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Steven Seagal: Deathly Weapon

Steven Seagal: Deathly Weapon

OT: Pistol Whipped
ACTION: USA, 2008
Regie: Roel Reiné
Darsteller: Steven Seagal, Lance Henriksen, Renee Goldsberry, Paul Calderon, Mark Elliot Wilson

STORY:

Steven Seagal ist Matt, ein Ex-Cop mit einem ganzen Haufen Schulden. Die einzige Möglichkeit seinen gefährlichen Gläubigern zu entkommen, ist mit einer geheimen Regierungsorganisation zusammenzuarbeiten, die seine Schulden für ihn begleicht. Im Gegenzug soll er für sie den GLIMMER MAN geben und Verbrecher erledigen. Als er einen korrupten Polizisten irrtümlicherweise für sauber hält und seinen Auftrag abbricht, fällt er in Ungnade und wird erbarmungslos gejagt.

KRITIK:

Mit PISTOL WHIPPED, hierzulande unter dem langweiliger klingenden Titel DEATHLY WEAPON erschienen, ist Seagal ein sehr spannender Beitrag zu seiner Filmographie gelungen – nicht, dass man zu diesem Zeitpunkt noch das Gefühl hätte, es würde den Meister wirklich interessieren. In der zweiten Hälfte der DTV-Ära entstanden – die schon nicht mehr ganz so gurkig ist, wie zu Beginn Seagals DTV-Karriere –, ist dieser Film so etwas wie ein kleiner Wendepunkt. Das ist umso interessanter, als das er nach URBAN JUSTICE entstanden ist, der ebenfalls eine Art Meilenstein der Direct-to-Video-Ära des Meisters darstellt.

URBAN JUSTICE war eine Rückkehr zu der zynischen Brutalität, die die ersten Filme Seagals auszeichnete und ihren frühen Höhepunkt sicherlich mit DEADLY REVENGE - DAS BROOKLYN MASSAKER erreicht hatte. Zwar ist HARD TO KILL oberflächlich recht lustig geraten – zumeist unfreiwillig, ich erinnere nur an die Babykatze –, aber nicht minder erbarmungslos. Die Gesellschaften die in diesen Filmen existieren, sind sehr düster, von Korruption und Machtmissbrauch durchzogen. Und Seagal fegt durch diese Welten wie ein Handgelenke brechender, ultrabrutaler Wirbelsturm.

Genau das ist es, was die Fans sehen wollen und Regisseur Don E. Fauntleroy zollte dem Wunsch der Fans nach brutaler Härte mit URBAN JUSTICE Tribut – Seagal verliert einen Angehörigen und bricht dafür alles an Handgelenken, was ihm in die Quere kommt; zerschmettert Hoden und zertrümmert Glasscheiben. Der Film steht also für die Brutalität und die Kompromisslosigkeit, die Seagals Filme so einzigartig gemacht haben. In PISTOL WHIPPED wird nun ein anderer Aspekt der frühen Seagal-Filme wieder in den Mittelpunkt gerückt – die Familie.

Zu Beginn seiner Karriere, in Seagals italienischer Phase, also die Zeit in der er sich für einen Italiener hielt und die folgende Filme umfasst: NICO, HARD TO KILL, DEADLY REVENGE, war die Familie ein wichtiges Thema in seinen Filmen. Seagal wird als Nico in seinem Debütfilm NICO eingeführt als knallharter Cop der seine Nichte aus den Fängen eines miesen Drogenhändlers befreit. In HARD TO KILL wird seine Frau ermordet, sein Sohn entkommt dem Mordanschlag nur knapp. Anschließend rächt er sie mit gnadenloser Brutalität. Ein auch in späteren Filmen immer wieder auftretendes Motiv, das es fast zum Running Gag gebracht hat, in Seagals DTV-Ära aber ein ums andere Mal durch überkomplizierten Schwachfug ersetzt wurde.

