OT: Nae-ga-sal-in-beom-i-da
THRILLER: Südkorea, 2012
Regie: Jeong Byeong-gil
Darsteller: Jeong Jae-yeong, Park Si-hoo, Kim Yeong-ae, Kim Young-Ae
"Ich habe noch großes vor mit dir...- Wart's nur ab!" eröffnet der gesuchte Serienkiller - ein zehnfacher Frauenmörder -, der mit seinem Hut, seiner Maske, seinen Handschuhen, seinem Mantel und seinem scharfen Messer fast wie ein Phantom aus Mario Bavas BLUTIGE SEIDE wirkt, dem blutenden, geschlagenen Polizisten am Ende einer Verfolgungsjagd durch regengepeitschte Straßen, die in Wahrheit erst der Anfang ist. Eine Drohung, die sich viele Jahre später erfüllen wird...
Anders als bei uns verjährt in Südkorea, wo dieser Film spielt, auch ein Kapitalverbrechen wie Mord nach 15 Jahren. Mit der Konsequenz, dass ein Killer, selbst wenn er nach dieser Frist seine Taten öffentlich gesteht, straffrei ausgeht.
CONFESSION OF MURDER, der neueste Beitrag zum Serienkillerfilm aus Südkorea, greift dieses Unding auf und treibt es gnadenlos auf die Spitze. Regisseur und Drehbuchautor Jeong Byeong-gil beschreibt das unfassbare Szenario, dass ein Serienkiller - jung, unverschämt gutaussehend und mit Sixpacks am durchtrainierten Körper- just nach Ablauf der Verjährungsfrist rotzfrech vor die Kameras tritt, ein Buch über seine Taten veröffentlicht und von nun an Dauergast in Talkshows und Signierstunden ist.
Serial Killer Superstar... Man denkt, ein solches Szenario sei unmöglich. Eine Farce. Eine Groteske. Eine infernale Komödie. Und doch weiß man, dass dem leider nicht so ist. Jack Unterweger, der selige Frauenwürger aus der Wiener Schickeria, entsendet die besten Wünsche aus dem Grab und erinnert an seine Jahre des Ruhms zwischen Champagner und Prostituiertenmord. Man klicke auf die Warenkörbe in den Onlineshops, die Merchandise (!) von Serienkillern paketeweise feilbieten. (Eine Ed-Gein-Kaffeetasse, gefällig? Oder darf es lieber ein T-Shirt mit dem Konterfei des Night Stalkers sein?) Und auch wenn man es kaum glauben mag, ist es wohl tatsächlich so, dass Tag für Tag wahre Berge an Liebesbriefen in den Poststellen der Gefängnisse eingehen; adressiert an Serienvergewaltiger, Mörder und Sexualstraftäter.
Wenn in CONFESSION OF MURDER der junge attraktive Mann mit seinen Haare schön, den zehn Frauen auf dem Gewissen und dem scheinbar geläuterten Lächeln in die Kamera blickt, will man verzweifelt glauben, dass wir es hier mit einer schwarzen Mediensatire, einer Groteske, zu tun haben; doch schaut in die Zeitungen oder in euren Fernseher zuhause: Wir leben in einer seltsamen Welt.
In CONFESSION OF MURDER ruft dieses Lächeln jedoch nicht nur scharenweise Serienkiller-Groupies auf den Plan, sondern auch den Cop von damals und die Hinterbliebenen der Opfer. Die Mütter, die Väter, Geschwister, Partner und Freunde, die eines geliebten Menschen brutal beraubt wurden, aber deren Schmerz die Welt längst vergessen hat. Von Tränen und Leid verhärmte Gesichter sind eben nicht so sexy wie das kalte, weiße Lächeln eines Psychopathen.
In seiner Grundprämisse richtig clever wird nun der Bogen von der südkoreanischen Problematik der Verjährungsfrist bei Mord über perversen Medienrummel hin zu den Fixpunkten fast eines jeden Serienkillerfilms geschlagen. Nun bahnt sich endlich der Showdown zwischen Cop und Psychopath an. Und natürlich wird man sich am Ende auch mit dem Thema Selbstjustiz auseinandersetzen müssen; spätestens seit Park Chan-wooks grandioser Rache-Trilogie ebenfalls eine südkoreanische (Film-)tradition.
Überhaupt liegt Südkorea das Metier des Serienkillerfilms wie kaum einem anderen Land. Erinnern wir uns nur an den so eindringlichen wie grandiosen MEMORIES OF MURDERS, einen Film, den ich persönlich sieben Tage die Woche vor Finchers ZODIAC ziehe. Oder etwas weniger filigran, dafür brutaler und kontroverser: I SAW THE DEVIL. Unser Chef Harald war außerdem von THE CHASER begeistert.
CONFESSION OF MURDER - als neuester Streich aus diesem Bereich - mit seiner hochinteressanten und brisanten Grundidee hat in mir entsprechend hohe Erwartungen geweckt. Doch das Meisterwerk, das es hätte sein können, ist Byeong-gils Filmdebüt leider nicht geworden.
Nicht falsch verstehen; CONFESSION OF MURDER bietet Spannung und Unterhaltung, Twists und Action von Anfang bis Ende. Schlecht ist das zu keiner Zeit. Nur hatte Byeong-gil für meinen Geschmack etwas zu sehr die Sehgewohnheiten des herkömmlichen Kinogängers im Hinterkopf. Und dadurch trifft er nicht immer den seiner Themen angemessenen Ton.
Da inszeniert er die Tragödie bisweilen munter als Popcorn-Kino. Mit spektakulären Verfolgungsjagden und halsbrecherischen Stunts; mit stylisch umherwirbelnden computeranimierten Glasscherben und Wrackteilen. Da kommt unpassend Humor ins Spiel, wenn ausgerechnet die tragischen Figuren der Opfer-Hinterbliebenen als schwarzkomödiantische Killerkommandos in Erscheinung treten, die absurde Mord- und Entführungskomplotte ausbaldowern. Erst als man dann auf den Spuren einer endlich runder wirkenden Mediensatire die Kurve zurück auf die üblichen twistreichen Bahnen des Showdowns zwischen Jäger und Gejagten bekommt, beginnt der Film wieder damit, sein riesiges Potenzial auszuschöpfen.
Am Ende fühlt man sich als Zuschauer zwar ordentlich unterhalten, aber -trotz einer traurigen Schlusssequenz- längst nicht so ergriffen wie es hätte sein können. Oder gar sein müssen.
Serial Killer Superstar! Als seine Taten verjährt sind, tritt ein zehnfacher Frauenmörder lächelnd und mit einer Autobiographie im Gepäck vor die Kameras. Sowohl der Bulle, der ihn nie fassen konnte als auch die Hinterbliebenen wittern die Morgenluft der Selbstjustiz...- Die Grundidee ist grandios; kombiniert sie doch einige hochbrisante Themen des Serienkillerfilms zu einem stimmigen Ganzen. Doch ein neues Thrillermeisterwerk aus Südkorea wird dadurch verhindert, dass Regiedebütant Byeong-gil der Spagat zwischen düsterem Serial Killer-Flick, Mediensatire und Action-Popcornkino nicht hundertprozentig glückt. Obgleich die hohen Sphären eines Park Chan-wooks Rachefilm oder eines True Crime-Geniestreich wie MEMORIES OF MURDER nicht erreicht werden; bietet CONFESSION OF MURDER von Vor- bis Abspann genug Spannung, Twists und Action für einen lohnenden Filmabend.