OT: The Conversation
NEO-NOIR/DRAMA: USA, 1974
Regie: Francis Ford Coppola
Darsteller: Gene Hackman, John Cazale, Harrison Ford, Allen Garfield, Cindy Williams
Ein junges Paar unterhält sich auf dem Union Square In San Francisco. Dort wird es von dem Abhörspezialisten Harry Caul (Gene Hackman) und seinem Team observiert. Später schneidet Caul die von verschiedenen Mikrophonen gemachten Aufnahmen des Gesprächs in seinem Arbeitsraum in einer leerstehenden Fabriketage zusammen. An einer wichtig erscheinenden Stelle sind die Nebengeräusche jedoch zu stark, um den genauen Wortlaut zu verstehen. Nach dem Einsatz verschiedener Rauschfilter, hört Caul deutlich den Satz "Er würde uns umbringen, wenn er es könnte."
Normalerweise ist Caul ein Mann, der seinen Auftraggebern keine Fragen stellt. Aber nun, da er das Leben dieses Paares in Gefahr sieht, gerät er in einen ernsthaften Gewissenskonflikt und versucht der genauen Natur dieses Auftrags auf die Spur zu kommen. Früher hatte seine Arbeit schon einmal zu dem Tod dreier Menschen geführt und er möchte dies nicht noch einmal erleben. Doch Caul trifft auf eine Mauer des Schweigens und bringt sich selbst immer mehr in Gefahr...
KRITIK:Der Film DER DIALOG ist ein Vertreter des New Hollywood, jener von Ende der 60er bis Mitte der 70er andauernden Periode, in der in der Traumfabrik viele wirklich kreative und zum Teil geradezu experimentelle Filme gedreht wurden. Das alte Studiosystem war am Ende und so gewährten die Produzenten einer neuen Generation von jungen, wilden Regisseuren für eine kurze Zeit fast komplette Narrenfreiheit bei der Umsetzung ihrer persönlichen, kreativen Visionen. Diese Regisseure orientierten sich bei ihrer Arbeit insbesondere an den neuen filmischen Strömungen aus Europa, wie z.B. der französischen Nouvelle Vague.
Das Vorbild für Francis Ford Coppola, der für DER DIALOG auch das Drehbuch schrieb, war jedoch eindeutig Michelangelo Antonionis BLOW UP. Dort ging es um einen Fotografen der meint, zufällig einen Mord fotografiert zu haben. Die Bestürzung über die Information, die in einer selbst angefertigten Aufzeichnung steckt, überträgt Coppola nun vom Bild auf das Medium des Tons. Aber war der Hauptdarsteller bei Antonioni noch ein unbedarfter Modefotograf, der rein zufällig zu seiner brisanten Aufnahme gekommen war, so ist die Tonbandaufnahme in DER DIALOG das Produkt einer sorgfältig geplanten und mit großer Anstrengung durchgeführten gezielten Überwachungsmaßnahme.
Diese Thematik war zur Zeit der Entstehung des Films in den USA infolge des Watergate-Skandals äußerst aktuell. Tatsächlich brachte die damalige Verunsicherung in der amerikanischen Bevölkerung das neue Subgenre des Paranoia-Thriller hervor, zu dem neben DER DIALOG z.B. Alan J. Pakulas ZEUGE EINER VERSCHWÖRUNG und Sydney Pollacks DIE DREI TAGE DES CONDOR gehören. Doch im Gegensatz zu den anderen beiden hier genannten Filmen, ist DER DIALOG kein echter Thriller. Coppola hat hier in erster Linie eine ruhige Charakterstudie einer verstörenden und später im zunehmenden Maße selber verstörten Persönlichkeit gedreht.
Im Mittelpunkt der Handlung steht der von Gene Hackmann in brillanter Weise verkörperte Abhörspezialist Harry Caul. Dessen Charakter wirkt wie eine seltsame Mischung aus genialem Ingenieur und eiskaltem Auftragkiller. Auf seinem Gebiet ist er der Beste im ganzen Land. Aber gleichzeitig lebt er privat in fast völliger Isolation und wird von ständiger Paranoia getrieben. Harry hat keine Freunde. So besucht er an seinem Geburtstag nur seine Geliebte, die er jedoch gleich wieder verlässt, als diese anfängt Fragen zu stellen. Seinen Job hat er jedoch zur technischen Perfektion getrieben. Rein technisch betrachtet er auch das Aufnahmematerial. Nach den genauen Inhalten fragt er normalerweise nie. Dies wird jedoch noch überraschende und verhängnisvolle Konsequenzen haben...
Dass Harry in einer sehr auditiven Welt lebt, spiegelt sich auch in der Art, wie Coppola den Film gestaltet hat. Die Tonspur ist in diesem Film äußerst facettenreich und präsent. Ihre Dominanz wird noch durch die oft unzureichenden visuellen Informationen verstärkt. Der Regisseur hat hier das Schattenspiel des klassischen Film noir soweit gesteigert, dass oft sogar die Gesichter der Sprechenden vollkommen im Dunkeln liegen. So bewegt sich Harry Coen durch eine auch visuell äußerst finstere Welt, die er oft nur unzureichend erfasst, und deren wahre Abgründigkeit sich ihm erst ganz zum Schluss offenbart...
DER DIALOG ist ein sehr langsamer, aber zugleich auch sehr beeindruckender Film. Francis Ford Coppola meint sogar, dass dies, noch vor DER PATE und APOCALYSE NOW, sein bester Film überhaupt wäre. Es ist eine Schande, dass dieser Klassiker heute so weit in Vergessenheit geraten ist, dass von ihm keine deutschsprachige DVD existiert.