OT: Brothers Grimsby
KOMÖDIE: GB, 2016
Regie: Louis Leterrier
Darsteller: Sacha Baron Cohen, Mark Strong, Penélope Cruz, Rebel Wilson, Isla Fisher, Scott Adkins
Nobby lebt mit seiner Frau und (mindestens) neun Kindern in der britischen Kleinstadt Grimsby - Partnerstadt von Tschernobyl. In der gemeinsamen Sozialwohnung gibt es ein leeres Zimmer für seinen Bruder Sebastian, der seit 28 Jahren verschollen ist. Was niemand weiß: Sebastian ist ein Top-Agent des MI6. Das Schicksal führt die ungleichen Brüder auf einer Wohltätigkeitskonferenz zusammen. Doch die Wiedersehensfreude währt nur kurz: Der WHO-Direktor wird erschossen, Daniel Radcliffe infiziert sich mit HIV, und alles, was in England eine Waffe trägt, ist hinter Sebastian her. Der kann die Hilfe seines Bruders nun sehr gut gebrauchen ...
"Die Grenzen des guten Geschmacks" heißt ein Song von Tocotronic. Sacha Baron Cohen muss ihn verinnerlicht haben.
Tocotronic gibt's in diesem Film zwar nicht zu hören, wohl aber britische Pop-Klassiker von Blur, Madness, Chumbawamba und Oasis, die bestens mit der Noel Gallagher-Gedächtnisfrisur harmonieren, die im Film Sacha Baron Cohens Haupt ziert. Und nur humorlose Spaßbremsen werden einwenden, dass heutzutage kein Mensch mehr so aussieht. Nicht einmal in Gross(out)britannien.
Wie bei jedem neuen Cohen-Film blieben die Kontroversen nicht lange aus: Erdreistet sich da ein privilegierter Multimillionär, Arme, Abstiegsgefährdete und sozial Benachteiligte (Unterschicht sagt man ja nicht) vorzuführen? Dieser Vorwurf ist natürlich Blödsinn. Cohens Unterschicht-England hat mit der Realität ungefähr so viel gemein wie Borat mit dem echten Kasachstan oder Brünos Heimatstadt mit Klagenfurt. Und außerdem lacht Cohen nicht über den übergewichtigen, dauerbetrunkenen, rauflustigen, bildungsfernen "Abschaum", sondern mit ihm. Ja, in den (wenigen) ruhigen, gefühlvollen Momenten gelingt es Cohen tatsächlich, Empathie für seine Protagonisten aus der Arbeiterklasse zu wecken.
Mich würde ja eher interessieren, wie der Film im Weißrussland aufgenommen wird. Hört doch der Oberbösewicht auf den schönen Namen Lukaschenko. Aber diese potentiell durchaus nicht geringe Provokation verhallte völlig unbemerkt. Anscheinend fehlt der Empörten-Fraktion unter der schreibenden Kollegenschaft schlicht die nötige politische Allgemeinbildung, um die Anspielung überhaupt zu verstehen. Lieber echauffiert man sich das Naheliegende - die Geschmacklosigkeit des Films, die diesmal - und das ist keine leere Phrase - tatsächlich alle erdenklichen Grenzen hinter sich lässt.
BROTHERS GRIMSBY ist ein völlig überdrehtes Feuerwerk an geistesgestörten Gags, die selbst Menschen, die glauben, schon alles gesehen zu haben, noch verblüffen wird. Ich will jetzt gar nichts vorwegnehmen. Am besten unterhält man sich, wenn man sich diesem grotesken, vollkommen unbeschreiblichen Irrsinn unvorbereitet aussetzt. "Ich wünschte, ich hätte ihn nie gesehen" schrieb ein offensichtlich schwer traumatisierter Kollege der deutschen Zeitung Die Welt, und gelangte zu folgender nobelpreisverdächtiger Erkenntnis: "Ich glaube, wer bei so einem Film lacht, kann kein Mensch sein."
Ich muss ein ganz, ganz schlechter Mensch sein, denn ich habe mich - pardon my language - fast angebrunzt vor Lachen. Und jetzt lasse ich mir mein neues Lieblingswort "Elefantenbukkakeparty" auf den Schwanz tätowieren. So.
Nach Ali G., Borat, Brüno und Admiral General Aladeen ist Sacha Baron Cohen Nobby Butcher, klassenbewusster Bürger der britischen Sozialhilfeempfängerstadt Grimsby, der zum Agenten wider Willen mutiert. Irgendwo zwischen actiontechnisch erstaunlichem Agentenfilm und Gross-Out-Komödie an der Grenze zum filmischen Ekeltraining angesiedelt, gelingt Cohen ein Freudenfest für Brachialhumor-Connaisseure, das zumindest dem Autor dieser Zeilen Lachkrämpfe an der Grenze zum Erstickungsanfall beschert hat.
In diesem Sinne: "Heroin! - Das ist eine Einstiegsdroge!"