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Die Reise zum Mond / Die unmögliche Reise

Die Reise zum Mond / Die unmögliche Reise

OT: Le Voyage dans la Lune / Le Voyage à travers L'impossible
SCIENCE-FICTION: Frankreich, 1902
Regie: Georges Méliès
Darsteller: Georges Méliès, Jeanne d'Alcy

STORY:

Eine Gruppe von abenteuerlustigen Forschern unternimmt eine Reise zum Mond, kämpft dort gegen die lustigen Mondbewohner und purzelt zurück zur Erde. Die unmögliche Reise führt nach allerhand Abenteuern sogar zur Sonne - Gott sei Dank haben die mutigen Reisenden aber genug Eis mit, um sich zu kühlen.

KRITIK:

Am Anfang war es pure Neugier.

Zu Beginn des 20. Jahrhundert schien alles möglich: Elektrisches Licht flutete die Metropolen, seit 1900 fuhren in Paris elektrische Züge unter der Erde, ein Jahr später zeigten die Wright Brothers, dass den Menschen auch Flügel wachsen können. Und seit Dezember 1895 konnte man mittels eines Kinematograf bewegte Bilder auf der Leinwand erscheinen lassen. Dies war die Welt von Georges Méliès. Die Welt eines Visionärs, der an den Film glaubte, weil er durch und mit ihm seine Visionen lebendig werden lassen konnte.

Als 1902 Méliès die Reise zum Mond nach Ideen von Jules Verne und H.G. Wells drehte, betrat er damit absolut unerforschtes Neuland. Niemals zuvor hatte es einen Science-Fiction-Film gegeben. Es gab nicht einmal richtige Filme oder Kinos. Filme waren Attraktionen auf Jahrmärkten, und ihr Inhalt beschränkte sich in der Regel darauf, Alltagsszenen festzuhalten.

Aber Méliès wollte mehr: Er wollte seine Zuschauer verzaubern. Dazu baute er ein Filmstudio - das erste in Europa. Und er begann zu experimentieren. Er nutzte seine Erfahrungen als Illusionist am Theater, um sein Publikum in Erstaunen zu versetzen. Er arbeitete mit beweglichen Bühnenbildern, doppelten Böden, falschen Perspektiven und Spiegeleffekten. Keiner dieser Tricks war neu. Neu waren aber die Möglichkeiten, die der Film bot. Stopptricks, Überblendungen, Doppelbelichtungen und Teilbelichtungen, bei der ein Teil des Bilds unbelichtet bleibt und erst zu einem späteren Zeitpunkt komplettiert wird.

All diese Tricks nutzte Méliès, um eine Illusion zu erzeugen. Seine Effekte waren kein Selbstzweck, sondern sie gaben ihm überhaupt erst die Möglichkeit, im Studio zu bleiben, um dort eine unabhängige Fantasiewelt zu errichten. In dieser Fantasiewelt entführte er sein Publikum, wohin er wollte. Méliès lag es fern, die Realität abzubilden. Wenn man heute über die kindliche Naivität schmunzelt, etwa über die witzigen Mondbewohner - die insektenhaften Seleniten - die sich in Rauch auflösen, wenn man sie mit dem Regenschirm berührt, dann hat Méliès auch nach 110 Jahren sein Ziel erreicht.

In seinen Filmen gewinnt immer die Fantasie. Auch eine Reise zum Mond ist möglich, wenn man nur daran glaubt. Der spinnerte Wissenschaftler, der vor der Akademie seine zweifelnden Kollegen davon überzeugen will, ist nicht zufällig ein Magier statt eines nüchternen Wissenschaftler mit weißem Kittel und Brille - es ist Méliès selbst.

VOYAGE DANS LA LUNE wird in 30 Tableaus erzählt. 30 Bühnenbilder, alle einzeln entworfen in mühevoller, wochenlanger Kleinarbeit. Wir sehen das industrialisierte Frankreich, den Flug zum Mond, einen Traum voller Sterne, eine Höhle und sogar eine Unterwasserwelt. Zwischentitel gab es keine - Méliès strebte die Visualisierung in ihrer reinsten Form an. Für die weniger fantasiebegabten Zuschauer gab es einen begleitenden Text, der von einem Erzähler vorgetragen werden konnte. Und um die damals gängige Praxis der Vorführer zu unterbinden, die Reihenfolge der Szenen bis zur Sinnentstellung zu verändern, blendete er von einem Tableau zum nächsten über. Nebenbei wird so der Erzählfluss etwas flüssiger.

