OT: Carnage
GESELLSCHAFTSSATIRE: Deut., Fr., Pol, 2011
Regie: Roman Polanski
Darsteller: Kate Winslet, Christoph Waltz, Jodie Foster, John C. Reilly
Alan (Christoph Waltz) und Nancy (Kate Winslet) Cowen treffen sich mit Michael (John C. Reilly) und Penelope (Jodie Foster) Longstreet in deren Wohnung um einen unschönen Vorfall ihrer beiden Söhne zu besprechen. Der Sohn der Cowens hatte dem Sohn der Longstreets, mit einem Stock, zwei Zähne ausgeschlagen.
Auf zivilisierte Art und Weise versuchen die Eltern den Streit der Kinder aus der Welt zu schaffen. Man will kein grosses Drama draus machen und sich vernünftig einigen. Ganz offensichtlich ist es ja nur ein kleiner Streit, mit einem unschönen Zwischenfall, unter heranwachsenden Jungs gewesen. Anfangs scheinen die beiden Ehepaare das Ganze auch noch gut im Griff zu haben, doch gerade Penelope mit ihren hohen Wertvorstellungen und ihrem Sinn für Gemeinschaft (Gemeinschaftssinn, wie sie nicht müde wird zu betonen), provoziert das Ehepaar Cowen zunehmend. Als sie dann auch noch Ratschläge erteilt, wie sie zu leben haben, reist der Geduldsfaden von Alan und die ganze Unterhaltung läuft immer mehr aus dem Ruder.
Regisseur Roman Polanski hält uns mit Der Gott des Gemetzels einen unschönen Spiegel vor. Der Gemeinschaft, der Gesellschaft und jedem Einzelnen. Die Charaktere im Film sind Archetypen für jeden von uns. Ihre Doppelmoral, die Scheinheiligkeit und ihre Wertvorstellungen, die sie vor sich selbst zu rechtfertigen haben sind typisch für jeden von uns und zeigt auf grandiose Weise, warum unsere Gesellschaft so ist wie sie nunmal ist, woran die zivilisierte Welt erkrankt und warum sich niemand das selbst eingestehen kann.
Da ist zum einen die zivilisierte Penelope, die hohe Moralvorstellungen hat und einen ausgesprochenen Gemeinschaftssinn (ja auch ich werde nicht müde es zu betonen). Gerechtigkeit ist ihr sehr wichtig und ein Verständnis dafür, was gut und böse ist. Ihr Sohn ist schliesslich das Opfer und nicht der Täter. Aber natürlich macht sie sich auch Sorgen um den Sohn der Cowens, er solle schliesslich verstehen, was er da angerichtet habe. Alan und Nancy sollen sich darum kümmern, dass ihr Sohn das auch verstehe. Sie würde auch gerne selbst mit ihm darüber reden, denn sie hat natürlich die Wahrheit gepachtet. Ihre Fassade bröckelt recht schnell und eine verzweifelte Penelope, die ihr eigenes Weltbild nicht weiter vor sich selbst rechtfertigen kann, kommt zum Vorschein. Ihre hohen moralischen Werte kann sie selbst nicht befolgen.
Ganz anders ihr Mann Michael, auf den ersten Blick der Gutmensch, der Schlichter, der Vernünftigere der beiden. Als er jedoch anfängt zu erzählen, dass er den Hamster der Tochter ausgesetzt habe, weil er ihm einfach auf die Nerven ging, merken wir recht schnell, dass auch er nicht das zu sein scheint was er vorgibt. Später kommt dann sein wahres Ich ans Tageslicht. Eigentlich ist er ein egozentrisches Arschloch, das auf die meisten Dinge im Leben scheisst.
Alan und Nancy Cowen wirken von Anfang an als die Vernünftigeren. Sie scheinen ihr Leben besser im Griff zu haben, oder machen zumindest den Anschein. Doch bei Nancy ist alles nur Fassade. Der einzige, der die gesamte Zeit in sich zu ruhen scheint ist Alan. Seine Moralvorstellungen sind nicht unbedingt erstrebenswert, aber er kann sie vor anderen und vor allem vor sich selbst vertreten. Er bricht nur einmal in sich zusammen, als sein heissgeliebtes Handy in der Vase versenkt wird.
Der Gott des Gemetzels beruht auf dem Theaterstück von Yasmina Reza, welches das meistgespielte zeitgenössische Theaterstück weltweit ist. Im Film bewegen sich die Akteure auch nur auf einer einzigen Bühne, die Wohnung der Longstreets. Von Minute zu Minute steigert sich die Spannung. Dem Zuschauer wird nicht langweilig, auch wenn der gesamte Film nur die Unterhaltung der Ehepaare zeigt. Es gibt einige skurrile Momente im Film und Christoph Walz sorgt für viele Lacher.
Neben der ganzen Aktualität, die ihm Thema des Films steckt, kommt auch der Humor nicht zu kurz. Er wirkt aber nicht fehlplaziert, sondern bindet sich gut in das Geschehen ein. Der Film schafft es auf einfache Art und Weise uns allen den Spiegel vorzuhalten, wirkt dabei aber zu keiner Zeit ermahnend oder den Zeigefinger erhebend. Die Charaktere sind toll besetzt. Anfänglich hatte ich Zweifel, was Kate Winslet und Jodie Foster anging, aber beide passen sehr gut auf ihre Rollen und verkörpern sie wunderbar. Auch John C. Reilly spielt die Rolle des Michael glaubwürdig. Der Star des Films ist allerdings Christoph Walz, dessen schauspielerische Grösse zur vollen Geltung kommt. Roman Polanski ist eine tolle Adaption des Bühnenstücks gelungen und vor allem eine, dem Kinofilm, angemessene Umsetzung.
Der Gott des Gemetzels seit dem 24.11.2011 im Kino.
Zwei Ehepaare versuchen einen Streit zwischen ihren Söhnen zu schlichten. Die anfangs zivilisierte Unterhaltung läuft immer mehr aus dem Ruder. Roman Polanskis Adaption des Bühnenstücks von Yasmina Reza hält der Gesellschaft wunderbar den unschönen Spiegel vor. Auf sehr humorvolle Weise und ohne den Zeigefinger zu erheben zeigt er uns woran die zivilisierte Welt erkrankt ist.