SELBSTJUSTIZTHRILLER: USA, 2018
Regie: Eli Roth
Darsteller: Bruce Willis, Vincent D'Onofrio, Elisabeth Shue, Camila Morrone, Dean Norris
Einbrecher haben seine Frau erschossen und seine Tochter ins Koma geprügelt. Die Polizei ist überfordert, die Ermittlungen schleppen sich ergebnislos dahin. Durch Zufall fällt Dr. Paul Kersey eine Glock in die Hände. Er baut seinen Keller zu einem Schießstand aus und nimmt das Gesetz schließlich selbst in die Hand ...
Im anstößigen Jahr unseres Herrn 1974 kam ein Film in die Kinos, den die linksliberale Filmkritik am liebsten öffentlich verbrannt hätte. Die Rede ist natürlich von Michael Winners DEATH WISH, dessen treffender deutscher Titel "Ein Mann sieht rot" Eingang in den Sprachgebrauch fand. Dass ein "guter" Zivilist das Gesetz in seine eigenen Hände nimmt, "böse" Zivilisten tötet und andere Zivilisten lautstark Beifall klatschen, war damals ein unerhörter Tabubruch. Die Empörung tat dem Erfolg des Films selbstredend keinen Abbruch, im Gegenteil. Hauptdarsteller Charles Bronson durfte noch für vier Fortsetzungen in die Rolle des verzweifelten/eiskalten Rächers Paul Kersey schlüpfen, und ein neues Subgenre war geboren: Der Vigilantenthriller.
Eingang in die Filmgeschichte fand DEATH WISH allerdings nicht unbedingt aus künstlerischen Gründen, sondern allein aufgrund seiner Pionierleistung in Sachen Tabubruch. Und sind wir uns ehrlich: Dieser Film ist ein reaktionäres Dumm-Dumm-Geschoß erster Güte. Bronson mag am Anfang hadern und leiden wie irre, doch den restlichen Film macht er nicht viel mehr, als jedem, der ihm blöd kommt, eine Kugel zu verpassen.
Da ist das Remake von Eli Roth doch um Hausecken cleverer gescriptet. Der Film schmückt sich mit dem renommierten Drehbuchautor Joe Carnahan (NARC, THE GREY). Tatsächlich wurde Carnahan aber vom Projekt abgezogen. Insgesamt neun (!) Drehbuchautoren wurden fürs DEATH WISH-Remake verschlissen, bis Eli Roth schließlich sämtliche Dialoge neu schrieb. Warum ich das erzähle? Weil ich das Gefühl habe, dann man dem fertigen Film seine turbulente Entstehungsgeschichte ansieht. Und das ist leider kein gutes Zeichen.
Dabei tut Roth eh das einzig Richtige: Er verneigt sich vor dem Geist des Originals, versucht aber, die durch-und-reaktionäre Grütze satirisch zu brechen. DEATH WISH 2018, das sollte wohl eine subversive Satire auf den Waffenwahn der US-Gesellschaft werden, ein Film, der die Waffennarren abholt, sie ins Kino lockt, und - jetzt kommt's: Sie mit ihren eigenen Widersprüchen und Abgründen konfrontiert, bis die Waffengeilheit nur noch lächerlich und absurd wirkt. Zumindest vermute ich das. Einzelne Szenen, etwa die knalligen, JACKIE BROWN-inspirierten Schießeisen-Werbespots deuten an, in welche Richtung der Film hätte gehen können. Allein, es funktioniert nicht. Was insofern überrascht, als hinterfotzige, subversive Satire ja eine unterschätzte Stärke von Eli Roth ist.
Eine andere, allseits bekannte Stärke von Eli Roth ist der kreative Einsatz von brachialen Gewaltexzessen. Paul Kersey ist hier nicht mehr Architekt, sondern Chirurg, was ihm einen wertvollen Know-How-Vorsprung in Sachen Verhör-Foltermethoden verschafft: Ätzende Bremsflüssigkeit auf den freigelegten Ischias-Nerv schütten, weil das "der schlimmste Schmerz ist, den ein Mensch aushalten kann, ohne dass das Herz zu schlagen aufhört", auf so etwas muss man erst einmal kommen.
Was bleibt, ist ein straighter, halbwegs spannender, stellenweise ordentlich brutaler Actionthriller. "Alt-right Fan-Fiction" (Kritiker-Zitat) konnte ich aber nicht unbedingt ausmachen. Mein Bedürfnis, nach diesem Film Rechts zu wählen und mir eine fette Kanone zu kaufen, hält sich weiterhin in engen Grenzen. Aber wir haben hier ja auch keine coolen Gunshops, wo man von einer sexy Bethany bedient wird.
Eli Roths DEATH WISH-Remake ist eine vergebene Chance: Die möglicherweise beabsichtigte Satire auf den Waffenwahn der US-Gesellschaft kann sich nicht entscheiden, ob sie das Reaktionäre vorführen, satirisch brechen oder sicherheitshalber doch lieber feiern sollte. Für eine ernsthafte Diskussion ist der Film trotz eines relativ durchdachten Drehbuchs dann doch zu doof. Unterm Strich bleibt straighte, solide Action-Unterhaltung der härteren Gangart. Das ist nicht nichts, aber von einem wie Eli Roth hätte ich mir mehr erwartet.