OT: The Hunger Games
ACTION: USA, 2012
Regie: Gary Ross
Darsteller: Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Elizabeth Banks, Liam Hemsworth, Woody Harrelson, Isabelle Fuhrman
In der dystopischen Zukunftsversion der USA, Panem, werden alljährlich die Hungerspiele veranstaltet. Was sich nach jeder Menge ungezwungenem Spaß anhört, ist in Wirklichkeit bitterer Ernst. Jeder der 12 Distrikte Panems muss einen Jungen und ein Mädchen im Alter von 12 bis 18 Jahren stellen, die in einer blutigen Battle Royale ums Überleben kämpfen. Als Katniss junge Schwester für die Spiele aufgestellt wird, meldet sie sich freiwilig um das Leben ihrer Schwester zu retten...
Es hat echt verdammt viele Vorteile, wenn man so‘ne Freundin hat. Für mich jedenfalls. Gut, sie steht nicht auf Sexploitation – wer kann’s ihr verübeln – und sie hat nichts übrig für 80er Jahre Teeniekomödien – muss ja auch nicht. Aber sie toleriert meinen Filmgeschmack und lässt mich große Teile der Wohnung mit „Puppen“ vollstellen. Und mein „Jay und Silent-Bob schlagen zurück“-Poster hängt auch in der Kommandozentrale. Da kann man nichts sagen. Und einer der angesprochenen vielen Vorteile ist der, dass sie mich oft dazu bringt, mir Filme anzusehen, die ich mir so eigentlich nie angesehen hätte. BBC Jane Austen-Verfilmungen z. B. – hey, die sind durchaus ziemlich unterhaltsam… besser als die Bücher auf jeden Fall. DER STERNENWANDERER ist auch so ein Beispiel, oder DAS 10TE KÖNIGREICH. Da hätte ich jedes Mal was verpasst. Der neuste Fall ist das heutiger Besprechung zu Grunde liegende Werk DIE TRIBUTE VON PANEM.
Man kann nicht sagen, dass ich dem Film gegenüber positiv eingestellt war, man kann nicht sagen, dass ich dem Film gegenüber negativ eingestellt war. Gleichgültig ist das passende Wort. Ich habe ihn nicht als BATTLE ROYALE für Twilight-Fans diskrediert, aber ich hatte auch nicht das Bedürfnis ihn zwingend sehen zu müssen. Dann aber bekam meine Freundin zum Geburtstag den ersten Teil der Roman-Trilogie – und verschlang das Buch in zwei Tagen. Und das ist sogar für meine Freundin schnell. Muss wohl spannend gewesen sein. Dann hatte sie den Wunsch geäußert, doch zumindest mal den Trailer anzuschauen. Danach war ich angefixt. Also, der letzte Kinobesuch war auch schon wieder ein Weilchen her – ich steh ja mehr auf Heimkino, nech – also sind auf ins Kino. 9,90€ pro Karte haben mich zwar ein wenig geärgert – so ist das, wenn man auf diese widerlichen Multiplex-Konzerne ohne einen Funken Seele angewiesen ist – aber, was tut man nicht alles für seine Freundin.
Und für sich, wie sich noch herausstellen sollte, denn DIE TRIBUTE VON PANEM ist weder BATTLE ROYALE noch TWILIGHT, DIE TRIBUTE VON PANEM ist einfach ein ziemlich guter Film… ups, jetzt hab ich dem Fazit vorgegriffen. Naja, ihr lest trotzdem weiter, stimmt’s? Stimmt’s??
Das Drehbuch aus der Feder des Regisseurs Gary Ross sowie Suzanne Collins – ihres Zeichens Autorin der Roman-Trilogie – sowie Billy Rays lässt sich viel Zeit, um die Welt der 12 Distrikte von Panem zu etablieren. Ohne zu stark auf die Hintergründe und die Geschichte der dystopischen Welt einzugehen, was leicht zu einer Entmystifizierung führen kann, lernt der Zuschauer, was es bedeutet in einem der Distrikte in dieser Zukunft zu leben.
Vor allem der Charakter der Katniss, Hauptperson dieser düsteren Zukunftsvision, wird gekonnt und mit viel Gefühl für die Charakterisierung eingeführt, so dass man als Zuschauer eine sehr starke emotionale Bindung zu dieser Figur aufbauen kann, sie für die Laufzeit des Films nicht als Figur wahrnimmt, sondern als Leidensgenossin.
