OT: Burning Bright
TIERHORROR: USA, 2010
Regie: Carlos Brooks
Darsteller: Briana Evigan, Charlie Taham, Garret Dillahunt
Blöde Sache: Während eines Hurrikans wird eine junge Frau mit ihrem autistischen kleinen Bruder in einem Haus eingesperrt zu dem sich zu allem Überfluss noch ein Tiger befindet. Los!
KRITIK:"It's weird; sometimes the dumbest/simplest ideas make for the best films, leaving everyone scratching their heads as to why they didn't come up with it themselves."
Die Horrorfreunde der Filmseite BLOODY DISGUSTING haben den Nagel damit eigentlich auf den Kopf getroffen. Wieso hab' ich noch nicht daran gedacht? Wozu sich unnötig komplexe Storylines ausdenken, wenn man es so schlicht halten kann? Sturm + Tiger + Frau = Plot. Simpel und effektiv.
Derweil ist die Liste der boshaften Tiere ja gar nicht mal so kurz, im Grunde hat jedes denkbar mögliche Vieh schon mal seinen Blutdurst am süßen Menschenfleisch stillen dürfen; seien es jetzt Anakondas, Spinnen, Insekten, Vögel, Echsen, ja selbst Löwen oder auch der nette Bernhardiner von nebenan (wobei CUJO nach Stephen Kings Werk verfilmt wurde und der Meister des Horrors sieht das Böse in schlicht Allem - und seien es Wäscheklammern).
Und Tiger waren ja auch nie die edlen Helden der Natur, schon im Dschungelbuch war der Tiger Shirkan ein kaltblütiger Killer. Verständlich, wer schon einmal im Zoo bei der Tigerfütterung zugesehen hat, kann bestätigen, dass man es sich mit diesen Katzen lieber nicht verscherzen sollte. Auch die Präsenz des zentimeterdicken Panzerglases vereitelt das Schaudern und die spürbare Bedrohung nicht, wenn sich das monströse Geschöpf über das blutige Fleisch hermacht. So gesehen ist bei BURNING BRIGHT schon mal von Anfang an für Gänsehaut gesorgt.
Der Film macht kein Geheimnis aus seiner simplen Idee. Wer es noch nicht weiß, wird in den ersten paar Minuten aufgeklärt, worum es sich bei der "tödlichen Gefahr" (ein weiteres Mal, ein ganz ernst gemeintes Lob für diesen überaus gelungen und präzisen deutschen Untertitel!) handelt. Das eigentliche Interesse gilt eher dem Aufbau des Filmes, über dem die ständige Wolke der Lächerlichkeit schwebt - sofern man nicht eine Horrorkomödie mit Tiger machen will, sollte man sich schon eine halbwegs plausible Erklärung dafür einfallen lassen, weshalb sich die hübsche Protagonistin durch die Flure eines verlassenen Hauses hetzen lässt. Und siehe da: BURNING BRIGHT macht das gar nicht mal so dumm.
Ohne weiter auf den Verlauf der Geschichte jetzt einzugehen; der Film erzählt in (für meine Erwartungen) überraschend langsamen Sequenzen und Szenen wie es zu dieser nicht all zu glücklichen Situation kommt. Dabei vergisst BURNING BRIGHT vor allem eines nicht: ohne Vorgeschichte, gar keine Geschichte. Die zentralen Figuren dieses Kammerstücks - der Stiefvater, die Tochter, der autistische Bruder - werden gekonnt eingeführt und zeichnen sich durch eine, vielleicht nicht neue aber durchaus glaubhafte und nachvollziehbare Charakterisierung aus. Allen voran Briana Evigan als 20jährige Kelly, deren Ziele und Träume sich nicht unbedingt darauf beschränken sich um ihren kleinen Bruder zu kümmern, schafft es von Beginn an Interesse beim Publikum zu wecken; ihre Figur mag nicht immer sympathisch oder liebevoll wirken, sie ist jedoch stets menschlich und einleuchtend. Die Konstellation und Beziehung zwischen den Figuren - speziell zwischen Kelly und ihrem Bruder Tom (Charlie Tahan) - sind zugkräftig und halten einem (bis zu der Ankunft des Tigers) stets bei Laune.
BURNING BRIGHT lässt sich - bevor er die Katze aus dem Sack lässt (ha!) - ebenso viel Zeit um eine spannende und wohlig düstere Atmosphäre aufzubauen. Das Haus, indem sich später Tiger, Frau & Kind wiederfinden werden, wird auf Grund des schon erwähnten Hurrikans stetig zugemauert und verwandelt sich durch Holzbretter und Befestigungsanlagen immer mehr in ein kleines Gefängnis, von dem es wahrscheinlich keinen Ausweg mehr geben wird. Mit jedem Hammerschlag wird es immer dunkler und der erwartungsschwangere Zuseher freut sich jetzt schon über die gut gewählte Szenerie.