Mit PISTOL WHIPPED kehrt Seagal zu diesen Anfängen zurück. Zum ersten Mal seit langem ist die familiäre Situation Seagals wieder ein wichtiges Handlungselement der Geschichte. Klar, in BELLY OF THE BEAST rettet er seine Tochter aus den Klauen gemeiner Terroristen/Drogendealer. Und in OUT OF REACH rettet er seine Brieffreundin – die für ihn als Familienersatz gilt – vor fiesen Kinderhändlern. Aber PISTOL WHIPPED ist anders.

Das fängt schon damit an, dass Seagal diesmal ein gebrochener Mann ist. Kein strahlender (Anti-)Held. Er hat die CIA-Vergangenheit seiner früheren Rollen und er war zusätzlich ein Cop. Doch in beiden Karrieren ist er gescheitert. Nicht einmal seine Familie konnte er zusammenhalten und so lebt er geschieden und sieht seine Tochter alle zwei Wochen – wenn er nicht gerade zu besoffen ist, oder es einfach vergessen hat. Ebenso wie der junge Seagal den hitzköpfigen Proll-Schläger, der immer auf 180 ist, sehr gut verkörperte, wirkt der abgehalfterte, dicke Seagal dieser Tage eben genau wie dieser Ex-CIA, Ex-Cop, Ex-Familienvater-Verlierer.

Der Eindruck wird dadurch verstärkt, dass Seagal während der Dreharbeiten offenbar geistig nicht immer voll bei der Sache war – im Gegensatz zu den sonstigen DTV-Filmen, bei denen er meistens körperlich nicht anwesend ist. So gibt es Einstellungen, in denen Seagal wirkt als wäre er sich nicht ganz sicher ob schon gedreht wird – zum Beispiel in einer Pokerszene zu Beginn des Films. Mal ganz abgesehen davon, dass er den weiblichen Croupier mit seinem feinsten Vergewaltigerblick förmlich auszieht. Oder als wäre er erst vor wenigen Minuten aufgestanden und aus seinem Wohnwagen gekommen – wie in einer Szene in der er eine Asiatin fragt ob sie Japanisch oder Koreanisch spricht. Sie spricht beides. Seagal auch. Gut zu wissen. Den kaputten Bullen, der seine Tage im Rausch verbringt, nimmt man ihm eindeutig ab, aber durch seine schiere Masse wirkt Seagal noch gefährlich genug, dass es trotzdem glaubhaft erscheint, wenn er den Bösewichtern die Handgelenke bricht.

Aber es sind die Kleinigkeiten, die PISTOL WHIPPED eine – für Seagal-Filme bisher unbekannte – emotionale Tiefe verleihen. Wenn Seagal seine Tochter etwa wieder versetzen muss, weil er ein paar Verbrechern die Kugel geben muss, und sie ihm die kalte Schulter zeigt, obwohl er versucht sie aufzumuntern. Oder wenn er mit ihr ins Aquarium geht, obwohl er damit nicht wirklich was anfangen kann. Das ursprüngliche Ende sah sogar vor, dass Seagal am Ende seine Familie zurückgewinnt und seiner Tochter einen Deutschen Schäferhund schenkt - lustigerweise ein ausgewachsenes Tier, im Gegensatz zu den sonstigen Hollywood-Konventionen laut denen Kinder immer Welpen bekommen müssen. Da das allerdings zu viel des Guten wäre, hat man sich glücklicherweise für ein anderes Ende entschieden, das düster aber gleichzeitig hoffnungsvoll ist.

Wer jetzt allerdings befürchtet, die Action oder die generelle Seagaligkeit käme zu kurz, den kann ich beruhigen. PISTOL WHIPPED bietet eine gute Mischung aus Drama, brutalen Kampfeinlagen und völlig überzogen absurden Situationen, wie wir sie kennen und lieben gelernt haben. So erklärt Seagal nach einer wilden Liebesnacht – von der wir zum Glück nicht allzu viel mitbekommen –, dass er die Dame seiner Begierde weniger mögen würde, hätte sie einen Schwanz. Vor allem, wenn der größer wäre als seiner. Die große Frage ist nun, ob die Antwort der Dame "Das geht doch gar nicht!" schon von vorneherein im Drehbuch stand, oder ob Seagal die hat einfügen lassen.

