht im Vergleich dazu natürlich den Kürzeren, nicht zuletzt da man letzteres ja schon gefühlte 100 mal gesehen hat. Und weil wir gerade beim Name-Dropping sind: Ralph Fiennes ist auch mit von der Partie. Zwar nur in einer kleinen Rolle, aber immerhin.
Wie auch "Borgen" wirft auch "Page Eight" ein Recht zwiespältiges Licht auf den Politikapparat. Damit ist "Page Eight" auch durchaus ein Kind seiner Zeit, einer Gesellschaft die den Glauben an die moralische Integrität der politischen Eliten schon längst verloren hat. Schlechte Zeiten für einen Mann wie Worricker.
Ein wenig mehr Ambivalenz was die Figurenzeichnungen betrifft wäre hier und da angebracht gewesen, aber "Page Eight" ist nun mal ein Einteiler und keine Serie.
Die Welt verändert sich. Auch für MI5-Männer. Eine Erfahrung, die auch Bill Nighy in "Die Verschwörung" machen muss. Als alternder Agent kämpft er sich aus ein Netz von Intrigen, Machtspielen und Vertuschungen. "Page Eight" entpuppt sich als klassisches BBC-Agenten-Drama, das auf großartige Darsteller und eine spannende Story setzt. Damit passt der Film auch durchaus in die heutige Zeit.