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Das Geheimnis der gelben Narzissen

Das Geheimnis der gelben Narzissen

KRIMI / GIALLO: D/GB, 1961
Regie: Ákos von Ráthonyi
Darsteller: Joachim Fuchsberger, Christopher Lee, Sabine Sesselmann, Klaus Kinski, Ingrid van Bergen

STORY:

Eine mysteriöse Mordserie hält London in Atem. Opfer sind ehemalige Damen eines Nachtclubs, die auch noch als Tote eine gute Figur machen - und einen Strauß Narzissen als letzten Gruß vom Mörder erhielten. Als auf dem Flughafen auch noch künstliche Narzissen angeliefert werden, die niemand abholt, ergibt sich eine Spur zu einer dubiosen Spedition ...

KRITIK:

Von den vielen erfolgreichen Edgar-Wallace-Filmen war DAS GEHEIMNIS DER GELBEN NARZISSEN der größte Publikumsrenner. Satte 3,5 Millionen Bundesbürger strömten damals ins Kino. Man will das heute gar nicht mehr glauben, denn gerade im Vergleich zu den Höhepunkten der Reihe wirken die NARZISSEN auf den ersten Blick eher unscheinbar.

Doch sowohl Marketing als auch Zeitpunkt waren perfekt. Im Sommer 1961 war der Gipfel des Wallace-Hypes erreicht. DIE TOTEN AUGEN VON LONDON hatte die Reihe sowohl qualitativ als auch kommerziell in neue Dimensionen gebracht. Aber auch die TOTEN AUGEN waren wie bis dato alle Edgar-Wallace-Filme eben nicht in London, sondern in Deutschland gedreht. Die Erwartungshaltung an die NARZISSEN wurde allein dadurch ins Unendliche gesteigert, als bekannt wurde, dass er an Originalschauplätzen entstanden ist.

Doch der scheinbare Vorteil war eigentlich ein Nachteil. Denn er wurde nur durch eine Kooperation mit einem englischen Studio möglich. Das wiederum bestand darauf, für den britischen Markt auch parallel eine Fassung mit englischsprachigen Darstellern zu drehen. Dadurch lastete auf der Produktion von vornherein der Druck, in mehr oder minder der gleichen Zeit zwei Filme abzuliefern.

Überhaupt war es eine schwere Geburt.

Denn DAS GEHEIMNIS DER GELBEN NARZISSEN sollte eigentlich sogar vor DIE TOTEN AUGEN VON LONDON gedreht werden. Aber die Adaption der Vorlage erwies sich als schwierig, bis man irgendwann die Reißleine zog und einen radikalen Schritt vollzog. Das am Ende mehrfach überarbeitete Drehbuch stellt die Vorlage quasi auf den Kopf. Auch die Wahl, dem Komödienspezialisten Ákos von Ráthonyi die Regie anzuvertrauen, scheint eher aus der Not geboren denn eine Herzensangelegenheit gewesen zu sein. Geplant waren eigentlich Harald Reinl oder Jürgen Roland, also die Regisseure der ersten beiden Wallace-Verfilmungen.

Andererseits war sich von Ráthonyi seiner eher beschränkten Fähigkeiten durchaus bewusst. Von Anfang an steuerte auf ein Ziel zu. Und das hieß: Maximales Tempo, um den Zuschauer erst gar nicht zum Nachdenken zu bringen. Wir haben nicht mal zehn Minuten um, da sind bereits acht Hauptcharaktere eingeführt, eine Bardame hat unfreiwillig ihr Leben gelassen, Heroin wurde in künstlichen Narzissen geschmuggelt und ein Sprengstoffattentat wurde von einem falschen Polizisten verübt.

Und direkt danach geht es in den zwielichtigen Cosmos-Club, wo Gloria, "Die super-sex-bombe aus deutschland" (so das Plakat) um die Aufmerksamkeit der Zuschauer buhlt. Ráthonyi zeigt ein Kino der Sensationen und ist nah am Puls der Zeit. Blickt man in die weitere Zukunft der Filmgeschichte, sieht man, wohin der Fingerzeig reicht: Kryptische Titel, vermummte Killer, schwarze Handschuhe, fetischisierte Morde an hübschen Damen. Und dann sind es auch noch ausgerechnet gelbe Narzissen.

Wer jetzt noch fragt, wovon die Rede ist, hat vermutlich noch nie einen Blick in das umfangreiche Archiv von filmtipps.at gewagt. Selbst die Loungemusik erinnert schon an den Soundtrack der Sechs Damen für den Mörder. Und es zeigt sich, dass der Giallo letztlich nur das Destillat einer Stimmung war, die sich bereits seit Ende der 50er Jahre im europäischen Kino ausbreitete.

Das hohe Tempo hält der Film zwar nicht über die ganze Laufzeit aufrecht. Und spätestens nach der Hälfte fängt man an, den Überblick über das komplizierte Beziehungsgeflecht der zahllosen Verdächtigen zu verlieren. Die Auflösung geht in dem Tohuwabohu fast unter, auch wenn sie mit einem wörtlichen Knalleffekt präsentiert wird. Aber zu diesem Zeitpunkt hat der Film bereits seine eigene Identität gefunden. Und das ist nicht unbedingt die, die man sonst bei Edgar Wallace antrifft.

Das Geheimnis der gelben Narzissen Bild 1
Das Geheimnis der gelben Narzissen Bild 2
Das Geheimnis der gelben Narzissen Bild 3
Das Geheimnis der gelben Narzissen Bild 4
Das Geheimnis der gelben Narzissen Bild 5
Das Geheimnis der gelben Narzissen Bild 6
Das Geheimnis der gelben Narzissen Bild 7
FAZIT:

Der erfolgreichste Wallace-Film aller Zeiten. Die NARZISSEN sind Kino der maßlosen Übertreibungen und der falschen Versprechen. Das wohlig-gruselige Wallace-Feeling will sich zwar partout nicht einstellen. Dafür ist der Film tatsächlich zu modern. Nur bei der Striptease-Szene wirkt er altmodisch. Das passt zu einem Film, in dem eigentlich nichts zusammenpasst, der aber gerade dadurch einen eigenen Weg fand.

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TEXT © Marcel
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