Auch die Action ist nicht von schlechten Eltern. Wie Seagal den Oberbösewicht Steve abserviert – der für einen DTV-Actioner, gerade von Seagal, verdammt Multidimensional ist –, ist eine schöne Reminiszenz an den Actionfilm der 80er und frühen 90er Jahre, als John Matrix (PHANTOM KOMMANDO) den Schergen nach dem Verhör noch über die Klippe werfen durfte und John McClane (STIRB LANGSAM) dem frisch getöteten Hans eine Weihnachtsmannmütze aufsetzte und ihn Fahrstuhl fahren ließ. So fragt Seagal Steve ob er bestattet oder verbrannt werden will. Bestattet, ist seine Antwort. Nur um kurz darauf von Seagal mitsamt einem Leichenwagen in die Luft gejagt zu werden.

Eine schöne Explosion übrigens. Das Budget scheint für DTV-Verhältnisse gar nicht ganz so knapp gewesen zu sein, wofür alleine schon die Tatsache spricht, dass PISTOL WHIPPED komplett in den USA gedreht wurde. Aber auch die Verfolgungsjagd ist routiniert inszeniert. Ganz nett choreographiert und mit etwas Krach-Bumm. Lediglich die Green Screen-Effekte sind von der Marke "90er Jahre Sitcom". Es besteht gar nicht erst die Gefahr, den Eindruck zu bekommen, irgendeiner der Anwesenden würde tatsächlich in einem der Autos sitzen.

Die Kampfszenen sind relativ uninspiriert abgefilmt – nicht schlecht, aber auch nicht wirklich bahnbrechend – aber dafür langt Seagal ordentlich zu. Gerade sein erster Kill überzeugt. Zum einen ist es verdammt lässig, wie er sich einfach an den Tisch des mächtigsten Unterweltbosses der Stadt setzt und ihm die Leviten liest, zum anderen killt er ohne mit der Wimper zu zucken die ganze Tischgesellschaft. Besonders angetan hat es mir jedoch eine kleine Keilerei zu Beginn des Films, als Seagal angegriffen wird und erstmal zwei Angreifer außer Gefecht setzt, bevor er mit einer Waffe bedroht wird und klein beigibt. Seagal wirkt in diesen Szenen alt, langsam, ist aber noch sehr gefährlich. Das ist wieder eins dieser feinen Details von PISTOL WHIPPED.

In diesem Sinne: "You’re not a good Guy!"

Steven Seagal: Deathly Weapon Bild 1
Steven Seagal: Deathly Weapon Bild 2
Steven Seagal: Deathly Weapon Bild 3
Steven Seagal: Deathly Weapon Bild 4
Steven Seagal: Deathly Weapon Bild 5
FAZIT:

Genau wie URBAN JUSTICE ist PISTOL WHIPPED ein sehr guter Beitrag zu Seagals Filmographie, vor allem, wenn man bedenkt, dass er während der eher schäbigen DTV-Ära entstanden ist. PISTOL WHIPPED aber vereint mehrere Elemente der frühen Schaffensphase Seagals – allen voran die starke Fokussierung auf das Thema Familie. So bekommt der geneigte Zuschauer nicht nur gute Actioneinlagen, inklusive lässigem Aikido – auch wenn es keine Gewaltexzesse à la URBAN JUSTICE, oder gar DEADLY REVENGE gibt –, sondern auch eine gute Portion Drama. Seagal zeigt hier erstaunlicherweise, dass er durchaus spielen kann, wenn er sich Mühe gibt, auch wenn er hauptsächlich durch seinen abgesifften Look überzeugt.

WERTUNG: 6 von 10 schicken Hemden.
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