THRILLER: USA, 2004
Regie: Michael Mann
Darsteller: Tom Cruise, Jamie Foxx, Jada Pinkett Smith, Mark Ruffalo, Peter Berg
Der Profikiller Vincent heuert den Taxifahrer Max an, ihn von Auftragsort zu Auftragsort zu chauffieren. Schnellverdientes Geld denkt sich Max, der ihn Vincent nichts weiter sieht als einen fremden Geschäftsmann. - Bis eine Leiche auf dem Dach seines Taxi landet.
KRITIK:Ein Taxifahrer in L.A. Ein großer Traum vom eigenen Unternehmen. Zwölf Jahre, die scheinbar spurlos vorüber ziehen. Sorgfältig richtet Max sich zu Beginn seiner Schicht in seinem Dienstwagen ein und ist die Fahrertür zu, beginnt der Alltag, die Routine. Ein letzter Blick auf das Bild einer Insel in der Innenseite der Sonnenblende.
Die Straßen der Stadt kennt Max wie seine Westentasche, den Rhythmus des Verkehrs scheint er zu atmen und sogar Ankunftszeiten prognostiziert er ohne Fehl. Wer wünscht sich nicht so einen Fahrer?
Max (Jamie Foxx) ist uns deshalb so sympathisch, weil wir uns mit ihm identifizieren können. - Wir arbeiten darauf hin, gut zu sein in unserem Job, wie Max. Arbeiten Prinzipien aus, erschaffen ein Dienstleister- Alter Ego für eine künstliche Plattform von Kommunikation. Auftraggeber, Auftragnehmer. Unser Wille fusioniert mit dem Bedarf der Welt. - Alles nicht so schlimm, wenn wir uns nicht was vormachen würden, uns selbst betrügen mit Visionen einer "besseren" Zukunft. Die Routine ist der Tunnel durch die Gegenwart. 12 Jahre und doch hat sich nichts verändert. Die Zeit ist stehen geblieben.
Wenn Max am Steuer sitzt, den Kopf schüttelt, seufzt und wie gerade erwacht wirkt, weil gerade eben eine hinreißende Frau ausgestiegen ist, die er vielleicht nie wieder sehen wird, dann erkennen wir diesen Max, die Person dahinter, zum ersten Mal richtig und erhaschen einen kleinen Blick auf eine einsame Seele. Und es ist ein rührender Moment.
Doch, die smarte Anwältin (Jada Pinkett-Smith) klopft ganz unverhofft an das Seitenfenster und fast schon schüchtern gibt sie dem fremden Fahrer, der beim Plausch Interesse offensichtlich nicht bloß vor geheuchelt hat, ihre Visitenkarte.
Das hat was! Und Wong Kar Wai lässt grüßen. Eine Annäherung, die entzückt, weil sie so natürlich wirkt.
Die Schicht geht weiter. Der nächste Fahrgast, ein Mann im grauen Anzug. Die Haare stahlgrau. Vernarbtes, verwittertes Gesicht. Vincent (Tom Cruise). Es wäre eine erfolgreiche Nacht geworden, Max hätte 700 Dollar verdient, doch leider fällt Vincents Freund unverhofft auf das Taxi. Tot. Und anhand wie Vincent aus dem Haus in die Nebenstraße mit dem beschädigten Taxi und einem aufgelösten Max kommt, wie er um sich blickt, konzentriert und scharfsinnig, erkennen wir nun die wahre Person hinter diesem adretten Anzugträger. Ein kaltblütiger Profi-Killer, wie er im Lehrbuch steht.
Michael Mann ist bekannt für seinen Rollenprofilfetisch. Über Monate dringt er mit seinen Schauspielern in ihre Rollen, entwickeln zusammen eine ausgefeilte Psyche der Rolle, überlegen sich Lebensläufe, Macken und Gesten um danach wirklich die Rolle bis ins Haar zu verkörpern.
In jedem Michael Mann Film sieht man die Spannung der Akteure, erkennt sie in jeder Bewegung. Wenn etwa Tom Cruise auf eine minimale Bewegung in Jamie Foxx Spiel blitzschnell die Waffe zückt und auf ihn richtet, das Gewicht verlagert, den richtigen Stand sucht, dann zeigt sich diese Spannung zwischen den Darstellern, die ein Hinweis unter anderem auch dafür ist, wie authentisch es für Michael Mann aussehen muss, wenn ein Killer jemandem wortlos sagen will, dass er besser keine Bewegung machen soll.
Jamie Foxx brilliert in seiner Rolle des unbeholfenen, schüchternen Männleins, der sich mit einem ungemein argumentationsfreudigen und gefährlichen, übermenschlichen Soziopathen einlassen muss. Tom Cruise beweist wieder einmal, dass er nicht nur ein physischer Akteur erster Kajüte ist, sondern auch versteht, jeder auch noch so eiskalten Rolle Charme angedeihen zu lassen. Jede Bewegung sitzt, jeder Blick, jeder Griff, jedes Lächeln. Er observiert, tarnt, mustert und man sieht seinem Spiel an, dass sein verkörperter Vincent darauf ausgerichtet ist, aus jeder Position, in jeder Lage eiskalt und schnell zu töten. Der Blendamed-Sunnyboy ist hier fast nicht wieder zu erkennen (das Aussehen steht ihm ungemein gut) und doch schimmert in den richtigen Momenten dezent die berüchtigte Cruise - Ausstrahlung aus diesem naturgewaltigen Monster.
