DRAMA: D, 2010
Regie: Baran bo Odar
Darsteller: Ulrich Thomsen, Wotan Wilke Möhring, Katrin Saß, Burghart Klaußner, Sebastian Blomberg
Auf den Tag genau 23 Jahre nach dem Mord an der kleinen Pia wird am Tatort wieder Blut und ein Mädchenfahrrad gefunden. So wie damals auch. Alte Wunden brechen wieder auf: Ist der Täter zurückgekommen und hat er sich ein neues Opfer geholt?
KRITIK:"Das letzte Schweigen" beginnt ungewöhnlich. Mit einem Mord. Sicher, am Anfang der Geschichte steht ja oft ein Mord, doch in "Das letzte Schweigen" wird der Mord gleich zu Beginn gezeigt. Inklusive Täter.
Nun scheint ja alles geklärt. Der Zuseher kennt den Täter, die Spannung ist weg. Doch denkste. Es gibt zu viele ungelöste Fragen, die den Zuseher umtreiben. Wie es zum Mord kam. Und warum. Und auch was 23 Jahre später am Ort des Verbrechens geschah. Und natürlich die bange Frage ob des der Polizei diesmal gelingt den Täter zu fassen und aufzuklären, was vor über zwei Jahrzehnten tatsächlich passiert ist.
Der Film kann es sich also durchaus leisten, schon zu Beginn das zu verraten, was andere Filme erst gegen Ende zeigen. Nicht zuletzt darum, da es den Machern weniger darum geht zu zeigen wer der Täter war, sondern wie die Tat das Leben der unmittelbar Betroffenen Menschen veränderte. Das Leben der Hinterbliebenen, der Polizisten die mit dem Fall betraut waren und auch das des Täters.
In "Das letzte Schweigen" treffen sie alle aufeinander. Der Hauptkommissar, den der Fall seit über zwei Jahrzehnten nicht in Ruhe lässt, die Mutter die immer noch beinahe täglich an einem kleinen Holzkreuz, das zur Erinnerung an das schreckliche Verbrechen am Tatort steht, vorbeijoggt und die verzweifelten Eltern des über 20 Jahre später verschwundenen Mädchens, die zwischen Bangen und blanker Verzweiflung, Selbstzweifel und gegenseitigen Anschuldigungen hin und her gerissen werden.
Regisseur und Drehbuchautor Baran bo Odar legt großen Wert auf die Figurenzeichnung und schuf ein Psychodrama vom Feinsten. Wenn die Polizisten beispielsweise peinlich berührt im Haus der Eltern des vermissten Kindes herumstehen und stockend nach den richtigen Worten suchen, wirkt der Film schon fast schmerzhaft realistisch.
Im Gegensatz zu ähnlich gelagerten Produktionen wagt sicht Baran bo Odar mit seiner Inszenierung aber auch in Thrillergefilde vor. Suspense und der wiederholte Einsatz von Slow Motion werden in "Das letzte Schweigen" nämlich ebenfalls groß geschrieben. Kindergelächter, bedrohlich anschwellende Musik und bedrohliche Szenarien sorgen für Spannung abseits des ganzen Psychodramas. Streckenweise nimmt "Das letzte Schweigen" schon beinahe surreale, leicht alptraumhafte Züge an.
Durchaus bemerkenswert ist die Riege renommierter Schauspieler, die Baran bo Odar für seinen erst zweiten Langfilm zusammentrommeln konnte. Burghard Klaußner (Das weiße Band), Wotan Wilke Möhring (Antikörper), Kathrin Saß (Good Bye, Lenin!) oder Ulrich Thomsen (Das Fest), um nur ein paar zu nennen, sind schließlich keine Unbekannte und spielen auf gewohnt hohem Niveau. Weniger gut fand ich hingegen das Spiel von Sebastian Blomberg, der irgendwie einen Hand zum Overacting an den Tag legte.
Trotz alledem bleibt irgendwie ein fahler Beigeschmack. Der Film wirkt streckenweise einfach zu bemüht. Die moderne, mit langen Kamerafahrten und Slow-Motion voll gestopfte Inszenierung mag anfangs zwar durchaus cool und interessant wirken, lenkt aber zusehends von den inneren Dramen der Figuren ab. Außerdem nervt es mit der Zeit, wenn ständig die Musik bedrohlich anschwillt und nichts passiert. Hin und wieder hat man sogar das Gefühl einfach einen, zwar guten, TV-Krimi zu gucken. Es sind einfach zu viele problembehaftete Figuren im Spiel. Und wenn man jemand zufälligerweise nicht von den Dämonen aus der Vergangenheit gejagt wird, dann hat dieser jemand halt ein anderes Handycap, zum Beispiel eine Schwangerschaft.
Aber solche Dinge muss man halt in Kauf nehmen, wenn man sich einen gut abgefilmten, recht spannenden, famos besetzten Psychodrama/Thriller aus Deutschland ansehen will. Hinzu kommt, dass es dem Film streckenweise auch wirklich gelingt, einem ein mulmiges Gefühl im Magen zu verpassen und ein paar Szenen sogar noch länger nachwirken.
"Das letzte Schweigen" wirkt manchmal wie eine Mischung aus deutschen Psychodrama mit moderner CSI-Optik. Klingt gewagt, ist aber trotz einiger Schwächen auch verdammt spannend und in seinen besten Momenten sogar beklemmend.