DRAMA: USA, 1997
Regie: Ang Lee
Darsteller: Kevin Kline, Joan Allen, Sigourney Weaver, Tobey Maguire, Christina Ricci
Thanksgiving steht vor der Tür, doch bei Familie Wood will keine Feierstimmung aufkommen. Wie auch? Ben (Kevin Kline) von seiner Frau Elena (Joan Allen) haben ihre Paar-Therapie abgebrochen, am Küchentisch herrscht eisiges Schweigen, im Ehebett tote Hose. Seit Jahren schon. Ben hat folglich eine Affäre mit der Nachbarin Janey (Sigourney Weaver). Auch seine 14-jährige Tochter zieht es immer wieder ins Nachbars-Haus, gilt doch ihr erwachtes sexuelles Interesse Janeys Sohn Mickey (Elijah Wood) und später auch dessen jüngerem Bruder Sandy (Adam Hann-Byrd). Die Eltern vertreiben sich ihre Zeit derweil auf einer organisierten Partnertausch-Party. In dieser Nacht zieht eine Schlechtwetter-Front auf - und löst ein Unglück aus.
KRITIK:1997 inszenierte der Exil-Taiwanese Ang Lee dieses intensive Gesellschaftsdrama, das einmal mehr der gehobenen amerikanischen Mittelschicht einen Spiegel vor die Nase hält. Interessant, dass derlei Filme immer wieder von Nicht-Amerikanern inszeniert werden. Siehe auch der ziemlich zeitgleich vom britischen Regisseur Sam Mendes gedrehte American Beauty.
Schon damals zeigt sich die ganz große Stärke des Regisseurs: Die detailtreue, authentische Darstellung vergangener Epochen. Ang Lee fängt die Seventies-Stimmung exakt ein, mit allem, was dazu gehört: Breite Kotletten wachsen den Darstellern ins Gesicht, überbreite Straßenkreuzer durchqueren die Straßen zwischen den aufgeräumten Vorgärten, Lava-Lampen und pseudo-futuristisches Interieur verstellen den Platz in den biederen Vorstadt-Heimen.
Im Fernsehen lügt Nixon, politische Skandale erschütern die Nation, und die sexuelle Liberalität überfordert alle Beteiligten - emotionell wie körperlich. In einer Schlüsselszene (wer den Film gesehen hat, wird das Wortspiel verstehen ;-) gibt es den tristesten Verzweiflungssex der jüngeren Filmgeschichte zu sehen.
Der Eissturm - so schrieb einst die Wiener Stadtzeitung falter - ist eigentlich der "ultimative Katastrophenfilm" - wobei die Katastrophe hier die amerikanische Kleinfamilie trifft.
Festgehalten wird die Katastrophe in stillen, einprägsamen Bildern, wo jede Szene, jeder Übergang aufeinander abgestimmt wurde. Farblich dominiert Grau in allen erdenklichen Schattierungen - eigentlich eine Nicht-Farbe, die viel zur frösteln machenden Wirkung des Films beiträgt.
Und erst die Schauspieler: Neben Kevin Kline, Joan Allen, Sigourney Weaver und Elijah Wood hat hier Ex-Kinderstar Christina Ricci eine wunderbare Rolle als gleichermaßen rebellische, sexuell experimentierfreudige wie liebesbedürftige Göre. Gott, was hab ich mir mit 14 so eine Freundin gewünscht... ;-)
Ang Lees Gesellschafts-Drama The Ice Storm ist ein unaufdringliches und gerade deshalb so
intensives Meisterwerk der späten Neunziger.
Der - nach American Beauty - zweitbeste "Ein-Ausländer-hält-der-amerikanischen-Mittelschicht-den-Spiegel-vor"-Film.