Ein großes Highlight ist die Konversation zwischen moralisch-gefestigten Weltbürger und abstrus-pessimistischen Sensemann. In mehr als der Hälfte des Filmes konzentriert Michael Mann die Beziehung zwischen den beiden so unterschiedlichen Männern. Ein Dr. Jekyll und Mister Hyde -kalibriges Kammer- bzw. Fahrgastzellenspiel mit spritzigem Dialogwitz.
Während Max den Todbringer hoffnungslos begreifen will, entlarvt Vincent Max von mal zu mal. Wenn er etwa mit ansieht, wie Max sich das hitzige Temperament seines Boss gefallen lässt. Es ist einer der wunderbarsten Szenen, wenn Vincent sich schließlich als Anwalt ausgibt und seinen Chauffeur und devoten Arbeitnehmer in diesem Funk- Wortgefecht unter die Fittiche nimmt. Es ist eine Lektion, die Max als solche nicht wahrnimmt, der Zuschauer aber doch.
Es fasziniert, wie Vincent Max' Weltansicht, seinen verlogenen Lebensstil zerlegt und im gleichen Moment Max begreift und über sich hinaus wächst. Wie etwa, wenn er beim gemeinsamen Besuch seiner Mutter im Krankenhaus zu handeln begreift, sich mit Vincents Aktenkoffer auf und davon macht und sämtliche Arbeitsunterlagen über die Brücke wirft nur um Vincent zu stoppen. Er hat gehandelt und sogar Vincent sieht ein, dass Max von ihm "lernt" (zu improvisieren) und ihn mit dieser Tat sogar herausgefordert hat. - Vincent liebt Jazz und versteht wie Jazz funktioniert. Ein Geben und Nehmen, I- Ging. Shit happens. Darwin.
Eine weitere großartige Szene ist das Meeting schließlich zwischen Max und Vincents Auftraggeber Felix (Javier Bardem). Max in Mission inkognito die "Liste" mit den Namen und Adressen der Opfer zu besorgen, umgeben von einer bis an die Zähne bewaffneten mexikanischen Leibgarde im Gespräch mit einem Kartellboss, der glaubt Vincent vor sich zu haben. - Max wird zu Vincent. Ein hinreißendes Spiel!
Mark Ruffalo spielt Detective Fanning, eine unscheinbare Randfigur, die in dieser Nacht hellwach, gedrungen ermittelt, Schritt für Schritt die Wahrheit um die Morde registriert und nicht ahnt, wie gefährlich jede Annäherung ist. Eine intelligente Suspense-Attitüde stellt sich ein. Der Subplot um die sich im Weg stehenden Behörden und deren Ahnungslosigkeit verstärkt ungemein raffiniert das Genie um Vincent, den getarnten Geist im Unter- bzw. Hintergrund.
Alles drängt auf ein turbulentes Finale hin und tatsächlich sind es gleich drei kleine Showdowns, die auf ihre Art zu unterhalten wissen und nie diese großartige Verliebtheit vermissen lässt die agierenden Charaktere zu "zeichnen", sie zu dimensionalisieren. Immer bleibt Zeit für Blicke, für Gesichter, die Bände sprechen. Tom Cruise etwa, wenn er nach dem nächsten Magazin ins Leere greift und sein Blick den Zorn über diese verhängnisvolle Nacht und seinen Entscheidungen verrät. - Das ist Magie!
Michael Mann ist DER Mann für solche Großstadt-Neo Noir-Krimi-Thriller,
ein moderner Handwerker mit dem Blick für urbane Motive.
Ungeschönt und doch poetisch findet er sie und stellt sie dar.
Von ruckeligen Kamerafahrten, bis hin zu schwammigen Zooms, ja man könnte wirklich meinen,
da steckt etwas von Wong Kar Wai in Mann. Er zeigt sich wie sonst nirgendwo so verspielt.
Mit Collateral hat er auch die Liebe zu digitaler Aufnahme gefunden.
So schön sah L.A. von oben nie aus und ohne zusätzliche Beleuchtung fängt er die pure Ästhetik einer
Stadt bei Nacht ein.
Selbst der Himmel ist nicht ganz und gar schwarz und zeichnet sich deutlich von den
Straßenschluchten und den Dächerprofilen L.A.s ab.
Ein Minus gibt es für den ungewöhnlichen Gebrauch von Popmusikfetzen.
Zu viel des Guten! Und wirklich selten (Ausnahme vielleicht Audioslave) auch passend.
Ein hässlicher Beitrag, den er auch seinem Miami Vice-Remake nicht ersparen wollte.
Ja. Nach dem Meisterwerk Heat hat mich Collateral ungemein fasziniert und begeistert und ist somit definitiv einer meiner Lieblingsfilme ever.
Actionkino wie ich es haben möchte. Nix Glattes, nix Flaches. Dramaturgisch und optisch brillant und hochwertig.
Ein ungemein dichter Reißer und definitiv einer der besten Hollywoodfilme der letzten Jahre. Einfach nur großartig und vollblutig inszeniert vom Miami Vice-Erfinder und Heat-Macher Michael Mann.