HORROR/SATIRE/DRAMA/MINDFUCK: NL, 2013
Regie: Alex van Warmerdam
Darsteller: Jan Bijvoet, Hadewych Minis, Jeroen Perceval, Alex van Warmerdam
Ein Obdachloser wird von drei bewaffneten Männern durch den Wald gejagt. Irgendwie kann er entkommen und findet Zuflucht im Gartenhaus einer wohlhabenden Familie. Marina verbindet sein Wunden, bietet ihm ein Bad an, bringt ihm Essen. Ihr Mann Richard darf nichts davon wissen. Und die Kinder? Die freuen sich, dass ein "Zauberer" im Garten wohnt und spannende Geschichten erzählt. Und langsam, ganz langsam bekommt das vorher schon nicht mehr ganz heile Familienidyll erste Risse ...
Bist. Du. Deppert. Borgman hält sich nicht lang mit Subtilitäten auf und rammt dem Zuseher gleich zur Begrüßung die gestreckte Faust ins Gesicht. Erklärt wird nichts, wir sind mittendrin im Geschehen. Und was geschieht, verstört: Drei schwer bewaffnete und offensichtlich zum Äußersten entschlossene Männer jagen einen Obdachlosen durchs Unterholz, als hätten wir uns in einen dieser brutalen Menschenjagd-Reißer verirrt, die in den Siebzigern über die Bahnhofskino-Leinwände flimmerten.
Doch der Schein trügt. "Ich will spielen" lautet ein Schlüsselsatz von Borgman, der Hauptfigur, der auch auf den Film selbst zutrifft. BORGMAN - der Film - will ebenfalls nur spielen: Mit unseren Nerven, Erwartungshaltungen, mit unserer Geduld, und leider auch mit unserer Frustrationstoleranz.
Es ist nämlich so: Was ein verstörender und knochenharter Home Invasion-Thriller hätte werden können, nimmt bei der ersten Gelegenheit die Abzweigung in Richtungen, die den Zuseher auf die Probe stellen. Die unheimliche und bedrohliche Atmosphäre, die der Film in der Eröffnung geschickt aufbaut, wird mutwillig von "kreativen" Einfällen zertrampelt:
Mal will BORGMAN - der Film - Familiendrama spielen, dann Gesellschaftssatire, dann Polit-Parabel, schließlich surreales Albtraumkino und absurdes Theater, in dem Killer (?) schon mal eine Ballettaufführung im Garten zum Besten geben. Gewiss, handwerklich perfekt und souverän inszeniert ist das Gebotene zu jedem Zeitpunkt. Und es fallen einige unglaublich kaltschnäuzige Gewaltakte ab, die sich in die Netzhaut einbrennen. Man achte etwa auf die Zweckentfremdung von Blumentöpfen.
Aber leider: Je länger der Film lief, desto länger muss auch mein Gesicht geworden sein. Nicht, dass ich prinzipiell etwas gegen groteske und surreale Albtraum-Filme einzuwenden hätte. Zumal BORGMAN eh noch vergleichsweise breitbeinig auf dem schwankenden Boden der Tatsachen steht: Ich meine, gegen einen völlig durchgeknallten Mind-Fistfuck wie A FIELD IN ENGLAND, der am letztjährigen /slash-Festival das Publikum spaltete, ist BORGMAN eh noch quasi ein Michael Bay-Film.
Doch auch auf die Gefahr hin, wie ein enttäuschter Mainstream-Only-Gucker zu klingen: Ich hätte mir BORGMAN irgendwie anders gewünscht, straighter, wenn man so will, weniger zwangsoriginell. Zumal die Masse an "lustigen" Einfällen hier ganz eindeutig zu Lasten der Spannung geht. Und dass am Ende circa 1000 Fragen offen bleiben, muss im Schlussplädoyer leider ebenfalls gegen den Film verwendet werden. So leid es mir tut.
Ein Obdachloser ist eben seinen Verfolgern entwischt und findet Zuflucht im Garten einer reichen Familie, in deren Leben nichts mehr so sein wird wie zuvor. Verstörender Home Invasion-Thriller zu Beginn, desolates Familiendrama mittendrin, surrealer Mindfuck gegen Ende. Zweifelsohne ein sehr ungewöhnlicher Film, der zum /slash-Filmfestival passt wie die Faust aufs Auge. Schade nur, dass sich der Regisseur nicht für eine Gangart entscheiden kann und einfach ALLES ausprobiert. Das wird leider immer anstrengender, je länger der Film läuft. Aber wer weiß, vielleicht findet sich BORGMAN in zehn Jahren auf diversen "The-50-Weirdest-Films-Ever-Made"-Listen wieder ...
Am Mittwoch, 24.9. am /slash Filmfestival im Wiener Filmcasino.