OT: The Grey Zone
Drama: USA, 2001
Regie: Tim Blake Nelson
Darsteller: Harvey Keitel, David Arquette, Steve Buscemi, Mira Sorvino
Der Film "Die Grauzone" dokumentiert den einzigen bewaffneten Aufstand, den es im Vernichtungslager Ausschwitz gegeben hat: Im Oktober 1944 gelang es Mitgliedern von sogenannten "Sonderkommandos", mittels geschmuggelten Sprengstoffs zwei Krematorien zu sprengen. 451 der meist aus Ungarn stammenden jüdischen Häftlinge wurden daraufhin von der SS ermordet, die Vernichtungsmaschinerie lief weiter ...
KRITIK:
"Sonderkommandos" waren wohl das grausamste Beispiel für die perfide Strategie der SS, die Schuld am industriellen Massenmord in den KZs auf ihre Opfer abzuwälzen, sie zu Komplizen zu machen: Vornehmlich junge, gesunde jüdische KZ-Häftlinge wurden von der SS gezwungen, in den Vernichtungslagern besonders dreckige "Arbeiten" zu übernehmen: Die Gaskammern zu reinigen, die Goldzähne aus den Leichen zu brechen, die Leichen zu verbrennen, etc. Wer sich weigerte, wurde sofort erschossen. Viele zogen den Selbstmord einer Exekution vor. Diejenigen aber, die gehorchten, genossen Privilegien: Ausreichendes Essen, Alkohol, Zigaretten. Und die Hoffnung, den Horror der Vernichtungslager zu überleben. Doch auch die Mitglieder der Sonderkommandos wurden nach vier Monaten ermordet und durch neue Häftlinge ersetzt ...
Der amerikanische Regisseur Tim Blake Nelson, am ehesten als Schauspieler in der Coen-Brothers- Komödie "Oh Brother, where are thou?" bekannt, hat mit "The Grey Zone" einen ungewöhnlichen und unbedingt sehenswerten Film über wenig bekannte Details der Nazi-Mordmaschinerie abgeliefert.
Der Film basiert auf historischen Fakten und Tagebuchaufzeichnungen von KZ-Häftlingen, auf die Nelson bei Nachforschungen über seine eigenen jüdischen Wurzeln stieß.
Dennoch wollte kein Hollywood-Studio diesen ambitionierten Film finanzieren. Zu kontroversiell, zu radikal, zu "unkommerziell" erschien den Hollywood-Bossen Tim Blake Nelsons Vorhaben.
Ermöglicht wurde der Film von ungewöhnlicher Seite: Die israelisch-stämmigen B-Filmproduzenten Avi und Danny Lerner, die ansonsten die RTL2-Sender dieser Welt mit preisgünstig in Bulgarien produzierter Haudrauf-Actionware füttern, waren begeistert von der Idee, einen radikalen, unsentimentalen Film über ein wenig bekanntes Detail des Holocaust zu drehen. Die Finanzierung durch B-Film-Produzenten ist dabei Segen und Fluch zugleich: Segen, weil geringe Budgets üblicherweise mehr künstlerische Freiheit bedeuten: Ein großes Hollywood-Studio hätte dem Regisseur nie und nimmer erlaubt, vollständig auf Musik zu verzichten, mit der Handkamera zu arbeiten, und vor allem: Den Häftlingsaufstand nicht etwa heldenhaft und heroisch, sondern verzweifelt und chaotisch darzustellen. Ganz ohne Pathos, Sentimentalitäten, Heldenverehrung und Happy End.
Der Fluch dabei ist, dass Filme aus unabhängigen Produktionsfirmen von den großen Filmverleihern üblicherweise ignoriert werden. Darum lief dieser erstaunliche und diskussionswürdige Film auch nicht im Kino. Wie so viele andere sehenswerte Filme auch. Aber das ist wieder eine andere Geschichte ...
Ein höchst ungewöhliches Holocaust-Drama. Harter Stoff sowieso, und trotz einiger dramaturgischer Schwächen sehenswert und diskussionswürdig.