OT: O Ritual dos Sádicos
HORROR/SATIRE: BRA, 1969
Regie: José Mojica Marins
Darsteller: José Mojica Marins, Ângelo Assunção
Vier Freiwillige werden einem Drogenexperiment unterzogen, in dessen Verlauf sie mit "Coffin Joe" Bekanntschaft machen. Das Resultat ist wie erwartet: Die Probanten erleben einen Albtraum aus Sex, Sadismus und Perversion...
KRITIK:In seinen besseren Momenten wirkt COFFIN JOE: AWAKENING OF THE BEAST, als hätten die Herrn Aleister Crowley, Charles Manson und Marquis de Sade mit ein paar halbnackten Cheerleadern eine satanistische Sado-Maso-Drogenparty in den Kulissen von FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS gefeiert.
Hört sich doch verlockend an? Dann habt ihr Saubartln euch aber zu früh gefreut.
Denn in seinen schwächeren Momenten, die leider laufzeitmäßig weit in der Überzahl sind, handelt es sich um eine experimentelle, in Schwarz-Weiß gefilmte Drogen-Mockumentary, in der viel geplaudert und recht wenig gezeigt wird.
Es ist nämlich so: Die Horror-Ikone Coffin Joe (eigentlich: Zé do Caixão), eine Comic-artige Mischung aus schwarzgewandeten Totengräber, nihilistischen Philosophen und praktizierenden Frauenschänder, die ihren fixen Platz in der brasilianischen Populärkultur gefunden hat, tritt hier nur als Gast auf; quasi als Film im Film.
Dann wird auch von SW auf sattes Techicolor umgeschaltet. Und der Zuseher reibt sich die Augen über die halluzinatorische Farbenpracht und die surrealen Bilderwelten, die sich plötzlich vor ihm ausbreiten.
Doch bis dahin ist Geduld gefragt. Denn erst einmal will sich eine Handvoll Wissenschaftler gegenseitig Kurzgeschichten über Verfall von Sitte und Moral durch den ausufernden Drogenkonsum unter Brasiliens Jugendlichen erzählen.
Und das dauert. Über eine Stunde lang.Klar, der Tonfall ist satirisch. Marins hat einiges gewagt: Das Konzept, sich mit den Mitteln einer gefakten Doku-Satire über die Verlogenheit von Staat, Religion und Gesellschaft lustig zu machen, für sexuelle Freiheit und Drogenliberalisierung einzutreten, war seiner Zeit weit voraus.
Nicht so ganz auf der Höhe der Zeit ist jedoch Marins mysogynes Frauenbild, wo sein offenkundiger Lehrmeister De Sade überdeutlich zu Tage tritt. Dennoch hat Marins einen wunden Punkt getroffen in der von lustfeindlichem Katholizismus geprägten brasilianischen Macho-Gesellschaft der späten Sechziger.
Prompt wurde das Werk verboten und für 20 Jahre unter Verschluss gehalten.
Aus heutiger Sicht mutete der Film jedoch etwas "dated" an. Und leider auch etwas anstrengend. Entgegen seinem Ruf verfolgt Marins hier nämlich das Konzept der noblen Zurückhaltung: Vieles wird nur angedeutet und soll sich in der schmutzigen Fantasie des Zuseher abspielen. Und das funktioniert leider nur bedingt.
Von der halluzinatorischen Schlusssequenz abgesehen, erweist er sich der böse Coffin Joe als recht müder "Coffee Joe". Soll heißen: Nur mit ausreichend Koffein-Zufuhr zu überstehen. Aber da muss wohl man durch. Denn Coffin Joe nicht zu kennen, käme doch einer gewissen Bildungslücke gleich.
Letzte Meldung: Coffin Joe kehrt zurück! Was einst mit so schönen Titeln mit dem schönen Titel wie At Midnight I'll Take Your Soul (1964) und This Night I Will Possess Your Corpse (1967) begann, bekommt nach 40 Jahren eine Fortsetzung: EMBODIMENT OF EVIL kommt im Mai 2009 in unsere Videotheken. Wir beten für eine halbwegs unverstümmelte Fassung.
COFFIN JOE: AWAKENING OF THE BEAST gilt als die ambitionierteste und wohl auch umstrittenste Arbeit des brasilianischen Regisseurs José Mojica Marins, der sich deutlich als De Sade-Anhänger zu erkennen gibt.
Der 20 Jahre lang verbotene Streifen erweist sich als ziemlich zähe, aber gegen Ende richtig schön psychedelische Fake-Doku über die (angeblichen) Gefahren bewusstseinsverändernder Substanzen.
Die von José Mojica Marins erdachte und gespielte Horror-Ikone Coffin Joe hat lediglich einen selbstironischen (?) Gastauftritt.
Eine filmische Grenzerfahrung für Sitzfleischbesitzer...