Und schließlich, nach ungeduldigen Wartem geht es dann los. Und eines muss man BURNING BRIGHT lassen: er ist verdammt spannend. Mögen Idee und Umsetzung auch dem kritischsten Zuseher nicht eingehen wollen, wenn dann der namenlose Tiger durch die dunklen Gänge schleicht, während die nichtsahnende Kelly sich ein Glas Wasser aus der Küche holt, ist das Suspense vom Feinsten. Effektive Szenen aus der Tiger-Cam, tanzende Schatten und eine bedrohliche Geräuschkulisse machen den Film zu einem feinem Schauermärchen, aus dem es kein Entkommen gibt. Gebannt und angespannt beobachtet man das Versteckspiel bis zu dem furchterregendem Moment, wenn schließlich die Jagd beginnt und man nur noch hoffen kann, dass das Monstrum einen nicht erblickt.
Der Film zieht dabei auch alle Register, die er für eine hohe Spannungskurve benötigt - die sind zwar nicht immer originell und belaufen sich nicht selten auf die üblichen Horrorfilmklischees, erfüllen jedoch ihren Zweck. Die weibliche Hauptfigur muss da auch mal den halben Film leicht bekleidet und verschwitzt durch enge Gänge schlüpfen (das riecht so richtig nach männlicher Zielgruppe) und manchmal sieht das ganze auch sehr verdächtig nach Teenie-Slasher aus (nur eben mit Tiger). Unsere Heldin bewahrt auch den Großteils des Films ziemlich ihre Nerven, schafft es gleichzeitig sich um ihren Bruder als auch um das Raubtier zu kümmern, während sie auch zielstrebig nach einem Ausweg sucht - trotz unglaublicher (um nicht zu sagen unglaubwürdiger) Toughness der zwanzigjährigen Beinahe-Studentin (immer auf die Studentinnen), erfreut man sich, dass die Hauptfiguren endlich mal logisch und überlegt handeln, anstatt dumm und schreiend in den Keller/Dachboden/Käfig zu laufen. Das ist in Anbetracht der Situation (es ist nämlich ein verdammter Tiger in dem verdammten Haus!) vielleicht nicht das Glaubwürdigste des Filmes, es ist aber allemal spannender als jeder andere Vertreter dieses Genres.
Wie man sich denken kann, ist bei zwei eventuellen Opfern der Bodycount in BURNING BRIGHT auch nicht gerade hoch, doch im Gegensatz zu brutalen Ausweidungsszenen und/oder blutigen Kills, legt der Film sein Augenmerk auf den Spannungsaufbau und die bedrohliche Szenerie. Und während die HATCHETS dieser Welt auf schön blutige Morde setzen, vertraut dieser Film beinahe gänzlich auf seine Atmosphäre - und das hat für einen Film, der in der letzten Hälfte darauf aufbaut, dass ein Tiger seine Beute durch ein Haus jagt, schon was zu bedeuten. Das eigentliche Tier darf übrigens mit einem nicht zu übertriebenen Einsatz von (durchwegs passablen) CGI-Effekten bewundert werden und strahlt - wie schon gesagt - mehr als die notwendige Präsenz an Gefahr aus.
Alles in allem macht BURNING BRIGHT einfach Spaß. Der Film sprengt zwar nicht die Grenzen und ebenso wenig hat man es hier mit einem neuen Alfred Hitchcock zu tun, jedoch holt Regisseur Carlos Brooks alles aus seinem Film heraus, was man aus dieser Prämisse heraus holen kann. Da verzeiht man dem Film auch ein etwas zu vorhersehbares Ende, eine etwas zu überdramatisierte Gebetsszene und die etwas zu simple Figur des bösen Stiefvaters. Zum Glück bleibt uns auch der obligatorische Schlusstwist kurz vor Abspann erspart und nach spannenden 80 Minuten kann man sich dann endlich entspannt zurücklehnen und sich über einen gelungen Film freuen.
PS: Den Trailer will ich natürlich niemandem vorenthalten, dennoch empfiehlt es sich hierbei mal darauf zu verzichten und sich überraschen zu lassen, da doch Einiges vorweg genommen wird.
Packender und effektvoller Tierhorror mit einer dreisten Prämisse, die so amüsant wie spannend ist. Glaubhafte Figuren erhalten das Interesse der ZuschauerInnen, während man einem ausgefallenem Katz-und-Maus Spiel zusehen darf. Nur eben mit Tiger. In diesem Sinne:
Tyger Tyger, burning bright,
In the forests of the night;
What immortal hand or eye,
Could frame thy fearful symmetry?