1902 hatte Méliès seine Filmsprache gefunden. Danach ging es nur noch darum, Feinheiten zu perfektionieren und die Tricks spektakulärer zu gestalten. Effektvoll gelang dies in der VOYAGE A TRAVERS L'IMPOSSIBLE zwei Jahre später. Méliès ist hier auf der Höhe seiner Kunst. Egal ob eine Reise durch die Alpen oder zur Sonne führt, und gleich, ob er seine Abenteurer ins Krankenhaus schickt oder in einem Eisblock einfrieren lässt, Méliès Fantasie und Spieltrieb kennt keine Grenzen. An diesem Punkt hat er alles gezeigt, was seine Filmkunst zu zeigen in der Lage ist.

Natürlich ist das nicht mit der heutigen Filmkunst zu vergleichen. Die Bilder sind statisch, die Möglichkeiten der Montage kennt Méliès nicht. Aber ein solcher Vergleich hinkt, weil er vom heutigen Stand ausgeht und nur registriert, was fehlt. Losgelöst von diesem Standpunkt erkennt man dagegen, was Méliès aus dem Nichts zauberte.

VOYAGE DANS LA LUNE war in Frankreich ein großer Erfolg und sehr einflussreich. In Spanien entstand nur sechs Jahre später ein 1:1-Remake. Doch Méliès war kein Kaufmann. Während er Kopien seiner Filme teuer verkaufte, entstand in den USA die Idee des preiswerteren Filmverleih. Der Verleih sorgte für eine höhere Nachfrage, und er reagierte auf Nachfrage, indem er den Markt mit illegalen Schwarzkopien versorgte. So wurden aus fünf verkauften Kopien Hunderte, an denen Méliès nichts verdiente.

Dazu kam, dass Méliès sich gegen jede Neuerung der Filmsprache wehrte. Seine Filme wurden schnell altmodisch. Er war in seiner Welt, die er erschaffen hatte, gefangen. Und er war nicht bereit, sie aufzugeben. Bereits zehn Jahre nach seiner Erstürmung des Weltraum war Méliès wieder am Boden, mittellos und verarmt. Die meisten seiner Filmnegative wurden zu Schuhsolen verarbeitet. Der erste Weltkrieg begrub dann auch die Erinnerung an ihn.

Doch nicht alles ist verloren. Im Laufe der Zeit tauchen immer wieder Fundstücke auf. Und darunter sind auch Überraschungen. Eine handkolorierte Version seiner Reise zum Mond etwa. Aufwendig restauriert und unterlegt mit den fluffigen Klängen der französischen Elektropopkünstler von Air wurde sie zur Eröffnung der Filmfestspielen von Cannes gezeigt. Und siehe da: der Soundtrack von Air ist ein Dialog, der mit den alten Bildern wunderbar harmoniert.

Und auf einmal sind Méliès bunte Fantasien wieder das, was sie mal waren: eine Reise in die Zukunft, die heute eine in die Vergangenheit ist. Eine Reise zu unserer Kindheit und zu den Ursprüngen dessen, was wir heute so lieben. Jetzt erstrahlt sie im schönsten Glanz.

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FAZIT:

Surfin' on a Rocket. Airs blubbernden Klangteppiche schmeicheln Méliès' wunderbarer Welt voll kindlicher Naivität. Sie laden ein, die Ursprünge des Kinos neu zu entdecken. Eine Zeit, in der alles möglich schien. Und auch alles möglich war - zumindest in der Fantasie. Man musste es nur auf die Leinwand bannen.

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WERTUNG: 9 von 10 vermutlich halluzigenen Pilzen auf dem Mond
TEXT © Marcel
Dein Kommentar >>
Erich H. | 29.04.2012 16:35
Danke, Marcel, für diese Besprechung.
Und das sie hier erscheint, beweist, dass filmtipps.at nicht zu Unrecht als eine der besten Filmsites gilt.
Ganz nebenbei gebe ich Chris Recht, denn Melies' Werke brauchen sich sicherlich nicht hinter heutigen FX-Werken verstecken, vor allem, wenn man auf das Alter schaut
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Chris | 28.04.2012 09:06
Trippy! Sowohl Film als auch Musik. Danke für den Tipp! Und für einen
so unglaublich alten Film ist die Tricktechnik unglaublich gut. : )
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