OT: The Night of the Hunter
PSYCHOTHRILLER: USA, 1955
Regie: Charles Laughton
Darsteller: Robert Mitchum, Shelley Winters, Lillian Gish, Billy Chapin
Der falsche Prediger Harry Powell teilt eine Gefängniszelle mit dem zum Tode verurteilten Räuber Ben Harper. Als dieser im Schlaf redet, erfährt Powell, dass nur Harpers Kinder das Versteck zu dessen letzter Beute -10.000 Dollar- kennen. Als Harper gehenkt und sein Zellengenosse aus dem Gefängnis entlassen wird, macht sich der religiös fanatische Frauenmörder Powell sofort auf dem Weg zu Harpers Farm, wo eine Witwe allein mit ihrenn beiden Kindern John und Pearl lebt ...
Hänsel und Gretel...
Heißen hier John und Pearl. Doch es sind ebenfalls zwei elternlose Kinder aus ärmlichen Verhältnissen. Sie leben allerdings nicht im Deutschland längst vergangener Zeiten, sondern im Hinterland Ohios zu Zeiten der Depression. Auch sie werden sich hungrig und elternlos in der Wildnis wiederfinden. Nur wurden John und Pearl nicht von den Eltern verstoßen wie ihre deutschen Pendants; nein, ihr Vater wurde im Gefängnis gehenkt und die Mutter bestialisch ermordet. Als der Wolf das Haus einnimmt, müssen die Schäfchen fliehen. Wie Hänsel und Gretel. Hinaus in eine finstere, ungewisse Nacht. Sie haben keine Brotkrumen dabei. Nur das Versprechen, das sie dem Vater gegeben haben, dass sie niemanden das Versteck des gestohlenen Geldes verraten werden.
Der Wolf...
Das ist Robert Mitchum in der Rolle des falschen Predigers Harry Powell. Das tätowierte Wort "Love" auf den Fingern der rechten, "Hate" auf den Fingern der linken Hand. Sein Springmesser nennt er "Gottes Schwert der Rache". Er ist wahrscheinlich impotent und hasst Frauen. "Ruhe, ruhe, ruhe in des ewig treuen Gottes Arm...", singt er. Er ist ein bigotter, religiös fanatischer Serienmörder, der es auf Witwen und Geld abgesehen hat.
DIE NACHT DES JÄGERS...
Ein pechschwarzes Märchen für Erwachsene. Die Hochzeit von Grimm'schen Motiven mit dem Thriller Noir und dem Serienkillerfilm. Eine Liason, die durchaus beabsichtigt war. Davis Grubb, der die Romanvorlage geliefert hat, hatte einmal den Fu Manchu-Schöpfer und Pulp-Autoren Sax Rohmer sowie den Märchenerzähler Hans-Christian Andersen als literarische Vorbilder genannt.
Als man dem gelernten Schauspieler Charles Laughton die Verfilmung von Grubbs Roman in die Hände gelegt hatte, hat dieser die märchenhaften Komponente in der ansonsten bitter realistischen Frauenmörder-Mär genau erkannt und explizit herausgearbeitet.
Auch wenn es immer wieder Fingerzeige in die Märchenwelt gibt (so gibt Mitchums Figur im Zustand der Wut oder des Schmerzes Laute von sich, die mehr animalisch als menschlich anmuten; so stehen diverse Tiere wie Fuchs, Hase, Spinne und Kröte bei den nächtlichen Flußfahrten der Kinder Spalier); DIE NACHT DES JÄGERS verliert nie wirklich den Bezug zur Realität. Was wohl auch der Grund war, dass Laughtons Film seinerzeit gnadenlos gefloppt ist. War Grubbs Roman damals ein Bestseller, so schien das Kinopublikum in den 50ern überfordert mit der sinistren Bösartigkeit dieses zeitlos düsteren Psychothrillers, der erst Jahrzehnte später seine verdiente Anerkennung als Meisterwerk der Filmgeschichte gefunden hat.
Da freilich hatte sich Charles Laughton, den die öffentliche Ablehnung seines Debütfilms schwer getroffen hatte, schon längst aus dem Regie-Fach komplett zurückgezogen und sich fürderhin nur noch der Schauspielerei gewidmet. Schade. Ich bin mir sicher, der Mann hätte sicherlich noch die eine oder andere Glanztat in petto gehabt.
Was bleibt, ist dennoch ein großes Vermächtnis. Eine gleichsam in düstere, beklemmende wie auch lyrisch-eindrucksvolle Bilder gekleidete Flucht. Die Flucht von zwei unschuldigen Kindern vor dem bösen Wolf, dem Schwarzen Mann, der auf einem gestohlenen Pferd neben den Ufern eines dunklen Flußes reitet und höhnisch religiöse Psalme singt...
Folgerichtig hat Koch Media diesen Film als Nummer 1 ihrer neuen "Masterpieces of Cinema"-Reihe auserwählt und ihn dieser Tage in einer Blu-ray/DVD-Kombiversion veröffentlicht, die bild- und tontechnisch keine Wünsche offen lässt und der zudem ein kurzer, aber interessanter Text zum Film in Form eines Booklets beiliegt.
Robert Mitchum als Schwarzer Mann verfolgt zwei Kinder, die als Einzige das Versteck zur Beute eines gehenkten Raubmörders kennen ...- Charles Laughton erzählt seine Serienkillergeschichte mit den Stilmitteln des Film Noir und eines düsteren Märchens. Expressionistische, mal lyrische, mal beklemmende Schwarz/weiß-Bilder sowie eine zeitlose Bösartigkeit kennzeichnen diesen grandiosen Psychothriller aus den Fünfzigern, der sich sogar einem PSYCHO ebenbürtig zeigt.
In diesem Sinne: "Schläft er denn niemals wie andere Menschen?"