OT: The Dictator
KOMÖDIE: USA, 2012
Regie: Larry Charles
Darsteller: Sacha Baron Cohen, Ben Kingsley, John C. Reilly, Megan Fox
Sein Palast ist prachtvoller als das KHG-Penthouse, sein Frauenkonsum ist kostspieliger als der von Berlusconi, und von seinen Untertanen wird er mehr gefürchtet als Erwin Pröll. Seit Jahrzehnten herrscht Admiral General Aladeen (Sacha Baron Cohen) mit eiserner Faust über den nordafrikanischen Schurkenstaat Wadiya.
Mit dem exzentrischen Leben in Saus und Braus ist es jäh vorbei, als der Diktator einer Intrige zum Opfer fällt, die ihn Bart, Amt und Würden kostet. Doch ein Bösewicht von Weltrang wird nicht tatenlos zusehen, wie sein hingebungsvoll unterdrücktes Land zu einer westlichen Demokratie verkommt ...
Nach Borat und Brüno also Chaplin. Beinahe. In seinem dritten großen Leinwandabenteuer geht Sacha Baron Cohen aufs Ganze und steigt in die Fußstapfen des größten Komikers aller Zeiten. Zumindest filmtitel- und referenztechnisch: In einer stark an Charlie Chaplins Großen Diktator angelehnten Rede vor der Weltöffentlichkeit lässt Cohen die Demokratie hochleben - oder zumindest das, was seine Filmfigur - ein vertrottelter Operettendiktator mit zu großem Ego und zu schlechten Manieren - dafür hält.
Selbstredend ist Cohens vierter Kinofilm weit näher am Brachialklamauk eines ZOHAN als an der hinterfotzig/hintergründigen Satire Marke FOUR LIONS. Was ihm erstaunlich viele schlechte bis vernichtende Kritiken eingebracht hat. Natürlich völlig zu Unrecht, wie wir Brachialhumor-Connaisseure geahnt haben. Was etwa der ansonsten durchaus lesenswerte Spiegel als "zweitklassige Peniswitze" bezeichnet, ist in Wahrheit ein Freudenfest für Freunde derber Späße. Cohens Humor funktioniert nach dem Prinzip der stetigen Eskalation: Immer dann, wenn man glaubt, dass es jetzt nicht mehr absurder und komischer werden kann, setzt er glatt noch eins drauf. Zur Freude (?) der Damenwelt hält Cohen auch mal kurz sein bestes Stück in die Kamera, bevor es - full frontal, haha, gegen eine Fensterscheibe klatscht.
Für das Gros der bildungsbürgerlichen Kritik ist das natürlich Fäkalhumor aus der untersten Schublade. Borat und Brüno darf man ja heute zumindest interessant finden, weil: Mockumentaries. Also fiktive Dokumentationen, in denen echte Menschen mit den Kunstfiguren des antisemitischen Kasachen oder des tuntigen Österreichers konfrontiert wurden. Und die Provokationen nicht als solche erkannten und prompt darauf einstiegen. Das war aufschlussreich und bot dem Feuilleton-Leser einen gewissen gesellschaftspolitischen Erkenntnisgewinn. Über die "Ekel erregenden Unappetitlichkeiten" (der Kurier über Borat) - gemeint waren wohl die Männer, die sich nackt durch eine Hotellobby wälzten - galt es freilich verächtlich hinwegzusehen.
Der Diktator hingegen ist ein ganz klassischer Unterhaltungsfilm ohne pädagogischen Mehrwert. Und damit in erwähnten Kreisen definitiv ungoutierbar. (Nein, das soll hier kein Bildungsbürger-Bashing werden, obwohl ... nein, lassen wir das ;-)
Dabei müsste ein Presse-Abonnent sicherlich ein klein wenig schmunzeln, wenn ein vegan, basisdemokratisch, feministisch, antirassistisch und antikapitalistisch geführter Bio-Laden einen Schwarzen an der Kasse sitzen lässt, dessen Stamm kein Geld kennt. Oder wenn zwei Araber das neueste 911er-Porsche-Modell aussprechen wie 9/11, und damit prompt Terroralarm auslösen.
Man merkt vielleicht: Dem Diktator geht es eben doch nicht nur um Peniswitze. Ich würde sogar so weit gehen und Sacha Baron Cohen unterstellen, ein aufmerksamer Medienkonsument und politisch durchaus wacher Zeitgenosse zu sein. Aber keine Angst: Akademisch oder kopflastig geht's im Reich des Admiral General Aladeen eher nicht zu.
Die zahlreichen Pointen sind großartig getimt und verdammt lustig sowieso. Es gibt es zwei, drei Szenen, die mir Lachkrämpfe an der Grenze zum Erstickungsanfall beschert haben. Beim nächsten Cohen-Film nehm' ich Sauerstoff mit ins Kino. Den werd ich brauchen ...
Eine Intrige kostet Admiral General Aladeen Bart, Amt und Würden. Doch ein wahrer Diktator weiß um sein Land zu kämpfen, auf dass es niemals zu einer Demokratie verkommt. Sacha Baron Cohens Humor, der dem Prinzip der stetigen Eskalation folgt, funktioniert auch im klassischen Spielfilmformat. Und wie. Lachkrampf-Gefahr!
In diesem Sinne: "Er hat die israelische Delegation mit Urin übergossen ....!!!"