OT: La Cara oculta
THRILLER: Kolumbien/ESP, 2011
Regie: Andrés Baiz
Darsteller: Martina García, Quim Gutiérrez, Clara Lago
Fassungslos schaut Adrián auf die Videobotschaft seiner Freundin Belén. Sie verlässt ihn, einfach so. So etwas passiert anderen, aber nicht ihm, Adrián, dem erfolgreichen Dirigenten und Frauenheld. Schon bei der ersten Sauftour schleppt er die nächste Kellnerin ab. Und die zieht kurz danach bei ihm ein. Platz genug ist im stattlichen Landsitz allemal. Aber dann beginnen die quälenden Fragen. Wo ist Belén eigentlich? Selbst die Polizei findet keine Spur. Hat Adrián noch eine weitere Affäre? Zumindest flirtet er mit seiner Violinistin. Und vor allem - sind die unheimlichen Stimmen im Badezimmer echt, oder ist das nur überspannte Fantasie?
Wenn es eine Grenze für Liebe, Eifersucht, Vertrauen und Besessenheit gibt, dann erkundet DAS VERBORGENE GESICHT diese aus.
Dabei fängt der Film behutsam an. Im ersten Drittel des Films sind wir dabei, wie eine neue Liebe auf den Ruinen einer alten entsteht. Gerade aber, als sich das Glück im großen Landhaus ausbreiten könnte, wird der Samen des Zweifels gesetzt. Und zeitgleich wird die Atmosphäre im Haus unheimlicher, immer wieder fällt das Licht aus. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist klar, dass das Liebesgeflüster die längste Zeit angedauert hat.
Doch DAS VERBORGENE GESICHT hat gar nicht die Absicht, das Beziehungsdrama in normalen Bahnen zum Höhepunkt zu bringen. Er treibt vielmehr ein perfides Spiel und entzieht dem Zuschauer durch einen Perspektivenwechsel derart radikal den Boden unter den Füßen weg, dass selbst dem erfahrenen Publikum des Fantasyfilmfests geschlossen die Spucke wegblieb.
Was danach folgt, ist ein Lehrstück im klassischen Aufbau von Suspense. Wir bekommen alle Karten auf den Tisch gelegt, aber müssen dennoch völlig hilflos zuschauen, wie das Drama seinen Lauf nimmt. Und das ist ausgesprochen heimtückisch und clever konstruiert.
Alle Zusammenhänge werden nach und nach klar, aber alle Versuche, lenkend einzugreifen, scheitern. Gerade durch den Perspektivenwechsel bekommt nahezu alles, was wir bislang gesehen haben, eine weitere, tiefere Bedeutung. DAS VERBORGENE GESICHT macht also alles richtig, was ein Thriller richtig machen kann.
Umso unverständlicher ist die Marketingkampagne, die bereits im Trailer den entscheidenden Twist gleich zu Beginn verrät und dem Film damit eines Großteils seiner Wirkung beraubt. Vielleicht finden dadurch ein paar Zuschauer mehr den Weg in die Kinos. Andererseits stellt sich aber die Frage, welches Vergnügen dem Zuschauer danach an dem doppelbödigen Spiel noch bleibt. Schließlich hat ja ein Geheimnis eine viel größere Anziehungskraft als seine Auflösung.
Eine noch bösere Überraschung erlebt man aber, wenn man die Rezensionen in der Tagespresse oder im Internet liest. Kaum einer der geschätzten Kollegen macht sich anscheinend Gedanken über seine Leserschaft. Da wird der zentrale Twist nicht nur fröhlich ausgeplappert, da wird sogar gemeckert, dass bis zum Twist ja auch nicht mehr viel Unbekanntes passiert. Herzlichen Glückwunsch! Und übrigens - euren Lesern bleibt nach dieser Lektüre nicht mal dieses Vergnügen.
DAS VERBORGENE GESICHT ist ein Traum von einem Thriller, wie ihn uns das Kino nur einmal in zehn Jahren schenkt. Bis zum atemberaubenden Finale nimmt der Film den Zuschauer in einen Strudel von Leidenschaft und Eifersucht mit und lässt uns ungläubig zurück. Großartig inszeniertes, dabei ganz klassisches Erzählkino, das ohne Serienkiller oder Psychopathen auskommt und einen diabolischen Blick in eine Beziehung wirft.
Und wir werden weder den Twist verraten noch den Trailer zeigen. Versprochen!