DOKUMENTARFILM: Deutschland, 2010
Regie: Chris Heck, Sebastian Linda
Darsteller: Sebastian Linda, Chris Heck, Ingo Bremmes, Andrew James Burnett, Leon Horn, Jürgen Horrwarth, Jesse Knapp
Sebastian und Chris begeben sich auf eine Reise, um die Essenz des Skateboardens (wieder)zufinden. Vor allem für Sebastian ist diese Suche von Bedeutung, hat die Beziehung zu seiner ehemaligen Liebe durch eine schwere Verletzung doch stark gelitten. Er stellt sich deshalb die existentielle Frage, deren Antwort Chris schon lange kennt: Ist Skateboarden nur eine Sportart, eine Phase - oder wurde er geboren um zu skaten...
Nach BONES BRIGADE und THIS AIN'T CALIFORNIA ist mir mit BORN TO SKATE abermals ein Skateboardfilm vor die Augen gerollt. Wieder einmal Grund genug für mich, eine Besprechung darüber zu schreiben. Diesmal ist die Skate-Doku gleichzeitig die Bachelor-, beziehungsweise Masterarbeit der beiden Regisseure Chris Heck und Sebastian Linda. Es handelt dabei um den Versuch einen neuen Stil von Narration innerhalb von Skateboardfilmen zu entwickeln, um eine Art Road(skate)movie wie Linda sagt. Und obwohl ich den Film immer noch als klassische Dokumentation einstufen würde, liegt er damit gar nicht mal so falsch.
Man merkt BORN TO SKATE von Beginn weg an, dass es den jungen Filmemachern weniger darum ging, die Skateszene zu dokumentieren, beziehungsweise zu portraitieren sondern vielmehr darum, sie erlebbar zu machen. Sie setzen dabei auf einen, aus Skatevideos (so nannten wir die Streifen früher) altbekannten Trick. Zumindest die älteren Kaliber solcher Filme zeigen meist narrativ unzusammenhängende Sequenzen von verschiedenen Tricks und werden dadurch sogar für hartgesottene Skateboardfanaten auf Dauer zur etwas eintönigen Angelegenheit. Deshalb wurden von verschiedene Produktionen, erinnert sei hier an das legendäre 411 Video Magazine, kleine Episoden abseits des Skateboardens zwischen die Tricksequenzen montiert, um so die Illusion einer Erzählung zu schaffen. Meist handelte es sich dabei um Unfug oder um Vulgaritäten, die übrigens in potenzierter Form den Grundstock des Jackass-Phänomens bildeten. Diese "aus dem Leben gegriffenen" Aufnahmen waren konsequenterweise allesamt inszeniert, wirkten aber teilweise so, als wären sie dem natürlichen Lebensgefühl der Skateboardkultur entnommen. Kurzum, als junger Skater war es schwer zu entscheiden, ob diese Filme den eigenen Lifestyle reflektierten, oder ob dieser erst durch solche Inhalte geformt wurde.
In BORN TO SKATE kommt es nun zu einer Art "Rückkopplung". So integrieren die beiden Regisseure zwar genau derartige Szenen in ihren Film, wobei diese aber wahrscheinlich wirklich ihrer - zweifelsohne durch Skatevideos geprägten - Verhaltensweise entsprechen und deshalb sehr authentisch, bisweilen autobiografisch wirken. Trotz der Intensität und Präzision der fotografierten Tricksequenzen, welche stark an ein Skatevideo erinnern, positioniert sich BORN TO SKATE durch Interviews, erklärenden Voice-overs und anderen Stilelementen allerdings klar als Dokumentarfilm. Der erzielte Effekt führt deshalb weniger zu einem neuen narrativen Stil in einem Skateboardfilm, sondern verändert vielmehr das bekannte Erzählmuster einer Dokumentation. Ein innovativer und, für aus dieser Subkultur stammende Zuseherinnen und Zuseher, durchaus charmanter Ansatz, der allerdings auch einige Schwierigkeiten mit sich bringt.
Neben der Tatsache, dass die, teilweise aus dem Zusammenhang gerissen wirkenden Sequenzen oftmals die Intensität der dokumentarischen Stilmittel untergraben, bringt die Reaktion meiner Freundin beim gemeinsamen Schauen das Hauptproblem auf den Punkt - So fragte sie mich bei beinahe jeder dieser "Blödeleien" was das denn schon wieder solle. In der Tat sind gefilmte Schweißfüße, Scheißhausszenen, et cetera für jemand der nicht aus dem Skateboard-Milieu stammt, in einer Dokumentation kaum nachvollziehbar und führen zu einiger Ratlosigkeit. Während diese "Einschübe" bei mir also nostalgische Erinnerungen weckten, fühlte sie sich zunehmend genervt. Gepaart mit der etwas pathetisch anmutenden Rahmengeschichte vom verletzten Sebastian, der den Mut zum Skateboardfahren verloren hat und von seinem Freund Chris, der ihm diesen trotz aller eigenen Probleme wieder zurückgeben will, führte dies dazu, dass sie sich relativ schnell von BORN TO SKATE abwandte und lieber in einem Magazin blätterte.
Schade eigentlich, denn so hat sie doch einiges Gutes an Hecks und Lindas Filmchen verpasst. Fotografiert und montiert ist das Ding nämlich einwandfrei. Vor allem die Kameraführung, das Spiel mit Lichtstimmungen und der Mut zu verschiedenen (ungewöhnlichen) Aufnahmeperspektiven machen BORN TO SKATE zu einem wirklich schön bebilderten Film. Hinzu kommen einige sehr charmante Momente, vor allem beim Zusammentreffen mit Menschen aus der Szene, bei denen es den beiden (damals) Jungregisseuren relativ gut gelingt die Freude, um nicht zu sagen das Glücksgefühl beim Skateboarden einzufangen. Schlussendlich sind auch noch einige ziemlich fette Skatesequenzen dabei, sodass man dann doch wieder ein ordentliches "Skatevideo" im Player hat.
BORN TO SKATE ist eigentlich eine klassische Dokumentation über das Skateboardfahren, die aber mit einem interessanten Ansatz aufwartet. Narrativ mag der Film einige Schwächen haben, dafür ist er schön bebildert und hat einige charmante Momente aufzubieten. Alles in allem muss man BORN TO SKATE nicht gesehen haben, Menschen die aus der Szene stammen werden aber wahrscheinlich einiges an Freude damit haben.