OT: La solitudine dei numeri primi
DRAMA: Italien, 2010
Regie: Saverio Costanzo
Darsteller: Luca Marinelli, Alba Rohrwacher, Arianna Nastro, Vittorio Lomartire, Martina Albano, Tommaso Neri
Mattia und Alice haben beide ein Trauma aus ihrer Kindheit. Während Mattia die Schuld am Verschwinden seiner geistig behinderten Schwester trägt, schleppt Alice seit einem Skiunfall und einer dabei erlittenen Hüftverletzung ihr linkes Bein hinterher. Schon als Jugendliche lernen sich die beiden kennen, haben aber trotz offensichtlicher seelischer Nähe nie eine körperliche Beziehung zueinander.
Nachdem "La solitudine dei numeri primi" des italienischen Autors Paolo Giordano bereits 2008 zum Bestseller avancierte, nahm sich sein Landsmann und Filmemacher Saverio Costanzo dem Stoff an und präsentierte den gleichnamigen Film letztes Jahr in Venedig. Fast genau ein Jahr später kommt er nun auch in die heimischen Kinos.
Der Film zeigt drei verschiedene Lebensphasen der beiden Hauptfiguren, die allerdings nicht chronologisch erzählt werden, sondern sich immer wieder gegenseitig ablösen. Geschildert wird dabei zum Einen die Zeit in der Kindheit vor dem Erleben der traumatischen Ereignisse, außerdem wie sich die beiden als Jugendliche kennen lernen und schießlich wie sie als Mittzwanziger offensichtlich immer noch nicht gänzlich zueinander gefunden haben.
Natürlich könnte es sein, dass Costanzo diesen Erzählstil gewählt hat, um die Auswirkungen eines einzelnen, verstörenden Kindheitserlebnisses auf den Rest des Lebens besonders stark aufzuzeigen. Doch so recht glauben kann man das nicht. Dies liegt vor allem daran, dass die Kindheitsszenen fast ständig wie Cliffhanger abgeschnitten werden. Man braucht nun wirklich keine Inhaltsangabe gelesen zu haben, um schon nach wenigen Minuten zu verstehen, was den beiden Leidenden Schreckliches widerfahren ist. Um zwischen den Bildern des einerseits glücklichen Mädchens, das eines Morgens einfach keine Lust auf Skifahren hat, von ihrem Vater aber dennoch auf die Piste geschickt wird, und andererseits der humpelnden Erwachsenen einen Zusammenhang zu erkennen, braucht es kein Genie.
Ebenso wenig um zu realisieren, dass das Problem des selbstzerstörerischen Jugendlichen vielleicht etwas mit seiner nur in den Kinderszenen vorkommenden, geistig behinderten Schwester zu tun haben könnte.
Dennoch nutzt Costanzo seinen Stoff aus, um immer wieder eine Pseudospannung aufzubauen, die dem Zuseher schon nach kurzer Zeit gewaltig auf die Nerven geht. Auch durch die Musik wird immer wieder aufs Neue impliziert, dass schon sehr bald etwas ganz Furchtbares passieren könnte. Und dann kommt wieder ein Cut. Wenn der weitere Verlauf der Story aber so offensichtlich ist wie hier, funktioniert das einfach nicht.
Dieses Grundproblem vernichtet bereits jegliches in der Geschichte sicher vorhandenes Potenzial. Da ist es dann im Prinzip auch schon egal, dass die Symbolik, die über das Primzahlenspiel (die nur durch sich selbst und Eins teilbare Primzahl wird als Zeichen der Einsamkeit gesetzt) ohnehin nie hinausgeht, derartig plump eingebunden wird, dass eine Nebenfigur ausgerechnet bei ihrer Hochzeit plötzlich eine mathematische Rede halten muss.
Um zumindest einen Aspekt positiv herauszustreichen, müssen die beiden Hauptdarsteller lobend erwähnt werden. Der Tiefgang des Filmes ist entweder nicht vorhanden oder aber durch das unpassende Storytelling völlig unsichtbar geworden. Aber wenn es irgendeine Hoffnung gibt, an dem Film dennoch etwas zu finden, liegt er in Luca Marinelli und insbesondere an Alba Rohrwacher.
"Primzahlen" ist eine leider völlig missglückte Romanverfilmung. Auch die wirklich starken Hauptdarsteller können das auf Pseudo-Spannung setzende und äußerst leere Drama nicht füllen.