Als die Spiele dann so richtig beginnen, hängt man an ihr, fiebert mit, so wie ihre kleine Schwester mitfiebert, und hofft, dass sie dieses martialische Ritual überstehen wird. Was leicht zu einer seichten Schlachtplatte hätte verkommen können, wird somit zu einem aufregenden Thriller, dessen Hauptfigur keine 08/15-Lachnummer ist.
Auch ist den drei Autoren hoch anzurechnen, dass sie – wie auch in der Vorlage – der Verlockung widerstanden, aus der angedeuteten Dreiecksbeziehung zwischen Gale, Peeta und Katniss eine romantisch verklärte Sülznummer zu machen – man denke da nur mit Unbehagen an Twilight, diesen Bravo-Fotoroman für Fortgeschrittene.
Sicherlich wird dieser Aspekt der Handlung in den hoffentlich noch kommenden Teilen vertieft werden. Doch im ersten Teil, dessen Hauptaugenmerk auf den brutalen Hungerspielen liegt, bleibt dies nur eine Randnotiz und wird somit nur in vertretbaren Dosen verabreicht.
Sicher, der eine oder andere Fauxpas ist nicht zu leugnen. So wurde zum Beispiel eine wichtige und anrührende Szene – wenn ihr sie seht, wisst ihr wovon ich schreibe – des – im Roman – größeren emotionalen Moments beraubt und im Sinne einer actionreicheren Version geändert, auch bleibt die eine oder andere Nebenfigur ein wenig blass, doch so etwas passiert den Besten und lässt sich durch 142 spannende, mitreißende Minuten entschuldigen.
Gary Ross – der als Autor unter anderem für das respektierte Drehbuch zu SEABISCUIT aber auch für PLEASENTVILLE verantwortlich zeichnete und selbst Regie führte – schafft es also, dieses durchaus gelungene Drehbuch in einen atemberaubenden und packenden Film zu verwandeln, der einen von der ersten bis zu letzten Minute mitfiebern lässt. Und das trotz Wackelkamera. Ja, ganz ehrlich, ich hasse Wackelkamera und Stakkato-Schnitt, ich verabscheue diese Ausgeburten des modernen Kinos – und bin noch immer der festen Überzeugung, dass DAS BOURNE ULTIMATUM ohne noch viel besser geworden wäre – aber, bei Darwin, wenn es je einen Film gegeben hat, bei dem diese Art der Kameraführung seine Berechtigung hat, dann ist es DIE TRIBUTE VON PANEM. Klar, das Ganze hätte auch auf die althergebrachte Art und Weise funktioniert, dennoch schafft es diese Technik mich als Zuschauer noch tiefer ins Geschehen zu ziehen.
Jennifer Lawrence überzeugt indes mit angenehmer Natürlichkeit und einer unaufdringlichen Art, die vom Leben gebeutelte und willensstarke Katniss zu spielen. Es tut gut, in der Hauptrolle eines solchen Films ein Mädchen zu sehen, das nicht „von der Stange stammt“ und mehr als einen Gesichtsausdruck zu bieten hat – ja, ich meine dich, Schneewittchen. An ihrer Seite spielt Josh Hutcherson und wirkt sympathisch genug, ihm nicht einen Pfeil in die Brust zu wünschen, um seiner Rolle gerecht zu werden, aber gerade unsympathisch genug. Von Liam Hemsworth gibt’s, abgesehen von einer gewissen Ähnlichkeit zu David Boreanaz, (noch?) nicht viel zu sehen, doch er gibt schon jetzt einen angenehmen Charakter. Bleibt letztlich noch die Rolle des Haymitch Abernathy, einem alten abgesifften Säufer. Woody Harrelson. Passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
In diesem Sinne: „Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."
So sehr habe ich mich lange nicht mehr für eine Jugendbuchverfilmung begeistern können. Noch nie um genau zu sein. DIE TRIBUTE VON PANEM sind spannendes und actiongeladenes Kino, das sich trotz aller Aufregung Zeit nimmt um die Welt der 12 Distrikte und seine Figuren zu etablieren, emotional greifbar zu machen. Ein wahres Feuerwerk also, bei dem von Anfang bis Ende gebannt zuschaut und die Welt um sich herum – und den ein oder anderen kleineren Patzer – vergessen kann. Und jetzt, entschuldigt mich bitte. Jetzt besorg ich mir erst mal die Actionfiguren zum Film. Und dann les ich die Bände 2 und 3 – denn ich will unbedingt wissen wie’s weitergeht.