OT: Un tranquillo posto di campagna
GIALLO & FRIENDS: Frankreich/Ital, 1968
Regie: Elio Petri
Darsteller: Franco Nero, Vanessa Redgrave, Georges Géret, Gabriella Grimaldi
Der Künstler Leonardo Ferri (Franco Nero) leidet infolge einer Schaffenskrise unter Halluzinationen und Alpträumen. In dieser Situation entdeckt er eine verlassene Villa auf dem Lande und erwirbt das bereits recht verfallene Haus. Doch in dem Gebäude scheint der Geist eines Mädchens umzugehen, das hier während des Zweiten Weltkriegs starb...
Dieser auch als A QUIET PLACE IN THE COUNTRY bekannte Film von Elio Petri (DAS 10. OPFER) ist einer dieser sehr interessanten Grenzgänger zwischen Genre- und Arthousefilm, wie sie gerade das italienische Kino der damaligen Zeit häufiger hervorbrachte. Doch obwohl DAS VERFLUCHTE HAUS bei der Berlinale im Jahre 1969 einen Silbernen Bären für Luigi Kuveillers gelungene Kameraarbeit erhielt, war diese kleine Filmperle mittlerweile leider fast vergessen. Doch jetzt hat Koch Media DAS VERFLUCHTE HAUS zusammen mit zwei anderen Filmen und einer Dokumentation in einer sehr schönen DVD-Box veröffentlicht.
DAS VERFLUCHTE HAUS macht es dem Betrachter auch nicht einfach, handelt es sich hierbei doch um eine recht einzigartige Mixtur aus surrealem Psychodrama, Arthouse-Komödie und Haunted-House-Geschichte mit einigen Spritzern an gialloesken Momenten. Für den Liebhaber ungewöhnlicher Filmkunst wird Petris Streifen jedoch gerade hierdurch äußerst interessant und auch trotz der nur gemächlich voranschreitenden Handlung relativ kurzweilig. In seiner Machart würde ich diesen Film am ehesten mit Giulio Questis DEAD LAID AN EGG vergleichen. Doch auch wenn Petris Film sich ähnlich zwischen die verschiedenen Stühle verschiedener Filmgattungen stellt, so ist DAS VERFLUCHTE HAUS doch insgesamt weniger spröde, als Questis Arthouse-Giallo geraten.
Besondere Freude bereitet hier insbesondere die völlig zu Recht preisgekrönte Kameraarbeit von Luigi Kuveiller. Nicht nur, dass der Film vor visuellen Einfällen und Experimenten oft geradezu übersprudelt. Trotz aller vorhandenen extravaganten optischen Spielereien ist das Gesamtergebnis sehr flüssig geraten. Dies kommt der Grundidee von DAS VERFLUCHTE HAUS sehr zugute. Denn es ist gerade die ständige und zumeist nahtlose Vermischung von Alltagsrealität, Träumen, Erinnerungen und Halluzinationen, welche UN TRANQUILLO POSTO DI CAMPAGNA für den geneigten Cinephilen zu einem wahren Vergnügen werden lassen kann.
Was den Film mit Questis DEAD LAID AN EGG verbindet, ist auch der hier unübersehbare Einfluss der Nouvelle Vague, um nicht gleich zu sagen, der von Godard, der sich in zahlreichen ebenso komischen wie absurden Szenen zeigt. Wer hier einen waschechten Genrefilm erwartet hatte, wird wahrscheinlich nach der Betrachtung von DAS VERFLUCHTE HAUS relativ enttäuscht sein. Aber Liebhabern der Filme von Jean-Luc Godard und von Luis Buñuel wird gerade auch das sehr ungewöhnliche Ende sehr gefallen.
DAS VERFLUCHTE HAUS ist ein weiterer interessanter Grenzgänger zwischen Genre- und Kunstfilm von Elio Petri (DAS 10. OPFER). Dass von der Nouvelle Vague beeinflusste Psychodrama wird den eingeschworenen Genrefan wahrscheinlich eher ein wenig enttäuschen. Wer jedoch Freude an Filmen hat, die sich einer klaren Einordnung entziehen, kann hier ein kleines vergessenes Filmjuwel wiederentdecken.
DAS VERFLUCHTE HAUS ist jetzt zusammen mit den Filmen ZWEI SÄRGE AUF BESTELLUNG und DIE ARBEITERKLASSE KOMMT INS PARADIES in einer Elio-Petri-Box bei Koch Media erschienen. Die Box enthällt eine Bonus-DVD mit einer Dokumentation über den Regisseur und ist bereits als "Elio Petri Edition" im Handel erhältlich.