OT: Nuovo Cinema Paradiso
TRAGIKOMöDIE: ITALIEN/FRANKRE, 1988
Regie: Giuseppe Tornatore, Salvatore Cascio
Darsteller: Jacques Perrin,
Der erfolgreiche Regisseur Salvatore (Jacques Perrin) erhält die Nachricht über den Tod Alfredos (Philippe Noiret). Dies führt bei ihm nach 30 Jahren zu einem Wiedererwachen seiner Kindheitserinnerungen. Der Schauplatz ist ein sizilianisches Dorf in den vierziger Jahren. Kirche und Kino stehen im Zentrum des alltäglichen Lebens im Nachkriegselend. Der kleine willensstarke, sympathisch freche Toto (Salvatore Cascio) ist fasziniert vom Kino und schleicht sich unverdrossen bei jeder Gelegenheit in die Filmkabine. Die Jahre vergehen und der Filmvorführer Alberto begleitet Toto beim Erwachsenwerden und bringt ihm die Technik des Filmvorführens bei. Zwischen ihnen entfaltet sich eine tiefe und außergewöhnliche Freudschaft.
KRITIK:Den erzählerischen Hintergrund dieses 1990 mit dem Oscar prämierten Filmes bildet die Geschichte des titelgebenden Kinos. Sinnbildlich fungiert die Kinoleinwand als Projektionsfläche der großen Träume. Gerade auf der ein Stück von der Welt abgeschnittenen Insel Sizilien kommt diese große Sehnsucht in Nachkriegszeiten zu voller Geltung. Mitten auf dem Marktplatz bildet das Kino Paradiso das Eldorado für alle Dorfbewohner, jenseits von Unterschieden und Klassenschranken, als Nest der Träume.
Der Kirche Konkurrenz machend, zieht es als Highlight des sozialen Lebens sogar den Pfarrer des Dorfes in seinen Bann. Dieser sorgt jedoch, in pointiertem Witz dargestellt, unbeirrbar für die nötigen Zensuren.
Toto, der sich zunächst die Filmschnipsel mit nach Hause nimmt, bildet sich beim Anschauen der Bilder fasziniert und von seiner Phantasie beflügelt seine eigenen Geschichten.
Mit großer Sensibilität, ruhiger Kameraführung und leiser Ironie erhalten auch die kleinen Geschichten ihren Platz. Sie sorgen dafür, das Dorf als Ganzes, mit eigenem Charakter als dynamische Einheit erscheinen zu lassen. Dies verleiht dem Film Lebendigkeit und Authentizität und läßt uns eintauchen in diese andere Welt.
In diesem Umfeld wächst Toto mit den Geschichten des Kinos und Albertos Ratschlägen zu den großen Themen des Lebens auf. Alberto, der seine Weisheiten gerne mit Filmzitaten belegt, erweist sich als Realist und Skeptiker des allzu harmonischen Lebensglückes, wie es auf der Leinwand erscheint. "Das Leben ist nicht wie im Kino, es ist viel schwieriger."
Dies verfolgt der Film selbst konsequent. Nach einem tragischen Unfall erblindet Alberto und Toto übernimmt die Filmvorführungen. Er muss zum Militärdienst, erlebt seinen ersten Liebeskummer und trennt sich schließlich von seiner vertrauten Heimat. Er zieht in die weite Welt hinaus, um seine Träume nicht unverwirklicht zu lassen. Alberto drängt ihn regelrecht dazu und bleibt zurück. Dem seltsam kauzigen, dennoch liebvollen Alberto haucht der großartige Philippe Noiret Seele ein.
Der Kreislauf des Lebens wird hier in all seinen Facetten und Ambivalenzen beleuchtet. Hier bekommen Leben und Tod, Liebe und Abschied, das Erwachsenwerden und der Verlust der Unschuld, Glück und Leid, in ihrer alltäglichen Natürlichkeit, Absurdität, Witzigkeit und Ironie ihren Platz.
Eine Ode an das Leben und das Kino. Eine mit großem Gespür inszenierte Erzählung über das Leben und das Geschichtenerzählen im Spiegel der großen Geschichte des Kinos. Romantisches Kino ohne dabei in Gefahr zu geraten kitschig oder übertrieben sentimental zu sein!