MYSTERY-THRILLER: D, 1933
Regie: Fritz Lang
Darsteller: Rudolf Klein-Rogge, Sr. Oscar Beregi, Henri Pleß
Dr. Mabuse ist seit jeher besessen von der Idee, die Menschheit zu vernichten. Selbst als Patient einer Nervenklinik und nach seinem Tod gelingt es ihm durch die Macht der Manipulation seine teuflischen Pläne zu verwirklichen...
KRITIK:Nach Ansicht dieses Meisterwerkes muss man sich erst einmal sammeln. "Atemberaubend!" huscht es einem da durch den Schädel. Dann blickt man nochmal aufs DVD-Cover um sich zu vergewissern. Ja, es stimmt, dieser Film ist 1933 gedreht worden. Der österreichisch-deutsche und später amerikanische Regisseur und Drehbuchautor Fritz Lang steht vielleicht ein wenig zu Unrecht im Schatten von Alfred Hitchcock. Womöglich liegt es nur daran, das Hitchcock länger erfolgreich war, denn wenn man beider Frühwerk vergleicht, dann hat Lang eindeutig die Nase vorne.
Dieser Mann, natürlich neben seinen Kollegen des deutschen Expressionismus, hat so ziemlich alles erfunden, was wir heute im amerikanischen Genrekino tagtäglich vor die Nase gehalten bekommen. Kamerafahrten durch Fenster, wie Explosionen, Schießereien und visuelle Effekte montiert werden, die Vorwegnahme des Tones einer Szene bevor man sie sieht. Seine Werke "Metropolis", "Die Nibelungen" und den Science-Fiction-Klassiker "Die Frau im Mond" sind sowas wie die Vorläufer der heutigen Blockbuster.
Damals hatten sie es eben leichter, meinte er in einem Interview, denn damals durften sie sich austoben und experimentieren. So findet sich in seinen Filmen u.a. der ersten Regenbogen der Filmgeschichte und ebenfalls zum ersten Mal wurde das berühmte Schüfftan-Verfahren (eine Art Vorläufer der Bluebox) eingesetzt. Da muss man unweigerlich daran denken wie lange heute selbst ein David Fincher diskutierten musste um seine 10 Millionen Dollar Kamerafahrt am Anfang von Panic Room bewilligt zu bekommen...
Kurz: "Das Testament des Dr. Marbuse" ist ein großartiger und zeitloser Film geworden, wo sich das Grauen mit leichten Humor und atemberaubenden Bildern heranschleicht, natürlich nicht ohne eine ständig anwachsende Spannungskurve zu erzeugen. Und so nebenbei ist dies (sicher auch neben "M - Eine Stadt sucht einen Mörder") der Prototyp des modernen Thrillers, dessen Motive und Handlungsabläufe hier zu einem der ersten Male durchexerziert, ja womöglich entwickelt wurden.
Und jetzt kommt der Clou: Mabuse ist nicht nur das. Er stellt auch ein Sittenbild und einen Kommentar zur Zeitgeschichte der Weimarer Republik dar. Der wahnsinnige Marbuse träumt von einer "Herrschaft des Verbrechens". Seine ganze Vision spiegelt eindeutig die Machtübernahme und die Kommunikationsmethoden und -inhalte der Faschisten wider. Propagandaminister Goebbels war natürlich not amused. Er und Hitler hatten gerade beschlossen Fritz Lang zum "Führer-Regisseur" zu machen, der den "nationalsozialistischen Film" inszenieren sollte. Neben den politischen Anspielungen missfiel ihnen vor allem das Ende, da den Missetäter der Wahnsinn befällt. Sie hätten ihn lieber, ähnlich wie bei "M", durch den Mob gelyncht gesehen, eine symbolische Entfaltung des Volkszornes. "Dr. Marbuse" wurde kurzerhand verboten.
Fritz Lang flüchtete am Abend nachdem ihm Goebbels angeboten hatte, den deutschen Film zu übernehmen, nach Paris und kehrte erst im Jahre 1956 nach Deutschland zurück. Er konnte nie wieder auf dem Niveau und mit der Freiheit, die er im Deutschland der Weimarer Republik gehabt hatte, Filme machen. Aber sein filmisches Testament lässt ihn noch heute zu den ganz Großen der Kinematographie gehören. Und "Das Testament des Dr. Mabuse" ist einer der bedeutendsten Ausprägungen davon.
Ist "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" die Mutter, so ist "Das Testament des Dr. Mabuse" inhaltlich als auch formal der Vater des heutigen Psychothrillers. Die zusätzlich eingearbeiteten erschütternden Andeutungen über die Gräuel des Nationalsozialismus und expressionistisch-suggestiven Schreckensbilder runden den Film zu einem der großen Meisterwerke der Filmgeschichte ab.