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Der Dritte Mann

Der Dritte Mann

OT: The Third Man
FILM NOIR: GB/A, 1949
Regie: Carol Reed
Darsteller: Joseph Cotten, Alida Valli, Orson Welles, Trevor Howard,

STORY:

Der trinkfreudige und chronisch abgebrannte amerikanische Western-Autor Holly Martins (Joseph Cottom) wird von seinem Freund Harry Lime (Orson Welles) ins besetzte Wien des Jahres 1949 eingeladen. Doch kurz vor Martins Ankunft fällt Lime einem Verkehrsunfall zum Opfer - direkt vor seiner Wohnung. Martins kommt gerade noch rechtzeitig zu Limes Begräbnis am Wiener Zentralfriedhof, wo ihm der britische Major Calloway erklärt, dass Lime in krumme Geschäfte verwickelt war. Martins glaubt kein Wort und beginnt selbst mit den Nachforschungen. Dabei stößt er auf grobe Ungereimtheiten. Als kurze Zeit später der einzige unbefangene Zeuge, der Martins von einen ominösem "Dritten Mann" berichtete, ermordet wird, befindet sich auch Martins selbst in höchster Gefahr …

KRITIK:

Es ist ja nicht so, dass auf unserer kleinen Filmseite ausschließlich schießwütige Mafia-Gangster, kettensägenschwingende Hinterwäldler, lesbische Vampire und psychopathische Killer mit schwarzen Handschuhen gewürdigt werden. Obwohl man genannte Personenkreise gar nicht genug würdigen kann, wollen wir uns heute mit einem der ganz großen kanonisierten Klassiker der Filmgeschichte beschäftigen.

Willkommen im Wien des Jahres 1949: Hitler und seine österreichischen Helfer hatten die Stadt dorthin gebracht, wo sie sie haben wollten: Frei von Intellektuellen, frei von einem jüdischem Bürgertum, frei von Andersdenkenden, zerstört und in Trümmer geschossen. Die Blockwarte, Mitläufer und Kriegsgewinnler sitzen in den "arisierten" Wohnungen ihrer vertriebenem oder ermordeten Nachbarn.
Die Stadt Klimts, Freuds und Poppers ist zur Stadt von Herrn Karl und Harry Lime geworden. Zum Eldorado für skrupellose Schmuggler, Schieber und Kriegsgewinnler.

Harry Lime also. Der Mann dominiert den Film quasi aus dem Jenseits. Sein Freund Holly Martins, der Harry Lime seit Schultagen kennt, irrt durch die zerstörte Stadt, um herauszufinden, was mit Lime wirklich geschehen ist. Dabei wird er sie alle kennen lernen, die Figuren aus Limes Dunstkreis: Einen schmierigen "Baron" namens Kurtz, den merkwürdigen Arzt Winkel und eine Gestalt namens Popescu, allesamt auf ihre Weise unheimliche Erscheinungen, die den naiven und "guten" Amerikaner zutiefst verunsichern.

"You were born to be murdered."

Erbaulicher ist da schon die Bekanntschaft mit Limes Lebensgefährtin Anna, einer tschechischen Schauspielerin, in die sich Martins später verlieben wird.

"That's a nice girl, that. But she ought to go careful in Vienna."

Dass diese Liebe natürlich nicht erwidert wird, dürfte niemanden ernsthaft überraschen. Ein paar Tränchen hab ich sentimentaler alter Depp, der immer weinen muss, wenn sich naive, gutherzige Männer unsterblich in unerreichbare Frauen verlieben, natürlich trotzdem zerdrückt. Ist so ;-)

Der Dritte Mann wurde 1999 vom British Film Institute zum besten britischen Film aller Zeiten gewählt. Regisseur Carol Reed hat zweifellos einen der größten Klassiker des Film Noir geschaffen. Von der berühmten Filmmusik über die legendären "Sewer"-Szenen (gemeint ist natürlich die Verfolgungsjagd im Wienkanal) über die Fahrt im Riesenrad bis zur unendlich traurigen Schluss-Einstellung am Zentralfriedhof: Die deutlich vom deutschen Expressionismus beeinflussten SW-Bilder mit ihren kriechenden Schatten und schiefen Perspektiven ("Dutch Angle") sorgen für Gänsehaut - und haben wohl auch ihren Beitrag dazu geleistet, die sprichwörtliche Wiener Morbidität zu einem Allgemeinplatz werden zu lassen.

Und sonst? Das Theater in der Josefstadt war schon 1945 verstaubt. In einer kurzen Aufnahme hat sich ein Londoner Doppeldecker-Bus in die Wiener Innenstadt verirrt, und das Schild "Freies Ausspucken verboten" hängt heute auch nicht mehr in den Kabinen des Riesenrads. Ein bissl was hat sich ja doch geändert in dieser schönen Stadt … ;-)

Der Dritte Mann Bild 1
Der Dritte Mann Bild 2
Der Dritte Mann Bild 3
Der Dritte Mann Bild 4
Der Dritte Mann Bild 5
Der Dritte Mann Bild 6
Der Dritte Mann Bild 7
FAZIT:

Noir-Klassiker mit Schauplatz Vienna, der neben all seinen hinreichend bekannten filmischen Qualitäten auch als dokumentarisches Portrait des moralisch zerstörten Nachkriegs-Wiens funktioniert.

In diesem Sinne: "Everybody ought to be careful in a city like this."

WERTUNG: 9 von 10 amerikanische Zigaretten
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Dein Kommentar >>
Ralph | 19.08.2010 20:56
Also das ist einer der Filme, die ich überhaupt nicht mag, owohl ich Wien und Orson Welles liebe. Dieses "Kult"-Gedudele ist meiner Meinung nach die schlechteste Filmmusik aller Zeiten, die Regie uninspiriert - schiefe Aufnahmen (?)- und der Film stocklangweilig. Wären da nicht der Klassikerstatus, die doch ganz interessante Handlung und die tollen Hauptdarsteller, dann würde ich 2/10 vergeben.
Harald | 20.08.2010 01:24
Was die Musik anbelangt, muss ich dir ein bissl recht geben - darum hab ich auch "berühmt" geschrieben und nicht "gelungen" ;-)
Der Rest überrascht mich jetzt doch ein wenig ...
>> antworten
mausekönig | 18.08.2010 19:57
ich krieg diesen film immer mit der unsichbare dritte durcheinander^^
Marcel | 19.08.2010 10:14
Diese - ärgerliche - Titelverwechslung passiert nur auf deutsch. Im Original heißt Cary Grants irre Odyssee durch die Staaten bis zur Kraxelei auf dem Mt. Rushmore North by Northwest.

Nicht ganz sicher bin ich mir auch, ob Orson Welles nicht was durcheinanderschmeißt. In seiner berühmten Kuckucksuhrrede dichtet er den Schweizern diese Erfindung an. Waren es nicht mehr die Schwarzwälder?
>> antworten
Nic | 18.08.2010 11:46
guad, i wusste eh noned welchen film ich aus dieser reihe nehmen soll..
>> antworten