OT: Mystery of the Wax Museum / House of Wax
HORROR: USA 1933, 1953
Regie: Michael Curtiz / André De Toth
Darsteller: Lionel Atwill, Fay Wray, Glenda Farrell / Vincent Price, Frank Lovejoy, Phyllis Kirk, Charles Bronson
Ein Künstler hat's nicht leicht. Auf der einen Seite will er seine Fähigkeiten nachgehen, auf der anderen Seite will er von irgendetwas leben. Im Falle des Wachsfigurenkabinetts funktioniert das nur mit einem finanziellen Spender. Doch bald stellt sich heraus, dass der Spender nicht in die Kunst, sondern nur in die - ausbleibende - Rendite verliebt war. Daraufhin zündet er das Kabinett an, nimmt den Tod des Modellierers in Kauf und kassiert die Versicherungssumme.
Ein paar Jahre später eröffnet ein neues Wachsmuseum - mit erstaunlich echt wirkenden Modellen. Der Modellierer sitzt dabei gefesselt im Rollstuhl, seine Hände sind verbrannt. Und nachts macht eine furchtbar entstellte Gestalt die Stadt unsicher...
Wachsfiguren in drei Dimensionen: HOUSE OF WAX (1953)
Anfang der 50er Jahre kam das Kino in eine ernsthafte Krise. Nach dem Krieg hatte sich in den Speckgürteln der US-Metropolen eine wohlhabende Mittelschicht gebildet. Die blieb abends lieber zu Hause und nutzte zur Entspannung eine der neuen technischen Errungenschaften - das Fernsehen. Hollywood erkannte, dass es nicht mehr genügte, einen guten Film in die Kinos zu bringen.
Vielmehr musste das Kinoerlebnis zu etwas Besonderen werden. Und es wurde besonders: 3D! Stereoton! Und Cinemascope! So schlugen 1953 die Sensationen auf das Publikum ein.
Aber keine davon war wirklich neu. Mit Stereoton hatte Walt Disney bereits 1940 experimentiert. Die breite Leinwand gab es vereinzelt schon zu Stummfilmzeiten. Und stereoskopische (räumliche) Bilder fanden sogar schon vor der Erfindung des Films ihr Publikum.
Nebenbei: auch Cinemascope war der Versuch, ein räumliches Filmerlebnis zu schaffen. Denn die breite Leinwand entsprach nicht nur dem tatsächlichen Blickfeld. Sie wurde aus Schärfegründen am Rand zusätzlich nach vorn gekrümmt. Zumindest in den ersten Kinoreihen wurde man so von der Leinwand geradezu umrahmt und fand sich damit mitten im Geschehen wieder. Dieser durchaus erwünschte Nebeneffekt wurde auch als 3D ohne Brille vermarktet. Natürlich aber ist das echte räumliche Kinoerlebnis eine ganz andere Erfahrung als der Als-ob-Effekt mittels gekrümmter Leinwand.
Wir sehen jedoch nicht alleine mit den Augen räumlich. Erst unser Gehirn setzt aus den beiden verschiedenen Bildern, die das rechte und das linke Auge liefert, das räumliches Bild zusammen. Je weiter ein Gegenstand ist, desto weniger verschieden sind die beiden Bilder, die unser Gehirn erhält. Ein plastischer Effekt entsteht daher nur im Bildvordergrund.
Aus diesem Grund neigen 3D-Filme bis heute zu plakativen Effekten im Vordergrund. Nur darum fliegt die Axt an unseren Köpfen vorbei, und nur darum grabscht die Monsterpranke nach unserer netten Kinobegleitung. Der Bildhintergrund dagegen wird mehr oder minder übersehen. Damit ignorieren stereoskopische Filme aber eine einfache Tatsache: Erst aus dem Zusammenspiel des plastischen Bildvordergrundes und dem perspektivischen Hintergrund entsteht ein natürliches, vertrautes Bild. Und nur so kann sich ein Raumgefühl einstellen.
Zwar fuchtelte auch in HOUSE OF WAX ein Ping-Pong-Spieler mit seinem Ball im Kinosaal rum. Allerdings leistet sich der Film tatsächlich nur dieses eine 3D-Gimmick. Ansonsten lotete er die dritte Dimension aus, um Räume zu gestalten.
Unfassbar wirkt die Verfolgungsjagd durch das nächtliche London. Vorn das Ungeheuer, hinten das Opfer, das panisch in die Dunkelheit flüchtet. Beeindruckend ist der plastisch fühlbare Flammentod der Wachsfiguren zu Beginn. Der Zuschauer leidet mit ihnen, als ob sie lebendig wären. Aber auch in einfachen Szenen hat jedes Bild einen Vorder- und einen Hintergrund. Fast schon penetrant beharrt HOUSE OF WAX auf seine enorme Tiefenwirkung. Und führt so die Stereoskopie zu ihrer wahren Bedeutung.
