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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Cosmopolis

Cosmopolis

GROTESKE(?): CAN, 2012
Regie: David Cronenberg
Darsteller: Robert Pattinson, Paul Giamatti, Mathieu Amalric, Juliette Binoche

STORY:

Auf den leuchtenden Monitoren in seiner Strechlimo kann der schwerreiche Spekulant Eric Packer (Robert Pattinson) live zusehen, wie seine Millionen im Minutentakt verpuffen. Während rund um ihn die Welt zusammenbricht, hat Packer Wichtigeres zu tun: Er will zum Friseur. Und nichts und niemand wird ihn aufhalten, weder Straßensperren noch Demonstranten, und schon gar nicht der verrückte Attentäter, der Packer ins Visier genommen hat ...

KRITIK:

Der kanadische Filmemacher David Cronenberg hat eine bemerkenswerte Transformation hinter sich: Explodierende Köpfe und Sex mit Narben von Unfallopfern, das war gestern. Ich fand ja schon seine Wandlung hin zum Schöpfer ungewöhnlicher Thriller (A HISTORY OF VIOLENCE, EASTERN PROMISES) ebenso spannend wie seinen Abstecher ins klassische Schauspielerkino (A DANGEROUS METHOD).

Das Timing für COSMOPOLIS könnte besser nicht sein: Mich ängstigt ja der ganz reale Horror im Wirtschaftsteil meiner lachsrosa Tageszeitung mehr als jeder verdammte Torture-Porn. Meine Erwartung an COSMOPOLIS war ein Film, der etwas so Bedrohliches und dennoch schwer greifbares wie den (nahenden?) Zusammenbruch des globalen Finanzsystems in packendes Thriller-Kino übersetzt. Wie im großartigen MARGIN CALL, nur eben expressiver, artifizieller, gerne blutiger, eben Cronenberg-like.

Doch COSMOPOLIS entpuppt sich als ein Film, der jeder wie auch immer gearteten Erwartungshaltung mit voller Absicht in die Weichteile tritt. Thriller? Spannungskino? Fehlanzeige. Im Grunde passiert in den 108 Minuten seiner Spielzeit so gut wie nichts - und das ist wohl auch die Pointe.

Ist COSMOPOLIS deshalb ein Reinfall? Mitnichten. COSMOPOLIS ist ein zäher, spröder Mindfuck von einem Film. Zwischen Absurdem Theater, schwarzhumoriger Groteske und Charakterstudie entspinnt sich ein düsteres Drama um einen Mann, der sich ein goldenes Gefängnis geschaffen hat und in diesem zugrunde gehen wird.  

"Twilight"-Posterboy Robert Pattinson ist vom Teenie-Film ins Charakter-Fach gewechselt. Ein Vampir ist er trotzdem geblieben. Käsebleich, mit müdem Blick und ausgebrannt kauert er in den Ledersesseln seiner Strechlimo, die wie ein riesiger fahrender Sarg anmutet. Draußen gerät die Welt, wie wir sie kennen, aus den Fugen, drinnen wird Champagner getrunken, gevögelt und über das Leben - oder was das millionenschwere arme Schwein von einem Finanzguru dafür hält - philosophiert. Was gesprochen wird - und es wird sehr sehr viel gesprochen - puh, selten einen dermaßen dialoglastigen Film gesehen - ist weitgehend nebensächlich, interessant ist das wie.

Cronenberg hat in diesem Interview mit der taz die endlosen Dialoge recht treffend mit Musik verglichen, bei der es auch nicht auf die einzelnen gesungen Worte ankommt, sondern auf die Stimme, die Rhythmik, die Intonation. Und es fallen wunderschöne Sätze, die man glatt mitschreiben sollte: "Talent ist erotischer, wenn es verschwendet wird."

Doch das alles kann nicht von der Tatsache ablenken, dass COSMOPOLIS auf die Dauer etwas ermüden kann. Wer eine klare Aussage oder auch nur eine logische Auflösung erwartet, sitzt sowieso im falschen Film, denn: "Wer Filme mag, die alles er- und aufklären, die kein Rätsel lassen, wird davon vielleicht überfordert sein oder sich vor den Kopf gestoßen fühlen."
(David Cronenberg im Interview mit der taz).

Ein Pflichtfilm ist Cosmopolis dennoch. Allein schon der Schauspieler wegen. Robert Pattinson spielt im Grunde eine ähnliche Rolle wie einst Christian Bale in AMERICAN PSYCHO. Und er spielt sie verdammt gut. Juliette Binoche lockert die Stimmung mit einen Quickie zwischen den Limo-Sitzen auf, Mathieu Amalric schmeisst mit Ratten um sich, und Paul Giamatti schließlich holt den abgehobenen Multimilliardär zurück auf den dreckigen Boden der Tatsachen ...

Cosmopolis Bild 1
Cosmopolis Bild 2
Cosmopolis Bild 3
Cosmopolis Bild 4
Cosmopolis Bild 5
FAZIT:

Der neue Cronenberg: Ein wüster, zäher Mindfuck von einem Psycho-Drama, der das Innenleben eines gierigen Finanzhais ergründen möchte - und nichts findet. Robert Pattinson in der Rolle seines Lebens, soviel ist jedenfalls sicher.

WERTUNG: 7 von 10 Gesundenuntersuchungen
Dein Kommentar >>
seves | 13.09.2012 01:16
guter film - zu wenig inhalt


6/10
>> antworten
Tanja | 22.07.2012 18:49
Absolut treffendste Kritik die ich zu Cosmopolis bisher gelesen hab.
>> antworten
Gregor | 08.07.2012 21:24
Klingt interessant. Aber jeder neue Cronenberg-Film gehört ja eh zum Pflichprogramm.
Harald | 08.07.2012 21:53
"Interessant" ist genau das richtige Wort; als wirklich gelungen kann
ich ihn leider nicht bezeichnen.
Ich hätte jetzt gerne eine Zeitmaschine und möchte wissen, wie
Filmkritiker im Jahr 2030 diesen Film beurteilen werden.
Oder lieber nicht, denn vermutlich wird es im Jahr 2030 weder
(Kino-)Filme noch Kritiker geben.
>> antworten
Djan | 08.07.2012 11:25
ja die romanvorlage ist ja von don delillo, wundert mich nicht, dass der film recht kryptisch und absurd sein soll....
>> antworten
Nic | 08.07.2012 02:30
hab zwar alles verstanden, war jedoch "als cineast"
enttäuscht. viele ideen und wahre wortspenden
zusammengemixt, "ohne dabei ans publikum zu denken".
das reicht nicht für ein drama, auch nicht für eine
komödie - jedenfalls funktioniert der film imo
nicht.

die philosophen und zeitgeistler unter uns finden
sicher "etwas" daran, nur wenige werden ihn "als
guten film" empfinden.

naja... andi schau du und sprich :)
Andreas | 08.07.2012 13:02
unmöglich! pattersons anblick könnte gut verdrängte twilight traumen wieder ans tageslicht bringen...
Andreas | 08.07.2012 13:02
"traumata" mein ich natürlich. waaaaa! es fängt schon an!
>> antworten