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Die Nacht der offenen Särge

Die Nacht der offenen Särge

OT: Drácula contra Frankenstein
SATIRE: P/E/FL, 1972
Regie: Jess Franco
Darsteller: Dennis Price, Howard Vernon, Alberto Dalbés, Britt Nichols

STORY:

Dr. Frankenstein will die Welt erobern. Sein Plan: Er lässt Graf Dracula und andere Nachtschattengewächse auf die Menschen los. Sein Problem: Graf Dracula hat das Zeitliche gesegnet und liegt als Fledermaus darnieder. Aber Dr. Frankenstein ist nicht umsonst Dr. Frankenstein - und nach erfolgter Frischzellenkur macht sich Graf Dracula an hübsche, vornehmlich weibliche Hälse ran. Doch seine Widersacher sind auf der Hut: Dr. Seward etwa, der auch schon einst Dracula pfählte, aber irgendwie seitdem nur ziellos umherirrt. Und eine Hexe, die einen Werwolf auf Frankenstein hetzt. Jetzt wird es kompliziert... .

KRITIK:

Holla die Waldfee. Was sich in der Zusammenfassung schon abenteuerlich anhört, ist tatsächlich nur eine Andeutung des Wirrsinns, den der Film in seinen 80 Minuten auf die Menschheit loslässt.

Franco führt nach Belieben weitere Figuren ein, die ich jetzt nicht weiter ausführe, weil sie für die - ähm - Geschichte keine tragende Rolle haben. Das macht es Franco leicht, Filmminuten zu füllen, aber schwer, den Überblick zu behalten. Vermutlich hat Franco den selbst irgendwann verloren und sich gedacht "Was soll's"?

Und gegen wen kämpft Frankenstein eigentlich? Gegen Dracula, wie es im Originaltitel heißt? Die beiden arbeiten doch eigentlich zusammen? Oder gegen den Werwolf? Gegen die Hexe? Dr. Seward? Oder gegen aufgebrachte Dörfler? Und auf welcher Seite steht Frankensteins Monster? Und sein Diener? Oder die Vampire (oder genauer, Vampirinnen), die Dracula ankarrt? Bei dem Durcheinander fällt gar nicht mehr auf, wenn Frankenstein sich selbst von den Welteroberungsplänen verabschiedet, weil - äh? Nicht fragen.

Und es ist beileibe nicht so, dass die Beteiligten sich im Kampf gegenüberstehen müssten. Oder wenigstens in einer Szene gemeinsam zu sehen wären. Dr. Seward pfählt zwar Anfangs Dracula, aber dann irrt er mit der Kutsche von Tür zu Tür. Und die Hexe bleibt ohnehin einfach im Dorf. Erschwerend kommt hinzu, dass die deutsche Synchro auch noch andere Namen vergibt. Dracula und Frankenstein heißen da nämlich Graf Sartana und Dr. Exorcio. Wahnsinn.

Aber der Wahnsinn hat natürlich einen Namen: Jess Franco. Und anlässlich seines 50. Films, den ich mir (freiwillig und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte) angeschaut habe, habe ich mir natürlich auch einen Franco-state-of-the-Art gewünscht.

Hoch die Tassen! Ich bin beim guten Jess wirklich viel gewohnt, aber bei diesem Film war er völlig neben der Spur. Franco tobt sich völlig hemmungslos an der Kamera aus. Es gibt keine Einstellung, in der nicht wenigstens einmal rein- oder wieder rausgezoomt wird. Und eigentlich ist sein Film in Scope gedreht. Dafür oft unscharf. Wie hat man das damals auf großer Leinwand ausgehalten?

Die Spezialeffekte sind ein Witz. Die Fledermaus sowieso. Es gibt eine Bar-Szene mit einem angedeuteten Striptease, der - wörtlich - für den Arsch ist. Sein Soundtrack verwurschtelt zwei alte Scores von Bruno Nicolai, der den Film besser klingen als aussehen lässt. Seine Stammbelegschaft - Dennis Price und Howard Vernon - gibt sich die Ehre. Bloß spielt der eine wie unter Valium, und der andere ist ohnehin total bleich geschminkt. Dafür sehen die Frauen gut aus. Britt Nichols hat da den dankbarsten Job.

Natürlich könnte man sich auch darüber echauffieren, dass mal Autos und mal Kutschen wie anno dazumal durch die Gegend kutschieren. Dass mal elektrischer Strom selbstverständlich ist und mal nicht. Dass der Film mal erkennbar in Portugal spielt und mal - wie es die Geschichte ja vorschreibt - in Transsylvanien.

Und doch ist das alles pures Kino. Franco löst Zeit und Raum auf. Kümmert sich nicht um Dialoge, sondern verzichtet mit einer Ausnahme bewusst hierauf. Dafür ergibt es Kommentare und Monologe als einzige erklärende Klammer. Ab einem gewissen Punkt nimmt alles einfach als gegeben hin. Fehler sind egal, oder man weiß nicht mehr, ob es wirklich Fehler sind.

Und genau da wollte uns Franco haben. Nur ein Wermutstropfen bleibt: Angesichts der Bedeutung (für mich) hätte ich mir Franco himself in einer schmierig surrealen Nebenrollen gewünscht. Und eine schöne DVD in satten Farben und Techniscope wäre auch schön. So bleibt nur der Verzicht.

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FAZIT:

Frankenstein nimmt vielleicht Dracula gefangen, aber Jess Franco macht keine Gefangenen: Er zimmert mit heißer Nadel den filmgewordenen Wahnsinn zusammen. Hier geht alles drunter und drüber. Es ist nicht gut. Aber es ist "In a Franco-State-of-Mind"  - und damit pures Kino.

WERTUNG: 6 von 10 unüblichen, unübersichtlichen Welteroberungsplänen
TEXT © Marcel
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Dein Kommentar >>
Johannes | 30.10.2015 15:43
Haha, Marcel auf dich ist verlass -
super Besprechung zu einem Franco den
ich noch nicht kenne. Muss ich mal
nachholen. :-)
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