OT: Xich lo
DRAMA: VIETNAM/F, 1995
Regie: Tran Anh Hung
Darsteller: Tony Leung, Le Van Loc, Tran Nu Yên-Khê
Cyclo ist das alte kolonial-französische Wort für eine Fahrrad-Rischa und auch für ihren Fahrer. Das Leben eines namenlosen Rischafahrers in Saigon gerät aus den Fugen, als sein Gefährt gestohlen wird. Die Mafia, in deren Auftrag er unterwegs war, verlangt, dass er den Verlust abarbeitet: Mit kleinen Aufträgen wie Sabotageakten und Brandanschlägen. Der Cyclo findet Gefallen am Gangsterleben und am schnell verdienten Geld. Erst als ihm ein Mord befohlen wird, beginnt sich sein Gewissen zu melden ...
KRITIK:1995 gewann Cyclo, der zweite Film des in Frankreich lebenden Exil-Vietnamesen Tran Anh Hung den Wettbewerb von Venedig. Die Presse überschlug sich damals mit Lobeshymnen: "Ein Film von allerstärkster visueller Kraft und in seiner Komplexität von jenem Gehalt, aus dem die Meisterwerke entstehen." Schrieb die Berliner Morgenpost.
Das ist gar nicht übertrieben. Man stelle sich eine Quersumme aus dem filmischen Schaffen von Ken Loach, Martin Scorsese und Kim Ki-Duk vor, um eine ungefähre Ahnung zu bekommen, wohin die cineastische Reise mit dem Cyclo geht: Der Film beginnt als Bebachtung des Alltagslebens in den Mean Streets von Saigon: Fast ohne Dialog, nur mit unablässig dröhnenden Straßenlärm unterlegt, folgt die Handkamera dem Weg des Rischkafahrers durch eine brodelnde, laute, chaotische und gewalttätige fernöstliche Metropole.
So geht es fast zwei Stunden dahin - was Unvorbereiteten - bzw. an semi-dokumentarischen Beobachtungen nicht sonderlich Interessierten möglicherweise Probleme bereiten könnte.
Erst gegen Ende nimmt Cyclo eine Wendung zum harten, fiebrigen Großstadt-Thriller mit Hang zum Surrealen: Radioheads "Creep" veredelt eine traumschöne Tanzszene, Blut fließt in Strömen, der Bildschirm explodiert förmlich in einem Farben- und Bilderrausch:
Eine dreiminütige explizite Hinrichtungsszene dürfte selbst abgebrühten Fans fernöstlicher Genre-Ware die Gesichtszüge einfrieren lassen. Verantwortlich dafür ist der bewährte Tony Leung (Bullet in the Head, 2046),
der hier einen melancholischen Killer mit poetischen Ambitionen gibt.
Zugegeben, ganz frei von einer gewissen - ähm - Platitüdenhaftigkeit - ist diese Figur nicht. Aber in Punkto Charisma und Leinwandpräsenz kann dem Hongkong-Superstar niemand das Wasser reichen.
"In Cyclo geht es um Männerarbeit und um Gewalt, die von Männern ausgeht, aber mein Film zeigt beides auf eine zärtliche Art". So die Worte des Regisseurs im 8-seitigen Booklet, das viele interessante Informationen zum Film enthält. Womit wir auch schon bei den technischen Daten wären: Die Bildqualität des 10 Jahre alten Streifens ist sehr gut; aber abgesehen von einer Trailershow und einem kurzen Making-of-Clip, gibt's kein Bonusmaterial. Dennoch ein unbedingter Kauftipp für Freunde des avancierten asiatischen Gewalt-Kunstkinos.
Bildgewaltiger, semidokumentarischer "Arthouse"-Thriller made in Vietnam, der erfolgreich auf diversen Festivals lief. Kauftipp für Freunde des asiatischen Gewalt-Kunstkinos.