Ein Treppenwitz der Filmgeschichte ist, dass Regisseur André de Toth auf einem Auge blind war. Er näherte sich allein mit mathematischen Überlegungen einer Dimension, die er nie erfasste. Vielleicht war gerade die Wahl eines augenscheinlich ungeeigneten Regisseurs die entscheidende Weichenstellung, dem Film eine nicht nur räumliche, sondern auch eine menschliche Tiefe zu geben. Denn André de Toth zeigt zwar kleine menschliche Makel mit einem Augenzwinkern, aber er nimmt ihre Gefühle immer ernst. Und so vermittelt de Toth mit einer neuen, aber überlegen eingesetzten Technik eine klassische Horrorgeschichte, in der immer die Monster die eigentlichen Opfer sind.
Wachsfiguren in zwei Farben: MYSTERY OF THE WAX MUSEUM (1933)
Die Geschichte um das Wachsmuseum erweckt durchaus gewollt den Eindruck, der Blütezeit des Gothic Horrors des späten 19. Jahrhundert zu entstammen. Tatsächlich aber schrieb sie ein bezahlter Autor in Diensten von Warner Brothers erst Anfang der 1930er Jahre. Warner Brothers wollte damit an den Erfolg von Michael Curtiz unheimlichen DR. X anknüpfen.
DR. X war 1932 ein Wagnis: Warner Brothers griff damit direkt den Konkurrenten Universal an, der sich auf Horrorfilme spezialisiert hatte. Aber man hatte auch ein sensationelles Argument: DR. X war nämlich in Farbe. Und die hatte in Horrorfilmen traditionell nichts zu suchen. Von der Vorstellung, dass Horrorfilme schwarz-weiß sein müssen, verabschiedete man sich erst mit der Neuverfilmung von DRACULA 25 Jahre später.
Allerdings war die Farbtechnologie damals noch in den Kinderschuhen. Technicolor hatte ein Farbsystem entwickelt, das mit zwei Grundfarben auskommen musste. Das komplette Farbspektrum kann man aber erst mit drei Grundfarben abdecken. Folglich wirkte das Zweifarben-Technicolor wie nicht von dieser Welt, sondern märchenhaft entrückt und pastellartig. Auf Blau musste man dazu verzichten.
Aber da DR. X nun den Weg vorgezeigt hatte, drehte man auch man auch WAX MUSEUM zweifarbig - ohne zu ahnen, dass die Dreifarbentechnologie parallel dazu gerade entwickelt wurde. Und getreu dem Motto Never change a winning team wurden neben Regisseur Michael Curtiz auch die beiden Hauptdarsteller Lionel Atwill und Fay Wray wieder zusammengetrommelt.
Fay Wray sollte ihre Rolle des Lebens in gleichem Jahr als Scream Queen in KING KONG haben. Hier aber ist sie eine ziemlich toughe Reporterin, die mutig in die Höhle des Löwen - also in das Wachsmuseum - einbricht, um dessen Geheimnis zu lüften. Sie steht auch ihren Mann gegenüber ihrem Vorgesetzten und weiß trotzdem, ihre weiblichen Waffen gezielt einzusetzen.
Sie ist damit so ganz anders als die schüchterne Heldin des Remakes, die alleine mit großen Rehblickaugen die Gefahr abwenden will. Und noch größer ist der Kontrast zu deren Freundin. Denn die spielt im Remake ein blondes Dummchen so hart an der Grenze zur Parodie, dass man dahinter fast Absicht vermuten muss. Die lustige Piepsstimme gibt der Rolle dann den Rest. So ist dann das Frauenbild ein Spiegel seiner Zeit. Im Original spürt man noch den Aufbruch der Roaring Twenties und der Flapper-Girls mit ihrem selbstbewussten Sexappeal. Das Remake zelebriert dagegen das biedere Heimchen-hinterm-Herd.
Es sollte gut noch 15 Jahre dauern, bis sich Frauen wieder emanzipierten.
MYSTERY OF THE WAX MUSEUM und HOUSE OF WAX erzählen die klassische Gruselgeschichte einer Rache. Das Geheimnis um das Wachsfigurenkabinett ist vielleicht heute keines mehr, denn dazu ist die Geschichte zu bekannt. Zeitweise sind zwischen Original und Remake so wenig Unterschiede auszumachen wie zwischen Mensch und Wachsfigur. Aber verblüffend ist in beiden Fassungen der technische Aufwand, der betrieben wurde, um ein möglichst unmittelbares Kinoerlebnis zu schaffen.
Und zumindest beim Original wirken die Wachsfiguren nicht nur zum Verwechseln echt - sie sind es. Denn Wachs wäre im heißen Scheinwerferlicht einfach geschmolzen.