OT: Les Diaboliques
THRILLER: F, 1955
Regie: Henri-Georges Clouzot
Darsteller: Simone Signoret, Véra Clouzot, Paul Meurisse, Charles Vanel
Michel Delasalle, Leiter eines Knaben-Internats, ist ein wahres Scheusal. 120% toxische Männlichkeit. Die bekommen nicht nur seine Schüler und KollegInnen, sondern vor allem seine kränkliche und in ehelicher Duldungsstarre verharrende Gattin Christina (auf deren Kosten er weitgehend lebt) und seine robuste, mit frontaler Vitalität gesegnete Geliebte Nicole schmerzhaft zu spüren. Michels misogyne Ausdünstungen haben beide unterschiedlichen Damen offensichtlich ihre Rivalitäten vergessen und ein freundschaftliches, aus dem verbindenden Hass gegen ihren Peiniger gewirktes Band knüpfen lassen, an dem sie sich gegenseitig immer wieder aus dem Sumpf der libidinösen Kalamitäten zu ziehen versuchen.
Doch irgendwann ist auch dieses Band überdehnt und es kommt, wie es kommen muss: die bruchfeste Nicole bedrängt das reine Gemüt der fragilen Christine mit der Idee, die Wurzel ihres gemeinsamen Übels ein für alle Mal auszurupfen: gemeinsam soll man sich spornstreichs daran machen, Michels irdisches Gastspiel vorzeitig zu beenden. Die von den Schranken der Sittsamkeit und der christlichen Nächstenliebe umhegte Christine tut sich zunächst schwer mit dem Gedanken, dem eigenen Gatten das Lebenslicht auszublasen, doch nach einigem Hin und Her gelingt es ihr, die sedierende Kräfte ihres Gewissens zu überwinden und die Fesseln des christlich verbrämten Moral abzustreifen: der teuflische Michel wird von seinen beiden Gespielinnen zunächst betäubt, dann in der Badewanne ertränkt und schließlich, als Unfallopfer drapiert, im Swimmingpool des Internats versenkt.
Blöd nur, dass der Leichnam am nächsten Tag spurlos verschwunden ist.
Eine geheimnisvolle und beunruhigende Tatsache, die - gemeinsam mit den unverheilten Wundrändern, die der Mord in ihrer Psyche hinterlassen hat unsere arme Christina immer tiefer in die eigenen Abgründe blicken lässt ...
Es gibt Filme, über die geht die Geschichte hinweg. Sie verwesen rückstandsfrei in den zerebralen Banlieues ihrer Zuseher. Und es gibt Filme, die schreiben Geschichte, die brennen sich ein und werden zu Fundamenten, auf denen ganze Genres gründen. Clouzots raffiniert-abgründiges Meisterwerk "Die Teuflischen" ist so ein fundamentaler Film. Er ist die mit allen stilprägenden Zutaten gewürzte Ursuppe, aus der die größten Klassiker des Psychothriller-Genres schöpften. Ohne "Die Teuflischen" hätte Norman Bates kein so überspanntes Verhältnis zu seiner Mama gehabt ("Psycho", 1960), es gäbe keine Augen ohne Gesicht (1960) und keiner von uns hätte auch nur den blassesten Schimmer davon, was wirklich mit Baby Jane geschah ("Was geschah wirklich mit Baby Jane", 1962) .
Es gibt nichts an diesem Film, vor dem man nicht den Hut ziehen müsste: er hat kein Gramm Fett zu viel - hier sitzt alles richtig, passt, hat Luft - und nimmt einem gleichzeitig den Atem. Denn der Film entwickelt neben all dem Suspense und seiner Raffinesse auch eine Zwangsläufigkeit, eine Konsequenz, die unausweichlich macht - weil sie den Verfall der Protagonistin auf uns überträgt: man kann tatsächlich mitfühlen, was Charlot umtreibt und immer tiefer in ihr Rabbithole hinunterzieht.
Auch wenn man als Thriller-geeichter Cineast den einen oder anderen Haken, den die Geschichte schlägt, durchaus voraus ahnen kann, tut das dem Vergnügen keinen Abbruch - dafür ist die spannungsgeladene Atmosphäre zu dicht gewebt, dafür treiben die unheilvollen Ereignisse zu tiefe Schneisen in die ohnehin nur schlecht unterkellerte Befindlichkeit unserer Heldin, dafür ist die elegante Inszenierung einfach zu makellos und der in homöopathischen Dosen eingestreute rabenschwarze Humor zu spitz.
Apropos rabenschwarzer Humor: irgendwann, im Laufe des Films, bereichert ein eigentümlicher Charakter die Szenerie mit seiner schrulligen Anwesenheit. Ex-Kommissar Alfred Fichet. Ein etwas verwahrlostes und mit allerlei schratigen Manierismen ausgestattetes Männchen im zerknautschen Trenchcoat, das zunächst einen verwirrten und geistig eher unbeschenkten Eindruck vermittelt. Tatsächlich schlummert unter der unbedarften Oberfläche aber ein wacher Geist und kriminalistischer Tausendsassa - und es müsste schon mit allen Teufeln dieser Welt zu tun haben, wenn eben dieser Alfred Fichet nicht als Blaupause für Peter Falks Columbo herangezogen wurde. Aber das nur nebenbei.
"Du verachtest mich!" - "Nicht einmal das ..." - So einen Dialog muss man erst mal bringen. Wer eine Frau dabei beobachten will, wie sie angesichts eines abgründigen Murder-Mistery-Gemengelages auseinander zu fließen droht wie kaputte Mayonnaise, der sollte sich von Hernri-Georges Cluzots zeitlosem und stilprägenden Meisterwerk "Die Teuflischen" die Netzhaut belichten lassen.
Wie schrieb anno Tobak DIE TAGESZEITUNG? "Sie mögen es, wenn das Herz rast bis zum Zerspringen? Wenn Sie aus Verzweiflung Ihren Nachbarn kneten oder unter seine Jacke flüchten? Wenn Sie in die Sitzlehne des Vordermanns beißen möchten, damit alles ganz schnell vorbei ist? Sie müssen Die Teuflischen anschauen." Word!