OT: Trainwreck
KOMÖDIE: USA, 2015
Regie: Judd Apatow
Darsteller: Amy Schumer, Bill Hader, John Cena, Tilda Swinton, Daniel Radcliffe
"Monogamie ist unrealistisch." Diese Lebensweisheit ihres Vaters hat Amy verinnerlicht: Kein One Night Stand darf bis zum Frühstück bleiben. Keiner? Nein, der zurückhaltende Sportarzt Aaron lässt sich einfach nicht abschütteln. Und dann sagt der Kerl auch noch das L-Wort ... nach einem Begräbnis. Perfektes Timing, oder?
Man lernt nie aus: "Trainwreck" - amerikanisch für einen Menschen in einer desolaten Lebenssituation - heißt auf gut deutsch also "Dating Queen". Es ja müßig, über die bundesdeutsche Verleihtitelschmiedekunst zu lästern. Zumal es in diesem Fall tatsächlich schlimmer hätte kommen können. War "Hilfe, ich liebe eine Kiffer-Bitch!" schon vergeben?
Regisseur Judd Apatow, der das amerikanische Komödienkino der Nullerjahre revolutionierte und zuletzt zunehmend ernstere Töne anschlug, drehte diese - nennen wir sie in Ermangelung besserer Begrifflichkeiten einfach Fucked-up-Romantic Comedy - zusammen mit der TV-Komödiantin Amy Schuster. Zugegeben, als praktizierender Fernseh-Ignorant war mir diese Dame bislang unbekannt. Doch was die guten Menschen von FM4 über ihre Show "Inside Amy Schumer" zu berichten wissen, klingt mindestens verheißungsvoll: "Amy Schumer sägt an den Normen, plakativ, subtil, unnachgiebig, delikat, stumpf, smart, blöd. Sie muss die Welt so lange nerven, bis das Normale normal geworden ist. Dass zum Beispiel auch eine Frau derbe Sex-Jokes machen darf, ohne dass die Vorgestrigen mit den Augen rollen und der Hass sie plagt. Sex und Sexualität sind klar zentrale Themen bei Amy Schumer, gefakete Orgasmen bei Männern, One-Night-Stands, Dildos. Zotiges und ausdrücklich nicht jugendfreie Wortwahl sind dabei immer auch die Motoren, um sich Gedanken über Geschlechterrollen, Klischees, Ungleichheiten zu machen."
(Quelle: http://fm4.orf.at/stories/1761695/)
Entsprechend gut gelaunt und aufgeganselt nehme ich im Kinosaal Platz. Nein, danke der Nachfrage, ich komme mir nicht blöd vor, alleine in einen Film zu gehen, der "Dating Queen" heißt. Wieder ist das Publikum zu 90% weiblich. Das war schon bei BRIDESMAIDS und BACHELORETTE so. Und auch letztens beim - ansonsten nicht vergleichbaren - PAPER TOWNS / MARGOS SPUREN.
Enttäuscht wird man keineswegs. Dass das Drehbuch einer klassische Rom-Com-Dramaturgie folgt, Läuterung und Happy End inklusive: Vorhersehbar. Dass der Film bestimmt keinen Feminismus-Oscar gewinnen wird: Geschenkt. Dass die Handlung auf einen Bierdeckel passt: Wurscht.
Was zählt: Die Pointen sitzen - und wie. Amy Schuster hat aus autobiographischen Versatzstücken ein Drehbuch gefertigt, das die Balance zwischen dreckigen (Sex-)Jokes und berührenden Momenten ausgesprochen gut hinbekommt. Wobei die Heftigkeit der emotionalen Szenen durchaus überrascht. Man weiß nicht immer, wo die Film-Figur Amy Townshed aufhört und die wirkliche Amy Schuster (die wie ihr Film-Alter-Ego auch im richtigen Leben einen schwer kranken Vater hat) beginnt.
Ich würde trotzdem nicht so weit gehen, TRAINWRECK eine Tragikomödie zu nennen. Im Gegenteil, der perfekt getimte, wirklich lustige Humor dieses schönen Films lässt einen in bester Laune aus dem Kinosaal tänzeln. Und ja, an Tilda Swinton ist eine große Komödiantin verloren gegangen.
Auf Judd Apatow ist immer Verlass: Eine lustigere, schönere und - verdammt, ich mag das Wort nicht, aber mir fällt kein besseres ein: berührendere Komödie als TRAINWRECK aka DATING QUEEN werdet ihr dieses Jahr nicht mehr zu sehen bekommen.
DATING QUEEN erscheint am 21.1.2016 auf DVD, Blu-ray und Video on Demand.